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Fernverkehrskonzession: BAV zieht Aufteilung durch – gefährliche Flucht nach vorne

Trotz der vielen negativen Reaktionen in der Anhörung hat das Bundesamt für Verkehr am 12. Juni definitiv entschieden, den Schienenfernverkehr zwischen SBB und BLS aufzuteilen. Damit löst das BAV einen juristischen Krieg aus. Denn anders als die BLS hat die SBB triftige Gründe, den Entscheid anzufechten, was sie schon angekündigt hat. So schafft das BAV mit seiner Wettbewerbsideologie vor allem Unsicherheit, die dem heute gut funktionierenden Schweizer Bahnsystem nur schaden kann.

Acht zusätzliche Doppelstockzüge «Mutz» will die BLS für den Fernverkehr auf Ende 2019 beschaffen.

Seit Beginn der Streitereien um die Konzession für den Schienenfernverkehr hat der SEV immer wieder betont, wie wichtig Kooperation für ein gutes Zusammenspiel des Schweizer Fernverkehrs ist. «Jetzt befinden wir uns in einer unsicheren Situation. Man hätte diese Diskussion gut am Verhandlungstisch führen können, stattdessen droht sie nun vor Gericht zu landen», ärgert sich SEV-Präsident Giorgio Tuti.

Gegen- statt Miteinander schadet dem System Bahn

Der SEV ist weiterhin überzeugt: Der Wettbewerb bringt im ganzen öV-System nur Verlierer. «Das BAV will unser Land unbedingt mittel- bis langfristig in einen Wettbewerbsmodus drängen, ohne dass eine politische Grundlage besteht. Und dies, obwohl unser aktuelles Bahnsystem ausgezeichnet funktioniert und in ganz Europa ein hohes Ansehen geniesst», erklärt Giorgio Tuti. Er befürchtet, dass mittelfristig der Fernverkehr durch verschiedene Akteure zerstückelt wird, die alle nur die rentablen Linien bedienen wollen. Und dass die Akteure künftig nicht wie bisher miteinander arbeiten werden, sondern gegeneinander. «Davon hat uns in den letzten Monaten die Streiterei zwischen der SBB und der BLS um die Konzession schon einen Vorgeschmack gegeben. Am Ende leidet die Qualität des gesamten Eisenbahnsystems», warnt Tuti.

Grosser Aufwand mit fragwürdigem Nutzen

Daneben hat der Wechsel von Linien von einem Unternehmen zum andern auch Auswirkungen auf Personal, Rollmaterial und Infrastruktur. Weil diesmal nur zwei kürzere Linien von der SBB zur BLS wechseln, wo es nur Stichkontrollen gibt, halten sich die Personalverschiebungen per Ende 2019 vorerst in Grenzen. Doch noch viel weitergehende Personalwechsel drohen bei der nächsten Konzessionsvergabe in zehn Jahren, falls das BAV dann weitere, längere Linien mit Zugbegleitung nicht mehr an die SBB vergibt.

Bei solchen Personalverschiebungen sind viele Fragen zu klären, von den Anstellungsbedingungen über die Pensionskasse bis zum Arbeitsort und zur Übergabe von Räumlichkeiten und sonstiger Infrastruktur. Hinzu kommt die Verunsicherung des Personals.

SEV will Kostentransparenz

«All diese Verschiebungen für alle Beteiligten zufriedenstellend zu gestalten, wird nicht einfach sein und viel Aufwand verursachen. Da kann man sich schon fragen, ob das Sinn macht und wer das bezahlt», gibt Giorgio Tuti zu bedenken. Das gelte auch für den ganzen administrativen und sonstigen Aufwand der Konzessionsausschreibung. «Dazu verlangen wir schon für das laufende Verfahren absolute Kostentransparenz!», fordert Tuti.

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SBB kündigt Beschwerde an

Sie sei nicht gegen Wettbewerb, schrieb die SBB am 12. Juni. «Mit einer aufgeteilten Fernverkehrskonzession entsteht jedoch kein echter Wettbewerb. Denn ein- heitliche nationale Tarife, bestehende Fahrplankonzepte und vergleichbares Rollmaterial lassen kaum Spielraum für eine echte Differenzierung unter den nationalen Bahnbetreibern.

