| Aktuell / SEV Zeitung, Gesundheit am Arbeitsplatz

Link zum Recht

Arzttermine in der Arbeitszeit

Arzttermine können regelmässig nur in den regulären Bürozeiten vereinbart werden. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich dabei zunächst die Frage, ob die Arbeitgeber die Arbeitnehmenden in der für die Wahrnehmung von Arztterminen notwendigen Zeit von der Arbeitspflicht entbinden müssen. Weiter stellt sich die Frage, ob den Arbeitnehmenden während dieser Zeit überdies die Arbeitszeit gutgeschrieben werden muss.

In privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen gilt Art. 329 Abs. 3 OR, wonach Arbeitnehmenden die üblichen freien Stunden und Tage zu gewähren sind. Unter Üblichkeit fallen nach der Rechtsprechung sämtliche persönlichen Besorgungen, denen ausserhalb der Arbeitszeit nicht nachgegangen werden kann, also typischerweise auch Arztbesuche. Der Anspruch der Arbeitnehmenden auf Gewährung zusätzlicher Freizeit zwecks Wahrnehmung eines Arzttermins besteht aber nur dann, wenn die normale Freizeit für das Aufsuchen des Arztes nicht ausreicht und eine besondere Arbeitsbefreiung als geboten erscheint. Arztbesuche sind also wenn immer möglich und zumutbar in die arbeitsfreie Zeit zu verlegen sowie den Vorgesetzten rechtzeitig zu kommunizieren. Massgebend sind die Verhältnisse des Einzelfalls, wobei bei flexiblen Arbeitszeitmodellen (z. B. beim Gleitzeitmodell) im Vergleich zu starren Arbeitszeitmodellen (z. B. Blockzeiten) eine Verlegung des Arzttermins in die Freizeit eher möglich sein sollte.

Eine andere Frage ist, ob Arbeitnehmende die ausgefallenen Stunden kompensieren müssen und ob der Arbeitgeber für die Zeit lohnzahlungspflichtig ist. Ein Anspruch auf Freizeitgewährung bedeutet nicht ohne weiteres, dass diese Freizeit auch bezahlt ist. Das Obligationenrecht enthält hierzu keine spezifischen Lohnvorschriften. Wird Arbeitnehmenden der Arztbesuch an die Arbeitszeit angerechnet, besteht keine Pflicht zur Kompensation, und auch der darauf entfallende Lohn ist geschuldet. Wird Arbeitnehmenden der Arztbesuch nicht an die Arbeitszeit angerechnet, ist auf die Regelungen im Einzel- oder Gesamtarbeitsvertrag zurückzugreifen.

Beispielsweise der GAV SBB regelt die Frage, ob für private Arzttermine eine Zeitgutschrift erfolgen muss, in Ziffer 63. Als Grundsatz gilt demnach, dass für private Absenzen und namentlich Arztbesuche keine Arbeitszeit gutgeschrieben wird. Handelt es sich jedoch um langwierige medizinische Behandlungen, so kann eine Zeitgutschrift gewährt werden. Der Entscheid, ob im Einzelfall eine Zeitgutschrift erfolgt, liegt im Ermessen und in der Kompetenz der betreffenden Organisationseinheit nach Rücksprache mit der zuständigen HR-Beratung.

Bei Fragen zur Arbeitszeitgutschrift bei privaten Absenzen steht das Rechtsschutzteam SEV zur Verfügung.

Rechtsschutzteam SEV
Enable JavaScript to view protected content.