Baptiste Morier, neuer Coach der SBB-Sektionen in der Romandie

«Ich will den Sektionen neuen Pep geben»

Bis jetzt hat Elena Obreschkow als Coach sowohl die SBB-Sektionen der Deutschschweiz wie der Romandie betreut. Jetzt gibt es eine Veränderung: Einerseits wird das Coaching vom befristeten Projekt zur Daueraufgabe, andererseits hat im Welschland ein neuer Coach die Arbeit aufgenommen, womit das Coaching um 20 Stellenprozente aufgestockt wurde. Der neue welsche Coach ist dabei nicht gar so neu im SEV, weil Baptiste Morier schon zwei Jahre als Gewerkschaftssekretär im Regionalsekretariat Lausanne gearbeitet hat. Wir stellen seine Vision und seine Ziele als Coach der SBB-Sektionen der Romandie vor.

kontakt.sev: Baptiste Morier, wie stellst du dir deine Rolle als Sektionscoach vor?

Baptiste Morier: Ich habe Lust, den SBB-Sektionen dabei zu helfen, Versammlungen und Aktivitäten zu organisieren und den Bedürfnissen der Basis zu entsprechen.

Welches ist dein Hauptziel?

Ich möchte die Flamme des Sektionslebens wieder anfachen. Jenen, die es benötigen, Unterstützung bei der Führung der Sektion bieten.

Brennt die Flamme der SBB-Sektionen nicht so heiss wie jene bei den VPT?

Man muss feststellen, dass gewisse SBB-Sektionen einen erschreckenden Unterbestand an Vorstandsmitgliedern haben. Ich möchte, dass jene, die noch auf der Brücke sind und das Schiff auf Kurs halten, in ihren Bemühungen nicht lockerlassen. Ich will sie unterstützen, damit sie sich gut fühlen und weiter Spass an ihrer Aufgabe haben.

Was kannst du von den ersten Tagen in der neuen Funktion berichten?

Ich erwartete, dass ich von überall bestürmt würde, aber in Wirklichkeit war der Beginn eher ruhig. Offenbar wussten etliche Vorstandsmitglieder gar nicht, dass mein Posten geschaffen worden ist. Man muss die Verbindung zur Basis wirklich entwickeln oder teilweise erst noch schaffen.

Trotzdem fängst du ja nicht bei null an wie Elena Ob- reschkow vor zwei Jahren.

Genau! Elena hat die Arbeit in der Romandie schon gut vorbereitet. Sie hat eine gute Sicht aufs Ganze, und ich möchte gerne dort fortfahren, wo sie angefangen hat, mit meinem Gespür und meinen Erfahrungen als alter Aktivist und ehemaliger Gewerkschaftssekretär.

Elena hat Arbeitsmethoden definiert und den Kurs festgelegt. Deshalb fange ich nicht bei null an. Sie konnte aber nicht alle Sektionsvorstände in der Romandie treffen, dafür hat ganz einfach die Zeit nicht gereicht.

Ja richtig, du hast ja zuvor als SEV-Gewerkschaftssekretär gearbeitet. Ist das nun eher ein Vorteil oder ein Handicap?

Es ist ein Vorteil, weil ich das Haus kenne. Und als ich Olivier Barraud assistiert habe, habe ich die Sektionen bereits unterstützt und mich vor allem mit Coaching-Aufgaben beschäftigt, habe darauf geachtet, dass in den Vorständen eine gute Arbeitsatmosphäre herrschte. Ich habe diese organisatorische Seite sehr geschätzt.

Aber mein grösster Vorteil besteht sicher darin, dass ich Aktivist gewesen bin. Ich habe mehrere Jahre in einem Sektionsvorstand gearbeitet und weiss deshalb, welches die Bedürfnisse eines Vorstands sind, welche Schwierigkeiten es gibt, wie das Sektionsleben vor sich geht. Ich weiss auch, dass es nicht immer einfach ist, das Berufsleben (häufig mit unregelmässiger Arbeitszeit) und das gewerkschaftliche Engagement unter einen Hut zu bringen. Ich habe in meiner Sektion damals Verantwortung übernommen aus Dankbarkeit gegenüber jenen, die das vorher gemacht hatten, und auch aus Pflichtgefühl. Als ich bei der CGN (der Schifffahrtsgesellschaft des Genfersees) angefangen habe, war ich jung und zufrieden damit, dass andere meine Interessen wahrgenommen haben. Aber in einem bestimmten Moment war es an mir, mich zu engagieren.

Wie siehst du deine Arbeit an der Seite der Gewerkschaftssekretäre? Wie grenzt du dich ab?

