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Die Gewerkschaften haben Zutritts- und Informationsrechte

Eine Provokation für so manchen Arbeitgeber: Eines Tages hängen Plakate und Informationsschreiben mit gewerkschaftlichen Logos in den Aushängen der Pausenräume. Am Arbeitsort erhalten Mitarbeiter Umfragen, werden direkt für die Mitgliedschaft angeworben oder für gewerkschaftliche Aktionen eingespannt.

Die Reaktionen der Arbeitgeber reichen von argwöhnischer Distanz bis hin zu Anordnungen von diversen Einschränkungen – oder gar zu Verboten. Mit dieser Haltung verkennen solche Arbeitgeber die eigentliche Rolle der Gewerkschaften. Als Lohnabhängiger ist der einzelne Mitarbeiter seinem Arbeitgeber strukturell unterlegen. In der Gewerkschaft können jedoch die Kräfte der Arbeitnehmenden gebündelt werden, um sozial gewünschte und gebilligte Zustände im Arbeitsleben zu schaffen – und zwar ohne dass der soziale Frieden dabei gefährdet wird.

Ohne Zugang zu Arbeitsplätzen können Gewerkschaften ihren Job nicht machen

Vom Gesetz her haben Gewerkschaften Ordnungs- und Kontrollrechte in wesentlichen Bereichen des Arbeitslebens, die den Arbeitnehmendenschutz betreffen, namentlich hinsichtlich Lohn, Rente, Gesundheit, Sicherheit, etc. Daraus ergeben sich diverse Klage- und Mitwirkungsrechte, die den Gewerkschaften zur Verfügung stehen, um die Einhaltung von Schutzvorschriften aus Gesetz und Gesamtarbeitsvertrag zu gewährleisten. Das jedoch bedingt, dass die Gewerkschaften ihre Abklärungen dort machen können, wo das Arbeitsleben stattfindet: und zwar am Arbeitsplatz. Arbeitgeber, die das einschränken, verhindern den Vollzug von Gesetz und Gesamtarbeitsvertrag.

Arbeitgeber müssen die gewerkschaftliche Tätigkeit in den Betriebsräumlichkeiten und am Arbeitsplatz ihrer Mitarbeiter aushalten. Da in Zeiten der Digitalisierung der Arbeitsplatz zunehmend in den virtuellen Bereich rückt, macht es nur Sinn, dass man den Gewerkschaften den Zugang zur elektronischen Kommunikation, wie z.B. dem Betriebsintranet, gewähren sollte. Momentan ist das noch ein offenes Thema, wird aber mit zunehmender Digitalisierung noch zu reden geben.

Der Staat hat sich bei alledem neutral zu verhalten, weil die gewerkschaftliche Tätigkeit unter die Koalitionsfreiheit fällt. Und das ist ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht. Oder wie das Bundesgericht in seinem jüngsten Entscheid vom 6. September 2017 feststellt: Der Staat muss die Gewerkschaften in die Lage versetzen, dass sie ihre Aktivitäten tatsächlich frei gestalten können. Dies auch im Einklang mit völkerrechtlichen Vereinbarungen, zu denen die Schweiz sich verpflichtet hat.

Sowohl Gewerkschaftssekretär/innen als auch Gewerkschaftsmitglieder sollten einfach schauen, dass ihr Engagement am Arbeitsort nicht wichtige Betriebsabläufe stört. Ob Letzteres vorliegt ist im Einzelfall zu prüfen und vom Arbeitgeber zu beweisen.

Zum Schluss ein Appell an die provozierten Arbeitgeber zu mehr Einsicht und Verständnis in dieser Sache. Unter dem Banner der langgelebten Sozialpartnerschaft können auch hier einvernehmliche, tragfähige und zeitgemässe Lösungen gefunden und umgesetzt werden.

Rechtsschutzteam SEV