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Wann ist es Mobbing?

Peter arbeitet im Verkehrsbetrieb X in einem kleinen Team des Störungsmanagements. Er liebt seine Arbeit und hat ein gutes Verhältnis zu seinen Kollegen, hingegen beginnt ihn das Verhalten seines neuen Chefs zu belasten. Dieser macht immer wieder Bemerkungen, die Peter als abwertend wahrnimmt und die in einem harten, autoritären Ton ausgesprochen werden. Er wendet sich deshalb an den Berufsrechtsschutz und möchte wissen, wie er seine Rechte geltend machen kann, denn seines Erachtens ist er mit Mobbing konfrontiert. Der Arbeitgeber muss die Persönlichkeit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur achten, sondern schützen, darf selber also deren Persönlichkeit nicht angreifen. Aber auch darüber hinaus muss er vorsorglich Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit ergreifen und im Falle eines Konflikts zwischen Mitarbeitenden angemessen eingreifen. Es ist wichtig, dass der oder die betroffene Mitarbeitende dem Arbeitgeber die Vorwürfe mitteilt, damit dieser seinen Schutzauftrag erfüllen kann. Hat der Arbeitgeber Kenntnis davon, muss er eingreifen und versuchen, den Konflikt zu lösen, insbesondere mit Mitteln der Schlichtung und der Mediation.

Die Verletzung des Persönlichkeitsschutzes nach Artikel 328 OR rechtfertigt nicht zwingend die Gewährung einer Genugtuungsentschädigung. Es braucht nebst der subjektiven Wahrnehmung der/des Geschädigten, dass es sich um eine schwere Beeinträchtigung handelt, zusätzlich einen objektiven Grad an Schädigung der Persönlichkeit, damit eine Entschädigung gerechtfertigt ist. Dieser Grad ist erreicht, wenn es sich um eine Mobbingsituation handelt, was bei zwischenmenschlichen Konflikten am Arbeitsplatz jedoch oft nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber ist jedenfalls verpflichtet, bei einem Mobbingvorwurf den Sachverhalt zu klären.

Mobbing oder nicht?

Das Bundesgericht definiert psychische Belästigung oder Mobbing als «ein systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll. Das Opfer ist oft in einer Situation, wo jede Einzelhandlung unter Umständen als zulässig zu beurteilen ist, jedoch die Gesamtheit der Handlungen zu einer Destabilisierung des Opfers und bis zu dessen Entfernung vom Arbeitsplatz führen kann. Mobbing liegt aber nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitskonflikt oder eine schlechte Arbeitsatmosphäre besteht, oder bloss aus dem Grund, dass eine vorgesetzte Person nicht jederzeit und vollumfänglich ihre Pflichten gegenüber ihren Mitarbeitern wahrgenommen hat.» Zu feindseligem Verhalten gegenüber dem Opfer gehört, es daran zu hindern sich auszudrücken und einzubringen, es zu isolieren, böse Gerüchte zu verbreiten, ihm ohne Begründung oder Einbezug Aufgaben zuzuteilen oder zu entziehen oder ihm Aufgaben zu geben, die es deutlich unter- oder überfordern mit dem Ziel, es zu schwächen.

Mobbing hat auch verschiedene Formen bezüglich der beteiligten Personen. So kann eine einzelne Person eine andere belästigen, eine Gruppe kann an der Belästigung einer einzelnen Person beteiligt sein oder eine einzelne Person kann mehrere andere belästigen, wenn sie in einer ausreichend einflussreichen Position ist, um die Berufssituation der Opfer zu beeinflussen. Die Definition des Bundesgerichts betont, dass die Belästigung über längere Zeit, wiederholt und zielgerichtet sein muss; einzelne Angriffe auf die Persönlichkeit würden dazu nicht ausreichen.

Gemäss der Juristin Gabriella Wennubst, Spezialistin für psychische Belästigung und insbesondere Mobbing, führt diese Ausrichtung auf Dauer und Wiederholung jedoch dazu, dass alle Fälle nicht als Mobbing anerkannt werden, in denen der Täter innert kürzerer Zeit oder mit nur wenigen Wiederholungen sein Ziel erreicht hat, die betroffene Person auszuschliessen. Sie macht einen Vergleich mit der Grippe: Eine Person ist krank vom ersten Moment an, wo sie angesteckt ist und das Virus in ihrem Blut zirkuliert. Nach ihrer Meinung gilt wie für die Grippe, dass alle Formen der Belästigung, sei es sexueller oder psychischer Art, von der ersten Handlung an Belästigungen sind. Sie bestreitet nicht, dass psychische Belästigung sich durch die Wiederholung der Handlungen und damit durch Dauer ausdrückt, aber diese Dauer sei unterschiedlich, so auch die Dauer, bis der Täter sein Ziel erreicht hat.

Um festzustellen, ob Peter Opfer von psychischer Belästigung ist oder schlicht ein zwischenmenschlicher Konflikt besteht, müssen die Umstände ganzheitlich beurteilt werden. Besonders gilt es nach Anzeichen zu suchen, welche die Mobbing-Definition des Bundesgerichts erfüllen. Aber auch wenn die Angriffe auf die Persönlichkeit nicht den vorgegebenen Definitionen von Mobbing oder jeder anderen Art der schweren Persönlichkeitsverletzung entsprechen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle angemessenen Massnahmen zu ergreifen, um den Konflikt zu lösen.