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Recht

Mediation – ein Mittel, um Arbeitskonflikte zu lösen

Bei Arbeitskonflikten kann die Mediation ein Instrument sein, um zeitraubende und teure Verfahren vor dem Arbeitsgericht zu vermeiden.

Irène Wettstein, Rechtsanwältin und Mediatorin

Paul hat einen Kloss im Hals. Er ist morgen zu einer Verhandlung am Arbeitsgericht vorgeladen. Dort wird er den Personalverantwortlichen wiedersehen, der ihm die Kündigung zugestellt hat. Er denkt an die schlechten Arbeitsbedingungen, die ihn krank gemacht haben, was zu einer Kündigung führte. Seine Anwältin verteidigt ihn gut, sie wird an seiner Seite im Gerichtssaal sein; garantieren, dass der Prozess zu seinen Gunsten ausgeht, kann sie aber nicht. Paul kann nicht mehr und erinnert sich dann, dass ein Freund ihm von dessen Erfahrung mit einer Mediation erzählt hat.

Nicht alle Arbeitskonflikte sind so dramatisch wie jener von Paul. Doch ist festzuhalten, dass in den meisten Fällen ein gekündigter Angestellter die gerichtliche Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Arbeitgeber vermeiden möchte. Ein Gerichtsverfahren verstärkt nämlich bestehende Spannungen, weil es kompliziert ist, lange dauert und – vielleicht vor allem – weil kein Platz für Empathie darin ist. Die traumatischen Erinnerungen kommen wieder hoch, Ängste bleiben akut. Auch wenn ein Betroffener wünscht, dass die erlittenen Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz anerkannt werden, so braucht er doch auch die Möglichkeit, das Geschehene hinter sich zu lassen. Eine Mediation kann diese schwierige Gleichung auflösen.

Die Mediation hilft bei einer Konfliktlösung sowohl während eines Arbeitsverhältnisses als auch nach dessen Beendigung. Ihr Ziel ist es, im offenen Konflikt oder zur Vermeidung desselben den Beteiligten die Kommunikation zu ermöglichen und eine Lösung zu finden, die beiden Seiten dient, was mit dem Beizug eines Mediators geschieht. Dieser ist dem Konflikt gegenüber neutral und den Beteiligten gegenüber unabhängig, dabei ist die Vertraulichkeit gewährleistet. So kann er, sollte die Mediation scheitern, nicht als Zeuge beigezogen werden. Dies sind wesentliche Rahmenbedingungen, die das Vertrauen der Beteiligten schaffen und garantieren, dass der Mediator nicht instrumentalisiert werden kann. Der Mediationsprozess ist freiwillig; jeder Partei steht es frei, ihn einzugehen und ihn jederzeit abzubrechen. Mediationen können in vertikalen Konflikten – also mit Vorgesetzten –und in horizontalen (unter Kolleg:innen) eingesetzt werden. Sie haben auch ihre Grenzen: Eine Mediation ist nicht dazu geeignet, Konflikte zu lösen, die sich durch nachhaltigen Druck auf eine Partei auszeichnen, so speziell nicht bei Mobbingsituationen.

Mehreren Studien zufolge sind Konflikte am Arbeitsplatz die Hauptursache für psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit. Um dies zu verhindern haben einige private und auch öffentlich-rechtliche Unternehmungen interne Instanzen geschaffen, wie beispielsweise eine Vertrauensperson. Oder sie weisen auf die Möglichkeit einer externen Mediation hin. In einem Urteil aus dem Jahr 2012 hat das Bundesgericht entsprechende Empfehlungen gemacht – siehe Bundesgerichtsurteil vom 9. Mai 2012 (2C_462/2011). Und das Bundesamt für Justiz hat einen Hinweis auf die Mediation in das Formular für das Schlichtungsgesuch aufgenommen, welches auf seiner Webseite zu finden ist.

In Konfliktsituationen am Arbeits-platz haben weder Arbeitnehmer:in-nen noch Arbeitgeber:innen etwas von einer Eskalation. Sowohl während eines bestehenden Arbeitsverhält-nisses als auch nach seiner Beendigung ist der Beizug einer Mediatorin oder eines Mediators oft eine gute Möglichkeit, die Beziehungen zu befrieden, den Konflikt zu bewältigen und eine nachhaltige, für alle Parteien gangbare Lösung zu finden. Es können Vereinbarungen getroffen werden, die unkonventionell sind und über die ausgetretenen Pfade hinausgehen, dort, wo ein Richter nur ein Urteil ohne grosse Nuancen fällen kann. Ein teurer und langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang wird vermieden.

Tags darauf schlägt Paul zu Beginn der Verhandlung seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Mediation vor. Der Arbeitgeber geht darauf ein.

Irène Wettstein, Rechtsanwältin und Mediatorin
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Gewerkschaftliche Unterstützung

Über den Berufsrechtsschutz bietet der SEV seinen Mitgliedern eine Begleitung an. Oft können so Lösungen zur Zufriedenheit beider Parteien gefunden werden. Dies kann auch in Form einer Mediation geschehen.

Allerdings bedarf der Beizug einer professionellen Mediatorin bzw. eines Mediators des Einverständnisses der Arbeitgeberseite. Einige Unternehmen schlagen bereits von sich aus neutrale Drittpersonen vor, die eine Mediation einleiten können.