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Menschenrechte

Widerstand afghanischer Frauen

Der Rückfall Afghanistans in die Hände der Taliban – eingeleitet durch deren Einzug in die Hauptstadt Kabul und den Präsidentenpalast am 15. August 2021 – hat das Land in tiefe Dunkelheit versetzt. Die Bevölkerung musste zusehen, wie ihre fragile Gegenwart in sich zusammenfiel. Die Hoffnungen sind schlagartig der Verzweiflung gewichen.

Foto: Amber Clay / Pixabay

«Letzte Woche war ich noch Journalistin. Heute kann ich weder unter meinem eigenen Namen schreiben, noch sagen, wer ich bin oder wo ich mich befinde. Mein Leben ist in wenigen Tagen zerstört worden», berichtet eine Frau in der britischen Zeitung The Guardian. «Ich bin in Gefahr, weil ich eine 22-jährige Frau bin und weiss, dass die Taliban Familien dazu zwingen, ihre Töchter mit Kämpfern zu verheiraten. Und auch, weil ich Journalistin bin und die Taliban hinter mir und all meinen Kolleginnen her sein werden. Nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul kam die Welt zum Stillstand. Die zerbrechlichen Errungenschaften der letzten 20 Jahre wurden in wenigen Augenblicken weggefegt.»

Während der ersten Taliban-Regierung (1996 – 2001) wurde Frauen das Recht auf Arbeit, Studium und Mobilität verweigert. Die Schulen für Mädchen wurden geschlossen, ebenso die Universitäten. Die Frauen verloren ihre Arbeit. Kurz gesagt, es gab keinen Platz mehr für Frauen in Afghanistan. Seit 2001, nach dem Sturz der Taliban, haben die Frauen langsam und mühsam ihren Alltag, ihren Raum und ihre Rechte in allen Bereichen zurückgewonnen.

«Von Kabul bis Kandahar, von Herat bis Badachschan habe ich Frauen fotografiert, die zur Schule gehen, ihren Abschluss machen, Chirurgin und Hebamme werden, für das Parlament kandidieren und der Regierung angehören. Frauen am Steuer, während der Ausbildung zur Polizistin, zur Schauspielerin. Frauen, die als Journalistinnen, Übersetzerinnen, Moderatorinnen für internationale Organisationen arbeiteten; die die hierarchischen Regeln brachen», sagte die Reporterin und Autorin Lynsey Addario dem Magazin The Atlantic. Doch seit die Taliban im Juli begonnen haben, verschiedene Regionen und Städte zu erobern, ist die Angst gross, das alles wieder zu verlieren.

Es gibt jedoch einen Unterschied zu vor 20 Jahren: Die Frauen zeigen täglich unglaublichen Mut und fordern die Taliban so gut sie können heraus. «Ich habe keine Angst vor den Taliban. Wir werden nicht in diese dunkle Ära zurückkehren. Es ist mir egal, ob sie mich identifizieren, mich töten. Ich habe keine Angst vor ihnen. Dies ist mein Land, dies ist mein Zuhause.» In der Aussage einer auf der Strasse befragten Frau spiegelt sich die ganze Kraft der Frauen.

Die Taliban haben sich nicht verändert

Nach Ansicht der afghanischen Frauenvereinigung Rawa hat die US-Besatzung Afghanistan zu einem korrupteren, unsichereren und gefährlicheren Land gemacht. Und die Rückkehr der Taliban war völlig vorhersehbar. Aber die Frauen geben nicht auf und setzen ihren Kampf für Freiheit und Frauenrechte fort. «Die Mainstream-Medien», erklärte eine Rawa-Vertreterin im Interview mit der italienischen Zeitschrift MicroMega, «versuchen nur, Salz in die Wunden unseres geschundenen Volkes zu streuen; sie sollten sich dafür schämen, wie sie versuchen, die Brutalität der Taliban zu beschönigen. Der Taliban-Sprecher sagte, es gebe keinen Unterschied zwischen ihrer Ideologie von 1996 und der von heute. Und was sie über die Rechte der Frauen sagen, ist das gleiche wie während ihrer vorherigen, dunklen Herrschaft: Wir wenden die Scharia an. Die meisten Afghanen verstehen sehr gut, dass der Krieg in Afghanistan kein Krieg der Afghanen und zum Wohle des Landes ist, sondern ein Krieg, der von ausländischen Mächten für deren eigene Interessen geführt wird. Wir werden unsere Stimmen lauter erheben und unseren Widerstand und Kampf für die säkulare Demokratie und die Rechte der Frauen fortsetzen.»

Françoise Gehring / div. Quellen / Übersetzung: Jörg Matter
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Rawa

Die Rawa, Revolutionary Association of the Women of Afghanistan (Revolutionäre Vereinigung der afghanischen Frauen), ist eine der aktivsten und bestetablierten unabhängigen afghanischen Frauenorganisationen im sozialen Bereich. Die Rawa ist auch politisch sehr aktiv und kämpft gegen Fundamentalismus, religiösen Obskurantismus und die Verletzung der Rechte der Frauen. Sie wurde 1977 von der Aktivistin Meena Keshwar Kamal gegründet, die 1987 in Quetta, Pakistan, von afghanischen Agenten des damaligen KGB ermordet wurde. Seit ihrer Gründung betreibt und organisiert die Rawa Untergrundkrankenhäuser, mobile Kliniken, Alphabetisierungskurse für Frauen und Schulen für Mädchen und Jungen. Die Rawa hat sich zum Ziel gesetzt, die nächste Generation afghanischer Bürger zu unterstützen, die sich für den Wiederaufbau ihres vom Krieg zerstörten Landes einsetzen. Sie hat Tausende von Mitgliedern und Sympathisanten in vielen anderen Ländern.

Kommentare

  • Vincent Biétry

    Vincent Biétry 24/09/2021 12:32:46

    Le SEV découvre l'Islamisme ... cette idéologie politique dont les représentants du SEV défendent leurs signes extérieurs, comme le port du voile. J'avais fait une intervention sur le port du voile autorisé par les CFF aux guichets. Signe politico-religieux par essence. Giorgio et Barbara m'avaient taxé de pro UDC ... . Le SEV condamne l'Islamisme à l'étranger, mais le soutient en Suisse, par souci de tolérance. Incohérent comme souvent.