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Wie frei ist die Anwaltswahl?

Wer entscheidet im Berufsrechtsschutz, ob es für einen Fall einen externen Anwalt braucht? Und wie wird ein Anwalt ausgewählt? SEV-Mitglieder dürfen nicht einfach tun, was sie wollen. Aber in einem Fall dürfen sie etwas mehr!

Guillaume T. hat Probleme am Arbeitsplatz und deswegen eine Abmahnung erhalten. Er will diese nicht hinnehmen, denn er fühlt sich von den Vorgesetzten schlecht behandelt. Also wendet er sich an den SEV-Berufsrechtsschutz und wird in der – erfolglosen – Verteidigung von einem Gewerkschaftssekretär vertreten. Guillaume ist zwar mit dessen Arbeit zufrieden, nicht aber mit dem Ausgang des Verfahrens, und deshalb beantragt er beim Arbeitgeber eine Mobbing-Untersuchung, denn er vermutet persönliche Gründe hinter den Vorwürfen an seine Person. Dies teilt er dem dossierführenden Gewerkschaftssekretär mit, ebenso sagt er ihm, er habe einen Anwalt eingeschaltet, da er glaubt, der Gewerkschaftssekretär sei nicht neutral, ist dieser doch per Du mit seinem Vorgesetzten. Deshalb habe der SEV die Kostengutsprache für den Anwalt zu leisten. In der ersten Runde lehnt die Leitung des Berufsrechtsschutzes die Übernahme der Kostengutsprache ab, und nach einem Rekurs an den Vorstand auch dieser, da erstens keinerlei Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Gewerkschaftssekretärs erkennbar seien (das Duzen allein reicht noch lange nicht!), aber zweitens auch, weil das Mitglied ohne vorherige Rücksprache mit dem SEV einen Anwalt beauftragt hat.

Das Reglement gilt

Das SEV-Reglement über den Berufsrechtsschutz sagt in Artikel 6, dass der SEV entscheidet, ob und in welcher Form der Berufsrechtsschutz gewährt wird. Laut Absatz 2 bezeichnet der SEV auch den Rechtsbeistand, sofern notwendig. Vorschläge des Mitglieds können im Ausnahmefall berücksichtigt werden. Der Normalfall ist aber klar: Ob es einen Anwalt braucht, entscheidet nicht das Mitglied, sondern der SEV. Und in den allermeisten Fällen sagt er auch gleich, welcher Anwalt dies ist. Denn es gibt ein Netzwerk von Vertrauensanwält/innen, die zum Teil schon seit vielen Jahren für die SEV-Mitglieder tätig sind, die das Rechtsschutzteam persönlich kennt und auch weiss, in welchen Fällen sie geeignet sind. Der Ausnahmefall, in dem ein Mitglied selber eine Anwältin oder einen Anwalt vorschlagen kann, ist beispielsweise dann gegeben, wenn es um eine ungewöhnliche Problematik im Berufsrechtsschutz geht, für die keiner der Vertrauensanwälte eine besondere Qualifikation hat – was aber äusserst selten ist, weil z.B. Erbrecht ja kein Gebiet ist, das im Berufsrechtsschutz zur Anwendung kommt. Immerhin hat der SEV in einem Fall, in dem das betroffene Mitglied bereits über den Multirechtsschutz mit einem Anwalt zu tun hatte, diesen dann auch für das Berufsproblem akzeptiert. Aber Wünsche nach vermeintlichen oder tatsächlichen Staranwälten fallen sicher nicht unter diese Ausnahmeregelung. Und: Es geht nie ohne vorherige Rücksprache!

Anwalt der ersten Stunde

Der einzige Fall, in dem der SEV ohne vorgängige Rücksprache durch das Mitglied die Kostengutsprache für irgend einen Anwalt oder eine Anwältin gibt, ist dann, wenn es zur Unzeit um Umstände geht, die strafrechtliche Konsequenzen haben können, wie z.B. ein nächtlicher Busunfall mit Personenschaden. Da die schweizerische Strafprozessordnung seit 2011 den «Anwalt der ersten Stunde» zulässt, darf das betroffene Mitglied bei der Polizei so lange schweigen, bis es sich mit einem Anwalt rücksprechen konnte. Gerade wenn dies nachts passiert, muss dann schnell jemand vor Ort sein können. Klar, dass hier die schriftliche Zuweisung eines Anwalts nicht abgewartet werden muss, sondern dass das betroffene Mitglied direkt nach einem Anwalt verlangen kann, dessen Kosten der SEV grundsätzlich übernimmt. Das Rechtsschutzgesuch kann dann anderntags noch eingereicht werden. Allerdings: Auch hier behält sich der SEV vor, das Dossier nach der ersten Einvernahme an einen Vertrauensanwalt zu übertragen, wenn sich – wie ebenfalls schon vorgekommen – der eingesetzte Anwalt vor allem durch einen sehr hohen Stundenansatz auszeichnet.

Rechtsschutzteam SEV