Das ist genau eine der Herausforderungen: die jetzigen Gewerkschaftssekretäre zu ergänzen. Sie befassen sich vor allem mit den Verhandlungen und mit der Verteidigung in Einzelfällen, während mich das Sektionsleben beschäftigen wird. Wir haben vor etwa zehn Tagen Besuche mit der Sektion AS West geplant. Ich werde in solchen Fällen dabei sein, um den Sektionspräsidenten zu unterstützen, für den Materialtransport besorgt zu sein, die Logistik zu organisieren. Ich kann mich auch um das kümmern, wofür den Gewerkschaftssekretären leider die Zeit fehlt. Ich kann Informationen von der Basis nach oben weiterleiten, Fragen an die richtige Stelle senden. Ich sortiere die Anliegen der Mitglieder, die ich treffe oder die mit einem Anliegen zu mir kommen.

Welche Charakterzüge braucht es in diesem Job?

Man sagt mir nach, dass ich für Versöhnungen sorge, den Dialog wieder in Gang bringe. Vorstandsmitglieder müssen Spass an ihrer Aufgabe haben und sie nicht nur als Frondienst sehen. Ich sehe mich als «Erleichterer». Ich gehöre nicht zu jenen, die etwas anstossen, ich höre eher zu und unterstütze. Ich liebe es, Leuten zuzuhören.

Neben deiner Funktion als Coach bist du in der Romandie auch für die Bildung verantwortlich.

Ich sehe das als Vorteil. Ich werde die Bildung in der Westschweiz koordinieren und bei der Ausbildung der Vorstandsmitglieder dabei sein. Ich werde also regelmässige Kontakte habe, was fürs Coaching sehr wichtig ist.

Für die Werbung ist Elena Obreschkow verantwortlich, doch gehört Werben wohl auch zu deinen Aufgaben?

Sicher. Wenn ich aber Werbequoten erhalten hätte, hätte ich mich nicht für den Posten beworben. Ich bin nicht «Versicherungsvertreter». Werben ist wichtig, aber auch, indem man sich um jene kümmert, die schon Mitglied sind. Es gilt auch jene zu pflegen, die sich ins Zeug legen, um die Arbeitsbedingungen zu verteidigen und verbessern.

Gute Organisationsgrade sind aber unabdingbar, um für die Mitglieder zu kämpfen. Das ist also verknüpft.

Sinkt der Organisationsgrad, riskieren wir, nicht mehr als wichtige Partner angeschaut zu werden. Ich habe das bei einer anderen Gewerkschaft erlebt, bei der nur 1 bis 3% des Personals organisiert waren: Sie hatte beim Personaldienst nicht das gleiche Ansehen wie der SEV, der stark ist und darum gehört wird. Das darf sich nicht ändern!

Sicher kennst du den SBB-Bereich noch nicht so gut. Hast du trotzdem schon eine Ahnung davon, was in den Sektionen läuft, was verbessert werden muss?

Wenn man sich das Einzugsgebiet einzelner Sektionen anschaut, geht es darum, die Nähe nicht zu verlieren. Das Lokale, der Dienstort ist wichtig. Gewisse Versammlungen sind aber schlecht besucht, wie man mir sagt. Warum? Könnten neue Versammlungsformen etwas bringen?

Was eint schlussendlich alle Mitglieder der SBB-Sektionen, über alle Berufskategorien gesehen?

Der gleiche Bezug zum Service public, zum öffentlichen Verkehr, zur Verteidigung der Arbeitsbedingungen. Ich kenne ihren Arbeitsplatz noch nicht, fühle mich aber ihren Überzeugungen sehr nahe. Und ich freue mich darauf, dass sie mich ihre Welt entdecken lassen.

Henriette Schaffter/pan.

BIO

Baptiste Morier hat eben seinen 37. Geburtstag feiern können. Er ist verheiratet, Vater zweier Kinder und lebt im freiburgischen Middes. Nach dem Gymnasium studiert er an der Universität zuerst Recht, danach Sozialwissenschaften. Während der Expo.02 verschlägt es ihn auf die Arteplage Murten, wo er als Solarbootsführer arbeitet. Die Lizentiatsprüfungen in Sozialwissenschaften legt er trotzdem ab… und die Bootsführerprüfung!

Von 2004 bis 2012 arbeitet er bei der CGN und ist auch Mitglied des Sektionsvorstands. 2013 kommt er als Gewerkschaftssekretär zum SEV, zur Unterstützung von Olivier Bar- raud, der die GAV-Verhandlungen mit der SBB führt.

Nach diesem auf zwei Jahre befristeten Mandat machte er eine viermonatige Radreise durch Europa und kehrte Anfang September zum SEV zurück, jetzt als Coach der SBB-Sektionen in der Romandie.