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Schmerzhafte Revision einer Unfallrente

Das Versicherungsrecht ist ein schwieriges Gebiet. Es geht um grosse Geldbeträge, aber sehr oft geht es auch um harte persönliche Schicksale.

Vor dreissig Jahren wurde Albert Opfer eines Verkehrsunfalls. Da er an Traumen im Kopf und an den Halswirbeln litt, konnte er die Erwerbstätigkeit nicht wieder aufnehmen.

Nach einigen Jahren stellte eine von der Krankenkasse in Auftrag gegebene Expertise bei Albert schwere psychische Probleme fest, ausserdem schmerzhafte somatische Beschwerden. Albert erhält als Folge des Unfalls eine Drittelrente zugesprochen. Fünfzehn Jahre später nimmt die Krankenkasse eine neue interdisziplinäre Bestandesaufnahme als Begründung, die Rentenberechtigung zu verneinen. Laut den Experten leidet Albert an keinen die Berufstätigkeit verhindernden Beschwerden mehr, die mit dem Unfall in Verbindung stehen.

Der Rekurs von Albert gegen diesen Entscheid wird zuerst vom kantonalen Gericht geschützt, doch die Krankenkasse zieht den Fall ans Bundesgericht weiter. Das Bundesgericht hat in solchen Fällen grosse Freiheiten bei der Beweiswürdigung.

Laut Gesetz kann eine gewährte Invalidenrente, wenn der Invaliditätsgrad eine merkbare Änderung erfährt, erhöht, gesenkt oder auch ganz abgesprochen werden. Alle wichtigen Veränderungen der Umstände, die den Grad der Invalidität beeinflussen, können Anlass einer Revision sein. Andererseits rechtfertigt die blosse Veränderung der Einschätzung eines Zustands, der sich nicht verändert hat, keine Revision. Folglich müssen die Tatsachen verglichen werden. Das kantonale Gericht befand, Alberts psychischer und körperlicher Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert. Eine Arbeitsfähigkeit bestehe praktisch nicht. Deshalb bestehe auch kein Anlass, den Rentenanspruch zu revidieren.

Die erste Expertise, die als Grundlage für die Gewährung der Rente gedient hatte, war davon ausgegangen, dass bloss ein Teil der gesundheitlichen Probleme eine Folge des Unfalls war. Die anderen Probleme gründeten in psychischen Beschwerden, die mit dem Unfall nichts zu tun hatten.

Die erwähnte interdisziplinäre Expertise, die fünfzehn Jahre später durchgeführt wurde, kommt zum Schluss, dass das Fortbestehen der Kopfschmerzen nicht mehr als Folge des Unfalls zu erklären sei, sondern mit der seitherigen Entwicklung, wenn man das Alter und die degenerativen Verletzungen durch den Unfall in Betracht ziehe.

Das Bundesgericht befand, die aktuelle Expertise lasse keinen Zweifel daran, dass die Kopfbeschwerden immer noch bestehen. Sie könnten aber, wenn man die seither verflossene Zeit berücksichtige, nicht mehr als Unfallfolgen gelten. Es handle sich um eine wesentliche Veränderung der bestimmenden Fakten im Vergleich mit dem Zeitpunkt, in dem die Rente zugesprochen worden war. Deshalb bestehe auch ein Grund zur Revision der Invalidenrente. Aufgrund des Umstands, dass der versicherte Unfall keine Rolle mehr spiele, habe die Krankenkasse das Recht, Alberts Rente zu stoppen. Deshalb schützte das Gericht den Rekurs, und Albert musste zu allem Übel auch noch für die Gerichtskosten aufkommen.

Rechtsschutzteam SEV