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Tessiner Schifffahrt

Arbeitszeitgesetz: Das BAV gibt dem SEV gegen die SNL Recht

Ein juristischer Sieg, aber vor allem ein gewerkschaftlicher Erfolg: Am 20. Oktober 2021 hatte der SEV über seinen Anwalt beim Bundesamt für Verkehr (BAV) eine Verwaltungsbeschwerde gegen die Società Navigazione Lugano (SNL) eingereicht. Diese betraf zwei Probleme: die verspätete Mitteilung des Dienstplans und die fehlende Bestätigung der Feiertage, wie sie gesetzlich vorgeschrieben ist. In seiner Verfügung vom 29. Juni gibt das BAV dem SEV in allen Punkten Recht und lehnt die Argumente der SNL ab.

Ein juristischer und gewerkschaftlicher Sieg für die Schiffsleute vom Lago Maggiore.

Warum ist es so weit gekommen? Normalerweise können viele Schiffsangestellte ab dem Spätherbst endlich ihre wohlverdienten Ferien beziehen, nachdem sie dies in der arbeitsreichen Sommerzeit nur in wenigen Ausnahmefällen tun konnten. Die SNL-Mitarbeitender hatten das Unternehmen schon lange im Voraus über die gewünschten Urlaubstage informiert. Alles war perfekt – ausser dass die Bestätigung dieser Urlaube für einige Mitarbeiter nie ankam und sie ihren Urlaub bereits in den Ferienorten gebucht hatten. Dies war ein klarer Verstoss gegen die Verordnung zum Arbeitszeitgesetz AZGV (Art. 26, Abs. 8). So wandten sich die betroffenen und zu Recht erzürnten Kolleg:innen an das SEV-Sekretariat in Bellinzona, das eine ausführliche Dokumentation zuhanden des mandatierten Anwalts erstellte.

Der zweite strittige Punkt betrifft die wiederholt verzögerte Mitteilung der Diensteinteilung. (Art. 26 Abs. 1 b und c AZGV in Verbindung mit Abs. 7 b 1). Auch hier überlassen wir es der Leserschaft, sich den Unmut der Arbeitnehmer vorzustellen, die mehr als einmal bis wenige Tage vor Monatsende warten mussten, um zu erfahren, was für den nächsten Monat geplant war! Im Rahmen der Sozialpartnerschaft konnten diese Probleme trotz mehrmaligem Nachhaken nicht gelöst werden. Deshalb wandte sich der SEV ans BAV, das in dieser Angelegenheit die Aufsichtsbehörde ist.

Das sagt das BAV

Das BAV entkräftet im Wesentlichen alle Argumente der SNL und fordert schlicht und einfach die Einhaltung des Gesetzes.

Zunächst einmal weist das BAV deutlich darauf hin, dass eine Jahresdiensteinteilung die Regel ist und eine monatliche Diensteinteilung nur möglich ist, wenn es feste Vereinbarungen gibt. Weiter äussert sich das BAV wörtlich wie folgt:

• «Die SNL steuert die Krise, indem sie auf die Ereignisse reagiert, statt sie zu antizipieren, und zwar einseitig, d. h. ohne die Hauptakteure wie die Arbeitnehmenden, die Personalkommission, den SEV oder das BAV einzubeziehen.»

• «Die SNL konnte sich auf das Wohlwollen und die Disponibilität ihrer Mitarbeitenden verlassen, die sich bereit erklärten, ihre Ferien zu verschieben. Sie kann dies jedoch nicht in jedem Fall verlangen.»

• «Die SNL bringt durch ihr Verhalten ihre Mitarbeitenden in die schwierige Situation, gegen die Regeln verstossen zu müssen und/oder sie nicht einhalten zu können, im rechtlichen wie im eigentlichen Sinn (Gesundheitsschutz).»

• «Die SNL muss über genügend Personal verfügen, um sicherzustellen, dass die Dienstleistungen unter Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen (Sicherheit und Gesundheitsschutz) erbracht werden. Wenn sie beschliesst, die Dienstleistungen auszubauen, muss sie sich vergewissern, dass sie dazu in der Lage ist.»

Die Verfügung enthält weitere kritische Anmerkungen und auferlegt der SNL eine Gebühr von 2500 Franken.

Und jetzt?

Das BAV sagt klipp und klar, dass es die SNL beim nächsten Audit kontrollieren werde und bei erneuten Verstössen gegen das Gesetz strafrechtlich gegen die SNL vorgehen werde. Der SEV und die SNL-Angestellten vom Lago Maggiore werden auf jeden Fall wachsam bleiben. Dieser juristische Sieg ist vor allem ein gewerkschaftlicher Sieg. Dank verstärkter gewerkschaftlicher Präsenz und Geschlossenheit haben es einige Schiffsleute auf sich genommen, dem SEV-Sekretariat in Bellinzona alle in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen zu übergeben. So konnte eine solide gewerkschaftliche Argumentation aufgebaut werden, von der nun alle Mitarbeitenden profitieren.

Die Verfügung kann vor allem aus zwei Gründen gewerkschaftlich nützlich sein: Sie enthält in jeder Hinsicht wichtige Punkte, die der Rechtsprechung dienen werden, vor allem in Bezug auf die Beteiligung der Personalvertreter:innen in den Unternehmen und bezüglich des Rechts jedes und jeder Mitarbeiter:in, Unregelmässigkeiten sofort der Gewerkschaft zu melden.

Das BAV gab den SNL-Mitarbeitenden vom Lago Maggiore in seiner Rolle als Aufsichtsbehörde für die Schiffsbetriebe in allen Punkten Recht. Die SNL muss ihr Personal über die Verfügung informieren, kann aber beim Bundesverwaltungsgericht dagegen Beschwerde führen.

Angelo Stroppini / Übers. M. Fischer
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