Gesetzliche Grundlagen unklar, Rahmenbedingungen während Verfahren geändert: Das bisherige System basiert auf einer Einheitskonzession für den Fernverkehr. Die Politik hat sich in der Vergangenheit dahingehend geäussert, dass eine Mehrbahnenlösung im abgeltungsberechtigten Regionalverkehr anzustreben ist, nicht aber im Fernverkehr. Die Vergabe von Teilstrecken im Fernverkehr muss somit vom Gesetzgeber zuerst entschieden werden. Gleichzeitig mit der Verfügung erhöht das BAV die Deckungsbeiträge zur Finanzierung der Infrastruktur und begrenzt den Fernverkehrsgewinn. Das BAV hat die geplante Erhöhung der Deckungsbeiträge nach der Anhörung nach unten korrigiert. Trotzdem stellen diese Anpassungen eine Ungleichbehandlung der Betreiber und einen grossen Eingriff ins aktuelle öV-System dar. (...)

Ein neues Wettbewerbssystem muss für Kunden, Besteller und Bund mehr Qualität, Nutzen, und Effizienz bringen. Die SBB erachtet einen politischen Dialog und rechtliche Klärung für notwendig und bereitet deshalb eine Beschwerde vor. (...)»

Preisüberwacher erwirkt Änderung

Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisierte den BAV-Entscheid vom April, die Umsatzrendite der Bahnen im Fernver kehr auf 8% zu beschränken und darüber hinausgehende Gewinne als Beitrag an die Infrastruktur abzuschöpfen: Das sei eine weitere Trassenpreiserhöhung, die die Tarife nach oben drücke. Dank dem Preisüberwachungsgesetz würden zu hohe SBB-Gewinne im Fernverkehr den Reisenden schon über Vergünstigungen zurückerstattet.

Nun hat das BAV die neue Regelung so entschärft, dass die SBB von den Fernverkehrsgewinnen nicht wie zuerst geplant rund 100 Mio. Franken pro Jahr zusätzlich abliefern muss, sondern nur noch ca. 50 Mio.

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BLS akzeptiert BAV-Zuschlag halb zufrieden

Sie werde ab Dezember 2019 die Fernverkehrslinien Bern–Biel und Bern– Burgdorf–Olten bedienen, schrieb die BLS am 21. Juni. Sie bestelle dafür kurzfristig acht Optionszüge aus der Beschaffung der «Mutz»-Dosto bei Stadler von 2012. Weiter schreibt die Bahn: «Allerdings kann die BLS ihre Ideen eines verbesserten Service für die Fahrgäste nicht wie geplant umsetzen. Das Fernverkehrsgesuch um fünf Linien war so kalkuliert, dass die BLS eine Reisebegleitung und den Billettverkauf im Zug hätte anbieten können. Durch die Reduktion auf zwei Linien ist dies nicht möglich, weil die beiden verfügten Linien dazu zu wenig ertragsstark sind. Die BLS beabsichtigt, bei der nächsten Konzessionsvergabe erneut ein Gesuch einzureichen, um dann mehr Linien zugesprochen zu bekommen. (...) Die BLS begrüsst, dass die vom Bund durch das Modell ‹SBB plus X› initiierte Marktöffnung des Fernverkehrs in der aktuellen Verfügung im Ansatz erkennbar ist und nun weiterentwickelt werden kann. In diesem Sinne unterstützt sie die Absicht des BAV, das Vergabeverfahren zu überprüfen. Sie fordert insbesondere einen Vorlauf von mindestens fünf Jahren für Gesuchsteller, um Rollmaterial zu beschaffen. Ausserdem müssen alle Gesuchsteller bei der Finanzierung von Rollmaterial gleichbehandelt werden – nicht bundeseigene Bahnen tragen heute deutlich höhere Finanzierungskosten als die SBB, die von günstigen Bundesdarlehen profitiert. (...)»

Kommentare

  • Richard Piccinin

    Richard Piccinin 01/07/2018 12:56:09

    mir würde es interessieren wie die Einnahmen zwischen beide oder mehr Unternehmungen verteilt werden. Ein (unnötiger) administrativer Aufwand mehr