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Abschied

«Der politische Kampf ist niemals zu Ende»

Daniela Lehmann präsentiert am SEV-Kongress 2022 die Positionspapiere Verkehrspolitik und Digitalisierung. Foto: Manu Friederich.

Nach über zwölf Jahren beim SEV als Koordinatorin Verkehrspolitik und über fünf Jahren Koordinationstätigkeit im Bereich der Digitalisierung sucht Daniela Lehmann eine neue Herausforderung. Abschiedsinterview:

Eine deiner letzten verkehrspolitischen Taten beim SEV war das Verfassen eines Antwortentwurfs zur bundesrätlichen Vernehmlassung zur Zukunft des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV): Was sind deine Kernbotschaften dazu?

Daniela Lehmann: In dieser Vernehmlassung gibt es eine Variante, die den EWLV in der Schweiz eliminieren würde: Dagegen müssen all jene kämpfen, die an den Güterverkehr auf der Schiene glauben. Wichtig werden auch wieder zwei alte Forderungen, für die der SEV schon bei der Revision des Gütertransportgesetzes von 2015 mit der Koalition Pro Cargo erfolglos gekämpft hat: Der EWLV ist auf der Basis von Eigenwirtschaftlichkeit gegenüber der Strasse nicht konkurrenzfähig, trotz guten Instrumenten im Gesetz wie den Konzepten und Plänen zur Netznutzung. Das hat die Vergangenheit bewiesen. Zweitens braucht es für die Verlagerung auf die Schiene auch im Binnengüterverkehr messbare Ziele wie für den alpenquerenden Verkehr, um die Umwelt und die Bevölkerung vor zu viel Lastwagenverkehr zu schützen.

Was waren die grössten verkehrspolitischen Erfolge?

Ich bin 2010 direkt mit dem Kampf für die Ausfinanzierung der Pensionskasse SBB eingestiegen. Das war wohl das intensivste Lobbying in meiner Zeit beim SEV. Wir gingen auch mit Betroffenen ins Bundeshaus, um Parlamentsmitglieder von der Notwendigkeit des Bundesbeitrags von 1,148 Milliarden Franken zu überzeugen. Schlussendlich hat im Ständerat kein einziges Mitglied dagegen gestimmt. Ein weiterer grosser Erfolg war 2014 das klare Ja des Schweizer Stimmvolks zur Vorlage «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur» (Fabi). Dabei ging es um viel Geld für den öffentlichen Verkehr dank einem unbefristet finanzierten Fonds. Darum hat der SEV eine eigenständige Kampagne gemacht und sich diese auch etwas kosten lassen. Ein jüngerer Erfolg ist die Verteidigung der Fernverkehrskonzession aus einer Hand, die das Bundesamt für Verkehr dem Wettbewerb zuliebe aufsplitten wollte, obwohl der Erfolg der Schweizer Bahnen vor allem auch auf ihrer guten Zusammenarbeit beruht. Unsere Gespräche, Briefe etc. trugen dazu bei, diese folgenreiche Aufsplittung zu verhindern.

Was waren die grössten Niederlagen – neben jener beim Gütertransportgesetz?

Der SEV hat sich auch gegen die zweite Strassenröhre am Gotthard engagiert. Diese Abstimmungskampf ging im Februar 2016 verloren. Schade ist auch, dass der SEV, Syndicom und Unia ihre im Dezember 2017 gegründete Allianz Fairlog in der Logistik- und Strassentransportbranche nach rund zwei Jahren wieder auf eine Zusammenarbeit zurückgestuft haben, wie sie schon vorher bestand. In den neuen Mobilitätsketten ist aber eine enge Zusammenarbeit wichtig, weil dort nicht mehr immer so klar ist, welche Gewerkschaft zuständig ist. Ich glaube deshalb nach wie vor an die Idee, die Fairlog zu Grunde lag. Manchmal braucht es halt mehrere Anläufe, damit ein Projekt zum Fliegen kommt.

Welche Herausforderungen kommen sonst auf den SEV zu?

Der SEV hat in den letzten Jahren im Kampf gegen Liberalisierung und Wettbewerb viel erreicht, muss diesen Kampf aber ständig weiterführen, gerade auch angesichts des Wechsels an der Uvek-Spitze. Er muss weiterhin klar aufzeigen, dass der öffentliche Verkehr zur Lösung des Klimaproblems beitragen kann. Massnahmen gegen den Klimawandel müssen aber sozialverträglich umgesetzt werden. Das CO₂-Gesetz wurde im Juni 2021 unter anderem abgelehnt, weil Leute mit kleinen Einkommen und Renten das Gefühl hatten, dass sie für diese Massnahmen drauflegen müssen, obwohl dies nicht der Fall gewesen wäre. Die Gegner haben geschickt falsche Zahlen in die Welt gesetzt und damit die inhaltliche Diskussion zu ihren Gunsten gelenkt. Künftig gilt es, anstatt die Lügen widerlegen zu wollen, die eigenen guten Argumente in den Vordergrund zu stellen.

In den letzten Jahren hast du auch die Arbeit des SEV auf dem Gebiet der Digitalisierung koordiniert: Kleiner Rück- und Ausblick?

Das erste Positionspapier Digitalisierung wurde 2017 verabschiedet. Grundsätzlich will der SEV die Digitalisierung als Chance für das Personal nutzen und mitgestalten. Denn der Nutzen oder Schaden von Digitalisierungsmassnahmen hängt stark von ihrer Art und Umsetzung ab: Sie können darauf abzielen, möglichst viel Geld und Stellen einzusparen – oder darauf, die Mitarbeitenden bei ihrer Arbeit zu unterstützen und für sie Beruf und Privatleben besser vereinbar zu machen. Bei den GAV-Verhandlungen SBB im Jahr 2018 war die Digitalisierung ein Schwerpunkt des SEV, und er hat neben anderem das Recht auf Nichterreichbarkeit durchgebracht. Aktuell läuft das vom Digitalisierungsfonds der SBB finanzierte Pilotprojekt «Bistro digital». Diese Informations- und Austauschplattform nimmt sich der Ängste und Unsicherheiten der Mitarbeitenden an und bietet die Möglichkeit, an kostenlosen Coachings teilzunehmen.

Was hat dir an deiner Arbeit beim SEV gefallen und was weniger?

Sie war sehr breit und abwechslungsreich, thematisch und von den Mitteln her: Kampagnen, Lobbying, Pilotprojekte, Positionspapiere, Vernehmlassungsantworten usw. Für mich persönlich war es der spannendste Job, den der SEV zu vergeben hat. Aber man muss sich dabei meistens selber auf die Schulter klopfen, weil politische Veränderungen oft längere Zeit benötigen und von aussen gar nicht immer wahrnehmbar sind. Vielleicht haben wir das Erreichte manchmal auch zu wenig in den Vordergrund gestellt.

Warum ziehst du weiter?

Nach zwölf Jahren beginnen sich gewisse Themen und Aufgaben zu wiederholen. Deshalb suche ich eine andere Herausforderung. Ich hätte mein Knowhow gerne weiterhin dem SEV als Präsidentin zur Verfügung gestellt. Das hat leider nicht geklappt, weshalb ich den SEV nun verlasse. Ich weiss noch nicht, wo es mich hinzieht. Klar ist mir nur, dass ich in den zehn Jahren bis zur Pensionierung nochmals durchstarten will. Dem SEV wünsche ich für die Zukunft viel Erfolg.

Markus Fischer
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