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Wieso hat der mich nicht untersucht?

George, Max und Heidi treffen sich zufällig im Wartezimmer der Physiotherapie. Da sitzen sie nun also je mit einem dicken Knie und vertreiben sich die Wartezeit mit einem Gespräch über ihr Leiden und ihre Erfahrungen. Da merken sie, dass sie alle das gleiche Knieproblem haben, aber es nicht bei allen gleich läuft.

pixabay.com / Alexander Fox

George, der Älteste von ihnen, arbeitet im Büro. Plötzlich hat es einfach gezwickt. Max ist Bauer und vom Anhänger auf das Knie gefallen. Heidi ist Plattenlegerin und hat schon seit Jahren Probleme, die immer schlimmer geworden sind. Aber alle sind sich einig: Hier wurde über sie entschieden, ohne dass sie die Entscheidungstragenden je gesehen hatten, und bei jedem gab es eine andere Meinung.

Unterschied behandelnder Arzt vs. Versicherungsmedizinerin

Alle drei haben also die gleichen gesundheitlichen Probleme: Da müsste es doch bei allen gleich laufen? Und vor allem sollte doch jemand entscheiden, wie es nun weitergehen soll, der auch selber eine Untersuchung gemacht hat – oder etwa doch nicht?

Um entscheiden zu können, welche medizinischen Behandlungen angezeigt sind, muss der Arzt medizinische Untersuchungen vornehmen und dann eine Diagnose stellen. Die Behandlung kann sich hier dann durchaus von Patientin zu Patient unterscheiden, weil in der Behandlung der Mensch in seiner Gesamtheit im Vordergrund steht. Ziel ist es, die Gesundheit wieder herzustellen, und das erfolgt über die praktischen oder eben behandelnden Ärzte.

Die, die da nicht untersuchen, sind nicht die behandelnden Ärzte, sondern die Versicherungsmedizinerinnen. Bei der IV ist das die Ärztin des regionalärztlichen Dienstes (RAD), bei der Suva der Kreisarzt und bei den Versicherungen sind es vorwiegend Gutachterinnen und Gutachter. Wobei die Begutachter durchaus selber untersuchen, aber dann die Versicherungsärztin aufgrund des Gutachtens entscheidet. Hier ist nicht die Diagnose entscheidend und steht auch nicht die Behandlung im Vordergrund. Es stellt sich einzig die Frage, was dieser Mensch mit diesen Beschwerden noch machen kann. Die Fragestellung ist also eine ganz andere.

Die Folgen des Unterschieds im Einzelnen

George hat einfach plötzlich Schmerzen gehabt. Es hat sich gezeigt, dass seine Beschwerden auf einer sogenannten altersbedingten Abnützung basieren. Da er im Büro arbeitet, wird das Knie dort nicht weiter belastet und er kann bald wieder voll in die Arbeit einsteigen. Knien geht nicht mehr gut, und auch Schmerzen sind dann und wann da. Seine Krankentaggeldversicherung hat hier ihren Versicherungsmediziner gefragt, und dieser hat die Akten der Hausärztin studiert. Das Taggeld wird eingestellt und eine volle Arbeitsfähigkeit wird nach Ende der Physiotherapie angenommen.

Max hatte einen Unfall. Als selbstständiger Bauer ist er über seine Krankenkasse unfallversichert. Bei ihm sind die Ursache und die Auswirkungen der Kniebeschwerden anders, weil er körperlich arbeitet. Es stellt sich heraus, dass Max, weil er nicht mehr so gut in die Knie gehen kann, seine Arbeiten anpassen und einen Mitarbeiter einstellen muss. Diese Einschränkung führt nach dem Ermessen der Versicherungsärztinnen zu einer kleinen Rente aus dem Unfallversicherungsgesetz.

Heidis Knie leidet nun auch an Abnützungserscheinungen. Sie arbeitet aber schon seit zwanzig Jahren als Plattenlegerin. Nach einigen Zuständigkeitsschwierigkeiten geht es zur Suva. Die Frage hier war Krankheit oder nicht, und weil feststeht, dass die Beschwerden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Berufsausübung zurückzuführen sind, wird die Berufskrankheit geprüft. Der Kreisarzt der Suva anerkennt die Berufskrankheit, und dass Heidi eine neue berufliche Ausrichtung braucht. Mit der Hilfe der Suva und der IV kann sie nun als Ausbildnerin im Betrieb weiterarbeiten.

Und so haben die drei verstanden, dass die Diagnose nur ein Puzzleteil ist. Es hilft für die Behandlung, aber dann entscheiden andere aus den Akten. Und auch wenn es die gleiche Diagnose ist, ist es am Schluss doch immer anders, weil da noch viel mehr Faktoren reinspielen. Es bleibt nicht ganz einfach zu verstehen, aber Hauptsache, es geht allen bald wieder besser.

Rechtsschutzteam SEV
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