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Dokumentarfilm Schwarzarbeit

Ein Krimi in der Arbeitswelt

Der Dokumentarfilm «Schwarzarbeit» von Ueli Grossenbacher begleitet vier Arbeitsmarktinspektoren und eine Arbeitsmarktinspektorin bei ihrer täglichen Arbeit. Sie kontrollieren Baustellen, Restaurants, Läden und andere Betriebe, wo Menschen oft illegal angestellt werden. Gleichzeitig wirft der Film einen Blick auf den schwierigen politischen Kampf gegen die Ausbeutung der Arbeitenden.

© Fair & Ugly Filmproduktion

Der eindrückliche Film von Ueli Grossenbacher hat weder einen Anfang noch ein Ende, sondern man landet beim Betrachten mittendrin im Alltag von Frédy, Regula, Marcos, Stefan und Chrümu. Man sitzt mit ihnen im Auto unterwegs im Jura, in der Stadt oder im Berner Oberland. Man hört ihnen zu bei alltäglichen Gesprächen, aber auch bei Themen, die sie wegen ihrem Job berühren. Sie arbeiten für die Arbeitsmarktkontrolle des Kantons Bern und statten verschiedenen Betrieben Überraschungsbesuche ab. Besuche, die nicht ganz ungefährlich sind, weil dabei sehr oft illegale Machenschaften ans Licht gebracht werden. Es kommt auch mal vor, dass sie zum Schutz von der Polizei bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Die Arbeitsmarktkontrolle überprüft, ob die gesetzlichen Bestimmungen bei der Arbeit eingehalten werden, also ob die arbeitenden Menschen angemessen bezahlt werden, ein Recht auf Freizeit haben und ob sie überhaupt legal in der Schweiz arbeiten dürfen.

Schon die erste Szene schockiert. Ein Mann – offensichtlich mit Migrationshintergrund – arbeitet in einem Laden, verdient 550 Franken im Monat («Basislohn») für einen Einsatz während sieben Tagen pro Woche und rund zwölf Stunden pro Tag. Als «Pause» gilt, wenn es keine Kundschaft im Haus hat. Er ist «Manager» des Ladens, und somit ist es legal, dass er unter diesen widrigen Umständen arbeitet. «Manager» fallen nicht unter den Schutz des Obligationenrechts oder eines Gesamtarbeitsvertrages. Die Arbeitsmarktkontrolle ist machtlos, hier einzugreifen.

Nicht ganz machtlos ist die Politik. Ein zweiter Erzählstrang des Films begleitet den ehemaligen SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini bei seinem Kampf, die Rechte der arbeitenden Bevölkerung gesetzlich zu schützen. Immerhin gibt es hier auch Lichtblicke. So schafft es Pardini beispielsweise, im Nationalrat eine Motion gegen den Abbau beim Lohnschutz durchzubringen. Somit kann er geplante Zugeständnisse bei den Verhandlungen mit der EU bremsen. Doch auch in diesem Erzählstrang des Films macht sich zuweilen Ernüchterung breit. So beklagen zwei der Protagonisten im Gespräch an einer 1. Mai-Feier, wie solche Anlässe immer kleiner werden: «Lohndumping scheint niemanden mehr zu interessieren. Jeder denkt nur noch an sich. So ein Gemeinschaftsprojekt wie der 1. Mai interessiert niemanden mehr.»

Sisyphusarbeit gegen Schwarzarbeit

Unermüdlich kämpfen die Kontrolleure und die Kontrolleurin weiter, was sie immer wieder in ein Dilemma stürzt. Sie erwischen nämlich nicht die Leute, die von der Billiglohnarbeit profitieren, die «Gangster», wie sie ein Arbeitsmarktkontrolleur nennt. Sondern sie erwischen die «Sans-Papiers», die Menschen, die illegal arbeiten und auf den Dumpinglohn, den sie in der Schweiz erhalten, angewiesen sind. Werden sie erwischt, kommt die Polizei und es droht ihnen nicht nur der Job-Verlust, sondern auch die Ausschaffung. Die Verantwortlichen im Hintergrund dagegen kommen meistens glimpflich davon und müssen eine Busse bezahlen, die oft viel kleiner ist als die Profite, die sie dank dem Bruch des Arbeitsrechts erwirtschaften. Kein Wunder fragt sich ein Kontrolleur zuweilen: «Soll ich den Schwarz- arbeiter einfach laufen lassen?»

Immer wieder schockiert der Film, zum Beispiel, wenn wir erfahren, dass die Pflegehelferin aus der Slowakei bei einer Schweizer Rentnerin für knapp 2000 Euro im Monat angestellt ist, obwohl sie sieben Tage die Woche und 24 Stunden im Tag bereit sein und bis zu fünfmal pro Nacht aufstehen muss, um ihrer Klientin zu helfen. Hier liegt klar ein Verstoss gegen den Arbeitsvertrag vor, steht darin doch, dass die Pflegerin eigentlich nur sechseinhalb Stunden arbeiten müsste. Über den Lohn steht nichts im Vertrag.

Obwohl der Film in der realen Welt spielt, wirkt er manchmal wie ein Krimi. Trotz düsterer Perspektive auf die Arbeitswelt regt er regelmässig auch zum Lachen an. Die Dialoge zwischen den Protagonisten und der Protagonistin sind Zeichen einer wunderbaren Menschlichkeit in einem zuweilen höchst unmenschlichen Umfeld.

Im Moment läuft der Film in Kinos in der ganzen Schweiz.

Michael Spahr
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