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Auf den Spuren von...

Fabio Errico, Schiffsführer

Fabio Errico auf seiner «Weggis»: Das Element Wasser begleitet ihn seit seiner frühen Kindheit.

Eigentlich war es nur Plan B. Nichtsdestotrotz ist Fabio Errico heute mit Leidenschaft Schiffsführer bei der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV). Der Weg dahin verlief allerdings nicht ohne Hürden.

Stolz und mit einem Lächeln auf dem Gesicht steht er auf der Brücke, als sein Schiff in Vitznau einfährt. Fabio Errico winkt mir zu, und im nächsten Moment begrüsst er auch schon die Fahrgäste unten beim Steg, die die «Weggis» besteigen. Fabio hat mit seinen 36 Jahren bereits ein bewegtes Leben hinter sich.

Er wird 1985 in Jona als drittes Kind einer italienischen Familie geboren. Sein Vater kam 1958 als Gastarbeiter in die Schweiz, seine Mutter folgte ihm bald. Fabio ist ein «Nachzügler»; seinen beiden wesentlich älteren Schwestern hat er vieles zu verdanken. Aber dazu später.

Schon als kleines Kind liebt er das Wasser, die Natur, das Meer. Die Sommerferien verbringt er mit der Familie in Italien am Meer. Für Fabio bedeutet das fünf Wochen im und am Wasser, seinem Element. Seine Berufslaufbahn nimmt wohl schon hier ihren Anfang. Als Fabio 12-jährig wird, sind seine Eltern pensioniert und ziehen zurück nach Italien. Fabio reist mit und verlässt ein erstes Mal sein vertrautes Umfeld, um an einem anderen Ort neu anzufangen. Er verliert mit diesem Schritt auch seine Aufenthaltsbewilligung C in der Schweiz, was ihm sein späteres Leben nicht einfacher macht.

Nach der regulären Schule in Italien entscheidet sich Fabio für eine Lehre an der technischen Fachschule für Seetransporte in Gallipoli, eine nautische Ausbildung, die auch Themen wie Navigation, Meteorologie, Gezeiten, astronomische Navigation und Verkehrsrechte auf hoher See beinhaltet. Mit 19 Jahren ist er diplomierter Fachmann für Seetransporte. Und auf dem Sprung zum Profifussballer, seinem Plan A. Er spielt in Lecce, dann bei Clubs in ganz Italien. Bis sein Körper nicht mehr mitmacht. Wegen Muskelverletzungen muss er seine Karriere vorzeitig an den Nagel hängen; und sich neu orientieren.

Im August 2008 sieht er keine Zukunft mehr für sich in Italien und reist zurück in die Schweiz zu seinen Schwestern, wo er sich ohne jeglichen Aufenthaltsstatus ein zweites Mal sehr fremd fühlt. Im Jahr der Wirtschaftskrise findet er keine feste Anstellung und ist bald frustriert. Bis eine Schwester ihn darauf aufmerksam macht, dass die SGV Matrosen sucht. Seine Bewerbung wird allerdings abgewiesen – wegen fehlender Französischkenntnisse. Seine Schwester motiviert ihn, nochmals nachzuhaken und anzubieten, die Schulkenntnisse neu aufzufrischen. Seine Hartnäckigkeit zahlt sich aus, und nach einem Schnuppertag auf einem SGV-Schiff ist Fabio begeistert. Die SGV ebenfalls: Er wird angenommen. Später wird er erfahren, dass das Französisch nur ein Vorwand war, um ihm eine Absage zu erteilen, und dass vielmehr seine ausländische Staatsbürgerschaft ein Problem fürs Unternehmen darstellte.

Seit zehn Jahren ist Fabio nun Schiffsführer auf dem Vierwaldstättersee. Seit diesem Jahr auch als Teamleiter mit Verantwortung für «sein» Schiff «Weggis». «Ich liebe meinen Job und kann mir heute nicht vorstellen, jemals pensioniert zu werden und nicht mehr hier oben zu stehen», lacht er. Jeder Tag sei anders, mit vielen schönen Erlebnissen. Für Fabio ist es nicht nur ein Brot-Job. Seine Leidenschaft für diese Arbeit ist während dem ganzen Gespräch spürbar. Und doch gab es auch in seiner Laufbahn schon Momente, in denen er zweifelte. Als er nach fünfjähriger Tätigkeit zu hören bekam, dass er zu motiviert und zu engagiert sei und damit seine Vorgesetzten überfordern könnte, beispielsweise. «Das hat etwas mit mir gemacht, das ich bis heute nicht ganz verarbeitet habe», erzählt der reflektierte 36-Jährige.

Für Fabio gibt es drei Pfeiler im Berufsleben: Freizeit, Lohn und die Freude an der Arbeit. «Auf einen davon kann ich verzichten, wenn die beiden anderen stimmen. Aber wenn nur einer dieser Aspekte in Ordnung ist, dann kann es nicht funktionieren!» Es werde manchmal auch ausgenutzt, wenn die Schiffsleute Freude an ihrer Arbeit hätten. «Dann denkt das Unternehmen, es kann bei Lohn und Freizeit Abstriche machen, aber das geht natürlich nicht», verdeutlicht der Schiffsführer.

Fabio sagt, was er denkt, und ist sich bewusst, dass er damit oft auch der «Unbequeme» ist. Aber es brauche eben Leute, die auch mal auf den Tisch hauen. Mit seiner Haltung und dem Engagement wäre er eine ideale Besetzung für eine aktive Rolle im SEV. «Ich habe mir das auch schon überlegt und würde mich gerne mehr für meine Kolleg:innen und unsere Rechte einsetzen. Aber mir fehlt aktuell das Wissen und die Zeit dafür.» Fabio ist seit seinen Anfängen als Schiffsführer überzeugtes SEV-Mitglied und bezeichnet den SEV als «Schutzengel, der hinter mir steht und da ist, wenn ich ihn brauche». Eine aktivere Rolle könnte er sich in ferner Zukunft durchaus vorstellen.

Fabio lebt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Ebikon. Seiner zweiten grossen Leidenschaft – dem Fussball – kann er nicht mehr nachgehen, weil die Arbeitszeiten kein regelmässiges Training zulassen. Sportlich ist er trotzdem. Und seit seiner Erfahrung mit den Französischkenntnissen spielen auch Fremdsprachen eine wichtige Rolle in seinem Alltag. Er will für künftige Anforderungen im Job gewappnet sein und frischt seine Sprachkenntnisse regelmässig auf. Auch neue Sprachen wie Portugiesisch sind dazugekommen.

Chantal Fischer
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