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Film «Mahatah»

Gegensätze und Gemeinsamkeiten

Der Film «Mahatah» (Bahnhof auf Arabisch) von Sandra Gysi und Ahmed Abdel Mohsen läuft ab dem 15. September in Schweizer Kinos und zeigt einen Tag an den Hauptbahnhöfen von Zürich und Kairo: Der Gegensatz könnte nicht grösser sein. Schaut man jedoch genauer hin, sind sich die scheinbar unterschiedlichen Welten unglaublich ähnlich.

Etwa 20 Millionen Menschen leben in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Sie müssen mit einem Durchschnittseinkommen von rund 300 Franken im Monat auskommen. Einige dieser Menschen arbeiten am Bahnhof in Kairo, dem «Mutter-Bahnhof Ägyptens», wo sie dafür sorgen, dass der Betrieb reibungslos abläuft und der Aufenthalt für die Gäste sicher ist. Anders sieht es in Zürich aus. Weniger als eine halbe Million Menschen leben in der grössten Schweizer Stadt. In der Schweiz beträgt das durchschnittliche Monatseinkommen über 7000 Franken – in Zürich wohl etwas mehr, am Hauptbahnhof wohl etwas weniger. Viel Arbeit wird dort von Menschen mit Migrationshintergrund geleistet. Auch sie sorgen dafür, dass eine logistisch unheimlich komplexe Maschinerie läuft und den Menschen ermöglicht, zu verreisen oder nach Hause zu kommen.

Im Film «Mahatah» tauchen die Zuschauerinnen und Zuschauer in diese beiden Parallelwelten ein. 24 Stunden befindet man sich in diesen kosmopolitischen Universen. «Es ist ein ständiges Kommen und Gehen – und doch bleiben wir an einem an sich geschlossenen Ort», erzählt die Schweizer Filmemacherin Sandra Gysi über ihre Faszination für Bahnhöfe, die sie und den Ägypter Ahmed Abdel Mohsen dazu bewegt hat, diesen Film zu machen. Etwa je einen Monat lang waren sie in beiden Bahnhöfen unterwegs mit Lokführern, Imbissrestaurant-Mitarbeitenden und den Putzkräften, die den Schmutz, den die Tausenden von Reisenden jeden Tag hinterlassen, beseitigen. In Kairo schaute da Filmemacherduo hinter die Kulissen des Sicherheitsdienstes, dessen Agenten sich unauffällig in die Masse der Reisenden mischen. In Zürich begleiteten sie zwei Sicherheitsleute, die nicht nur Ordnungshüter sind, sondern auch Psychiaterin, Sanitäter und Auskunftsstelle.

Ein Thema schwingt während dem ganzen Film mit: Migration. Bahnhöfe verkörpern die Sehnsucht nach der Ferne und sind vielleicht der erste Schritt zur Erfüllung des Traums, an einem anderen Ort der Welt eine neue Heimat zu finden. Insbesondere im Bahnhof Zürich sind viele Menschen aus aller Welt gelandet und haben dort eine Arbeitsstelle gefunden. Sie erzählen im Film ihre Geschichten. Anders tönen die Geschichten in Kairo, wo viele Menschen davon träumen, der Armut zu entfliehen und in einem anderen Land ihr Glück zu finden. Es gibt aber auch diejenigen, die froh sind, geblieben zu sein. Der Mitarbeiter der Bahnhofswäscherei beispielsweise erzählt, dass viele seiner Kollegen, die einst hoffnungsvoll in die Ferne gegangen waren, nun enttäuscht wieder nach Ägypten zurückkommen.

Dass sie Fragen der Migration nachgingen, hatte für Sandra Gysi und Ahmed Abdel Mohsen auch persönliche Gründe. Das Filmemacherduo pendelt selber zwischen den Kulturen, wohnt zeitweise in der Schweiz, zeitweise in Ägypten. Der Bahnhof als Ort, wo man über Fragen der Migration, aber auch über unterschiedliche Kulturen diskutiert, ist perfekt gewählt. «Uns ging es darum, Klischees in Frage zu stellen und gegen Vorurteile zu kämpfen», sagt Sandra Gysi, «sowohl hier in der Schweiz als auch dort in Ägypten, wo der Film dann hoffentlich auch mal gezeigt wird.»

So unterschiedlich die beiden Bahnhöfe Zürich und Kairo auf den ersten Blick sind, so nah kommen sie sich in diesem Film. Es gibt Momente, in denen man als Zuschauerin oder als Zuschauer nicht mehr weiss, wo man sich befindet und sich fragt: Ist das jetzt Kebab aus Kairo oder aus Zürich?

Mehr Infos zum Film gibt es hier.

Michael Spahr
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