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AHV: Wenn eine Lücke bleibt

In einem aktuellen Entscheid hat das Bundesgericht einen Fall zur Schliessung einer Beitragslücke der AHV untersucht.

Anatole war von 2005 bis 2012 ordentlicher Student einer Universität. Im Dezember 2017 teilt er seiner AHV-Ausgleichskasse mit, dass er im Jahr 2017 keine Einnahmen erzielt habe. Und er bittet gleichzeitig darum, ihm zu bestätigen, dass es in den Vorjahren keine Beitragslücken gegeben habe. Die Kasse schickt ihm daraufhin einen Auszug aus seinem individuellen Konto zu. Anatole stellt fest, dass die Beiträge zwischen 2005 und 2011 bezahlt wurden, ebenso von 2013 bis 2016. Aber nicht im Jahr 2012. Die Kasse teilt ihm mit, dass es ihm angesichts der «fünfjährigen Verjährungsfrist» nicht möglich sei, die Beiträge jenes Jahres nachzuzahlen. Gemäss der Kasse ist die in Art. 16 Abs. 1 AHVG vorgesehene Fünfjahresfrist eine Verfallsfrist. Die Frist zur Begleichung des Beitrags für 2012 sei am 31. Dezember 2017 abgelaufen.

Anatole legt gegen den Entscheid der Kasse Rekurs ein. Das Kantonsgericht weist diesen aber ab. Anatole bittet deshalb das Bundesgericht, sein Recht zu bestätigen, die Beiträge an die AHV/IV/EO fürs Jahr 2012 nachzuzahlen.

Das Bundesgericht erinnert zunächst daran, dass Personen ohne Erwerbstätigkeit ab dem 1. Januar nach ihrem 20. Geburtstag beitragspflichtig sind. Und dass Beiträge, deren Höhe nicht innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig gewesen sind, festgelegt worden sind, nicht mehr eingefordert oder entrichtet werden können.

Anatole bittet darum, die Lücke bei den Beiträgen für 2012 schliessen zu können. Sein Hauptargument ist, dass es sich bei der gesetzlichen Frist um eine Verjährungsfrist handle, die er durch sein Schreiben vom 28. Dezember 2017 unterbrochen habe.

Das Bundesgericht weist darauf hin, dass die Verfallsfrist weder ausgesetzt noch unterbrochen werden kann. Entweder wird die Frist durch eine Entscheidung über die Höhe der Beiträge innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres gesichert oder sie wird nicht eingehalten. In letzterem Fall können keine Beiträge mehr eingefordert oder entrichtet werden.

Das Argument von Anatole bezüglich der Unterbrechung der Frist durch sein Schreiben vom 28. Dezember 2017 ist aus Sicht des Bundesgerichts nicht relevant. Selbst wenn er sich auf seinen guten Glauben beruft und argumentiert, dass die Ausgleichskasse zum Zeitpunkt des Eingangs seines Schreibens «durchaus in der Lage gewesen wäre, die Höhe der für 2012 fälligen Beiträge vor Ablauf der Fünfjahresfrist festzulegen, wenn sie willens gewesen wäre».

Das Bundesgericht hält fest, dass Anatoles Brief vom 28. Dezember 2017 am folgenden Tag – Freitag, den 29. Dezember 2017 – bei der Ausgleichskasse eingegangen ist. Da der 31. Dezember 2017 mit einem Sonntag zusammenfiel, hätte die Kasse zur Einhaltung der Verfallsfrist spätestens am Freitag, den 29. Dezember 2017, also am Tag des Briefeingangs eine Entscheidung treffen müssen. Aus Sicht des Grundsatzes von Treu und Glauben kann man von der Verwaltung nicht verlangen, dass sie schon am Tag eines Briefeingangs eine Entscheidung trifft, sondern sie muss dies in einer angemessenen Frist tun. Ein einziger Arbeitstag ist dies sicher nicht.

Anatole argumentierte auch, dass die Kasse ihn damals nicht über die Beitragsentscheidung für 2012 benachrichtigt habe. Leider sieht die Rechtsprechung aber nicht vor, dass eine Beitragslücke geschlossen werden kann, auch dann nicht, wenn sie auf einen Fehler oder Irrtum der Verwaltung zurückzuführen ist – vorbehaltlich des Rechts auf Schutz von Treu und Glauben. Dieses sei hier jedoch nicht verletzt worden, urteilt das Bundesgericht. Es weist daher Anatoles Beschwerde ab, und die Prozesskosten gehen auch zu seinen Lasten.