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Gekündigt und freigestellt

Markus erhält die Kündigung. Es wird umstrukturiert und dieses Mal trifft es ihn: Er wird gekündigt und für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt. Für Markus ist das eine neue Erfahrung, die ihn schlichtweg überfordert. Was gilt es bei einer Freistellung zu beachten, und worauf muss er sich einstellen? Auf diese und andere Fragen soll im Folgenden eingegangen werden.

Zunächst einmal ist Freistellung nicht gleich Austritt. Auch wenn die Arbeitspflicht entfällt, besteht das Arbeitsverhältnis während der Dauer der Freistellung weiterhin fort. In dieser Zeit unterstehen Mitarbeitende der Treuepflicht. Sie haben die Interessen ihres Arbeitgebers zu respektieren und zu wahren. Handlungen und Äusserungen, die den Ruf des Arbeitgebers schädigen oder den Betrieb stören, sind sowohl in der realen Welt als auch in den sozialen Medien zu unterlassen. Vertrauliche Sachen am Arbeitsplatz bleiben vertraulich. Mitarbeitende werden nicht gegen den Arbeitgeber aufgehetzt. Kund:innen der Arbeitgeberin werden weder abgeworben noch abspenstig gemacht.

Die Freistellung gehört zur Weisungsbefugnis des Arbeitgebers. Diese findet jedoch ihre Schranken im Persönlichkeitsschutz der Mitarbeitenden. Es kann nicht sein, dass die Freistellung ein Instrument ist, um Mitarbeitende herabzuwürdigen. Die Aufforderung an einen Mitarbeiter, er oder sie solle sich jeden Tag während der Dauer seiner Freistellung viermal bei der Arbeitgeberin melden, ist genauso schikanös wie die Anweisung, dass eine freigestellte Mitarbeiterin während der Arbeitszeit präsent sein soll – ohne Zuteilung einer Arbeit. Die Freistellung ist auch kein Freischein, Mitarbeitende zur sofortigen Freigabe ihrer Dienstwohnung oder ihres Dienstfahrzeugs aufzufordern. Sofortige Freistellung heisst auch nicht, dass Mitarbeitende sich nicht einmal richtig von ihren Kolleg:innen verabschieden können. Die Freistellung hat auch nichts im Arbeitszeugnis verloren.

Kurzgesagt: Die Freistellung ist nicht das Ende des Anstands und des zivilen Umgangs mit den Mitarbeitenden.

Solange der Arbeitgeber den Mitarbeitenden ihren Lohn auszahlt, kann er sie einseitig freistellen. Zum Lohn gehören auch die Lohnbestandteile, wie beispielsweise die Zulagen. Die Spesen selber gehören nicht zum Lohn, es sei denn, diese werden pauschal ausbezahlt. Sollten der Lohn oder die Lohnbestandteile von Monat zu Monat variieren, nimmt man den Durchschnitt der letzten sechs bis zwölf Monate und zahlt diesen während der Freistellung aus.

Gekündigte und freigestellte Mitarbeitende können durchaus in die Ferien gehen. Ihre restlichen Urlaubstage können mit der Freistellungszeit verrechnet werden. Das muss aber in einem vernünftigen Verhältnis zur restlichen Freistellungsdauer stehen. Denn die Freistellungsdauer ist die Kündigungsfrist. Und Zweck der Kündigungsfrist ist die Stellensuche. Und hierfür muss den Mitarbeitenden genügend Zeit verbleiben.

Als Daumenregel gilt: Die zu beziehenden Ferien sollten ein Drittel der gesamten Freistellungsdauer nicht überschreiten. Tun sie das dennoch, müssen die Ferien ausbezahlt werden und gelten als nicht bezogen. Ausnahme: Sofern der oder die Mitarbeiter:in nicht auf die Stellensuche angewiesen ist, werden die verbleibenden Ferien vollständig mit der Freistellungsdauer verrechnet.

Sofern gekündigte und freigestellte Mitarbeitende während der Freistellung erkranken oder verunfallen, ist der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung während der Kündigungsfrist verpflichtet – was auch eine entsprechende Verlängerung der Kündigungsfrist nach sich zieht.

Es kann sein, dass eine Freistellung den Mitarbeitenden aus verschiedenen Gründen sehr gelegen kommt. Einen Anspruch darauf haben sie jedoch nicht. Werden sie – wie in den allermeisten Fällen – nicht freigestellt, können sie eigentlich nur ihr Ferienguthaben aufbrauchen und zusätzlich einen Antrag auf unbezahlten Urlaub stellen. Eine andere Variante wäre die einvernehmliche Trennung im Rahmen einer Austrittsvereinbarung. Die Freistellung wäre dann sozusagen Teil dieser Vereinbarung.

Die Freistellung ist ungewöhnlich. Ungewohntes wirft Fragen auf. Wichtig ist, dass Markus mit seinen Rechtsfragen nicht alleine steht, sondern sich an den SEV wendet. Als Mitglied des SEV kann er den Berufsrechtsschutz des SEV in Anspruch nehmen und hat für seine Fragen und Überlegungen einen kompetenten und zuverlässigen Partner.

Rechtsschutzteam SEV