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Die Europäische Transportarbeiter-Föderation tagte auf den Azoren

Die Gewerkschaften brauchen (auch) Frauen und Junge

Die Europäische Transportarbeiter- Föderation ist der internationale Zusammenschluss europäischer Gewerkschaften aus dem Transportbereich. Ihr diesjähriger Kongress stand unter dem Motto «Starke Gewerkschaften für einen nachhaltigen Transport».

Der 3. ETF-Kongress sollte ganz im Zeichen des nachhaltigen Verkehrs stehen, wobei nachhaltig nicht nur ökologische, sondern auch soziale und ökonomische Aspekte beinhaltet. Eindrücklich wurde z. B. aufgezeigt, wie Verkehr effizient gestaltet werden kann und die Arbeitnehmer/innen erst noch von besseren Arbeitsbedingungen profitieren können – besonders auch Lastwagenfahrer/ innen.

Kampf gegen schlechtere Arbeitsbedingungen

Begreiflicherweise wurde der Kongress durch die aktuelle Wirtschaftskrise und neoliberale Lösungsansätze dominiert, welche immer auch einen Abbau der sozialen Rechte und des Schutzes der Arbeitnehmenden, eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Sozialdumping, Rücknahme der Ausbildungsmassnahmen sowie Rückfahren der Massnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Folge haben. Die schwierige Situation in der Verkehrsbranche aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise spiegelte sich in den zahlreichen Anträgen wider.

Politisch motivierte Urteile

Besorgt ist die ETF über kürzlich gefällte Urteile des Europäischen Gerichtshofes, welche die Wirtschaftsfreiheit vor die Grundrechte stellen, nicht juristisch, sondern politisch motiviert und arbeitnehmerfeindlich sind. So wurde beispielsweise das Streikrecht quasi abgeschafft, andererseits das Recht geschaffen, Arbeitnehmende zu den Bedingungen des Herkunftslandes anstellen zu dürfen, was vor allem in der Schifffahrt bereits Realität ist. Eine Politik, die auch für den verstärkten Rassismus und damit für das Erstarken der Rechtsparteien verantwortlich sind.

So ist es auch wenig verwunderlich, dass der europäische Sozialdialog, im Prinzip eigentlich eine Erfolgsgeschichte, die seit Ende der 90er-Jahre zu über 300 Vereinbarungen geführt hat, z. Z. oftmals eher einem Diktat der Arbeitgeber, die den Gewerkschaften ausschliesslich ihre Vorgaben aufzwingen wollen, gleicht. Dazu findet er praktisch unter Ausschluss der Frauen statt.

Problem Mitgliederverlust

Eher am Rand wurden der Mitgliederverlust, die finanzielle Situation, der immer grössere Arbeitsaufwand, die Aufnahme von Fach- und Führungskräften sowie das Fehlen der Frauen in den Gewerkschaftsgremien und im Transportsektor allgemein thematisiert.

Gleichstellung fördern

Rund fünfzig weibliche Delegierte hielten anlässlich des im Vorfeld zum ordentlichen Kongress stattfindenden Kongresses des Frauenausschusses fest, dass die Jugendund Frauenpolitik im ETF noch zu wenig gelebt wird, dass Absichtserklärungen nicht ausreichen. Sie unterstrichen ihre Forderung nach einer frauenfreundlicheren Gestaltung des Transportsektors. Eine andere Herausforderung liegt im Datenmangel und im fehlenden Profil der Frauen, die im Transportsektor arbeiten, was einer der Hauptgründe für die nur langsame Anpassung der Branche an die Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen ist. Deshalb besteht ein Projekt zur umfassenden Analyse der Lage von Frauen in der Transportwirtschaft. Die bessere Vertretung von Frauen auf gewerkschaftlicher Ebene, die Weiterbildung und Instrumente für ETF-Mitgliederorganisationen im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die Ausarbeitung von ETFLeitlinien mit dem Ziel, Gewalt am Arbeitsplatz zu verhindern, sollten in Zukunft innerhalb der ETF stärker diskutiert werden, lauten weitere Forderungen, die auch am ETF-Kongress eingebracht wurden.

Junge in die Gewerkschaft

«Gerade die Jugend braucht starke Gewerkschaften – genauso wie starke Gewerkschaften auch die Jugend brauchen – denn junge Menschen sind in Zeiten der Krise oftmals die ersten Opfer von Einsparungsmassnahmen.»

Die Österreicherin Kerstin Cap, die dies sagte, unterstrich auch die Notwendigkeit einer vernetzten europäischen Zusammenarbeit, «um eine tragfähige Basis für die nächste Generation zu schaffen. »

Die Krise bewältigen

Als grosse Herausforderung wird die Stärkung der Gewerkschaften unter den erwähnten Bedingungen gesehen. Diese müssen offensiver, kämpferischer werden, sie müssen auch die zivilen Gesellschaften sensibilisieren, Betriebsräte müssen besser in die Gewerkschaft eingebunden werden. Ohne Gewerkschaften gibt es keine soziale Demokratie, und der Weg aus der Krise kann nur mit starken Gewerkschaften bewältigt werden. Dazu braucht es weiterhin die Solidarität aller Arbeitnehmenden.

Zum Abschluss wählten die Delegierten Graham Stevenson von der englischen Gewerkschaft UNITE zum neuen Präsidenten der Europäischen Transportarbeiter- Föderation (ETF). Als Generalsekretär bestätigt wurde Eduardo Chagas aus Portugal.

Alles in allem war der Kongress ein Erfolg. Er hat auch gezeigt, dass der Personen- und Gütertransport mittelfristig weiter zunehmen wird. Es gilt nun, diesen ökologisch und sozial nachhaltig und damit arbeitnehmerfreundlich zu gestalten. Dazu wurden zahlreiche Vorschläge eingebracht, wie mit neuen Ansätzen und Ideen die Interessen der Beschäftigten künftig noch wirkungsvoller vertreten werden können.

Barbara Amsler