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«Mystery-Clients» im Regionalverkehr

Das BAV auf dem falschen Gleis

Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV hat sich heute mit einer Aktion an die Kundinnen und Kunden des Regionalverkehrs gewandt. In den Bahnhöfen von La Chaux-de-Fonds, Genf, Freiburg und Yverdon-les-Bains hat der SEV ein Faltblatt verteilt, mit dem er sich gegen so genannte Mystery-Clients im Regionalverkehr wendet. Das Bundesamt für Verkehr hat dieses Projekt im Frühling angekündigt. Es stellt eine Bedrohung für die Ver-kehrsunternehmen dar, denn schlechte Beurteilungen können zum Entzug der Konzession führen. Das Projekt passt zur Strategie des BAV, wonach die Unternehmen mit weniger Mitteln mehr Leistung erbringen sollen. Das bedeutet, dass die Reisenden mehr bezahlen müssen und dass der Druck aufs Personal steigt.

Der Bund will seinen Anteil an der Abgeltung beim Regionalen Personenverkehr reduzieren. Zwar steigt die Nachfrage im Regionalverkehr (Verkehrszunahme von 2007 bis 2015 um 4 bis 5 Prozent jährlich), aber die Beiträge des Bundes sind in der gleichen Zeit nur um durchschnittlich 2,5 Prozent gestiegen. Das reicht bei weitem nicht. Zulasten der Reisenden und des Personals spart der Bund innert vier Jahren 441 Millionen Franken. Für die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV besteht ein offenkundiger Zusammenhang zwischen der Kostenoptimierung und der Verkehrssicherheit. Diese hängt auch von den Arbeitsbedingungen ab: Diese müssen die Erholung des Personals ausreichend garantieren, zumal unregelmässige Arbeitszeiten die Regel sind. Die durch den Sparkurs des BAV angestrebten Optimierungsgewinne können offensichtlich nur durch den Druck auf die Personalkosten erzielt werden, die fast 70 Prozent der Kosten einer öV-Unternehmung ausmachen.

Das BAV begründet die Mystery-Clients mit der Vereinheitlichung der Qualitätsnormen. Der SEV erachtet sie dagegen als überflüssig, da die Unternehmen, der Verband des öffentlichen Verkehrs und die Tarifverbünde die Qualität längst prüfen. Zudem bestätigt die steigende Nachfrage ebenfalls die Qualität des Angebots. Allerdings wäre eine Qualitätsanalyse noch vertretbar, wenn es wirklich darum gehen würde. Aber die Unternehmen müssen immer mehr bieten mit weniger Geld. Die Konsequenzen für die Transportunternehmungen, die bei den Analysen unterdurchschnittlich abschneiden, sind noch nicht klar, aber das BAV weist darauf hin, dass «diejenigen, die ein ungenügendes Resultat erreichen, aufgefordert werden Verbesserungsvorschläge einzubringen. Falls sich diese erwarteten Verbesserungen nicht realisieren lassen, haben die Geldgeber die Möglichkeit, für diese Dienstleistungen ein Offertverfahren durchzuführen. Das System der Qualitätsmessung ist vorrangig als Anreiz konzipiert.» Das BAV sucht also den Wettbewerb.

Der SEV wehrt sich gegen diese Wettbewerbslogik, für die die «Mystery-Clients» ein Symptom sind. Bei europäischen Transportunternehmungen, wo Konkurrenz selbstverständlich ist und weiter zunimmt, sind die Mystery-Clients zur Regel geworden. Die Testkunden werden das BAV drei Millionen Franken pro Jahr kosten. Dieses Geld würde beim BAV besser eingesetzt, um andere Kontrollen in dessen Aufgabenbereich vorzunehmen, beispielsweise bei der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften gemäss Arbeitszeitgesetz. Hier muss der SEV regelmässig Verstösse feststellen, die zu ungenügender Ruhezeit für das fahrende Personal führen und damit ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Es ist höchste Zeit, dass die Logik des Service public wieder zur Geltung kommt. Verschiedene Abstimmungen, zuletzt jene vom 5. Juni, haben gezeigt, wie eng das Schweizer Volk dem Service public verbunden ist. Statt zu sagen, «macht es besser mit weniger» sollte der Bund besser auf die Benützerinnen und Benützer hören.