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Sozialversicherungen: Das ist neu im neuen Jahr

Neben der Einführung des Adoptionsurlaubs und dem Wegfall des Solidaritätsprozents in der Arbeitslosenversicherung gibt es dieses Jahr weitere wichtige Änderungen bei den Sozialversicherungen. Auch 2023 treten wieder zahlreiche neue Regelungen in Kraft. Dieser Artikel bietet eine Übersicht über die wichtigsten Änderungen, Basis ist der Informationsstand Mitte November 2022.

© keystone / dominic steinmann

Erwerbstätige Adoptiveltern haben ab dem 1. Januar 2023 Anspruch auf einen Adoptionsurlaub von zwei Wochen, finanziert über den Erwerbsersatz (EO). Das Kind darf zum Zeitpunkt der Aufnahme bei den Adoptiveltern noch nicht vier Jahre alt sein.

Der Urlaub muss innert 12 Monaten nach der Aufnahme des Kindes bezogen werden, entweder zweiWochen zusammenhängend oder in zehn Einzeltagen. Beim zusammenhängenden Bezug gibt es siebenTagesentschädigungen pro Woche, bei einzelnem Bezug pro fünf freien Tagen zwei zusätzliche Tagesentschädigungen.

Die Entschädigung beträgt 80 % des Durchschnittseinkommens vor der Aufnahme des Kindes, aber höchstens 220 Franken pro Tag. Dieser Höchstbetrag wird bei einem Monatseinkommen von 8250 Franken erreicht.

Nur erwerbstätige Adoptiveltern haben Anspruch auf den Urlaub. Direkt bevor das Kind in die Hausgemeinschaft aufgenommen wird, müssen sie mindestens neun Monate lang in der AHV versichert gewesen sein, in dieser Zeit mindestens fünf Monate eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben und zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes erwerbstätig sein. Wenn nur ein Elternteil diese Voraussetzungen erfüllt, hat nur dieser Anspruch auf den Urlaub. Erfüllen beide die Voraussetzungen, können sie frei wählen, wer ihn bezieht, und diesen auch aufteilen, aber nicht gleichzeitig frei nehmen. Kein Anspruch besteht bei der Stiefkindadoption, also wenn jemand das Kind des Partners adoptiert.

Mit dieser neuen Leistung wird die Funktion der EO in der Sozial- und Familienpolitik weiter gestärkt. In den gut 15 Jahren seit der Einführung des bezahlten Mutterschaftsurlaubs von 14 Wochen Dauer im Jahr 2005 sind drei weitere Leistungen für Eltern hinzugekommen: 2021 der Vaterschaftsurlaub (inzwischen ausgeweitet auf den zweiten gesetzlich anerkannten Elternteil), der Betreuungsurlaub für die Eltern von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern (seit 1. Juli 2021) und nun der Adoptionsurlaub.

Der neue Urlaub dürfte jährlich einige hunderttausend Franken kosten. Die Zahl der Adoptionen geht in der Schweiz seit Jahrzehnten zurück. 2021 wurden gemäss Bundesamt für Statistik schweizweit 48 Kinder unter vier Jahren adoptiert.

Weiter werden bei der EO 2023 mehrere Mindest- und Maximalbeträge erhöht. Die Grundentschädigung für erwerbstätige Personen, die Militär- oder Zivildienst sowie Zivilschutz leisten, liegt neu bei mindestens 69 und höchstens 220 Franken pro Tag. Für Rekruten und erwerbslose Personen steigt die Entschädigung auf 69 Franken täglich. Die Maximalbeträge bei Mutterschaft, Vaterschaft und Betreuung steigen ebenfalls, nämlich von 196 auf 220 Franken pro Tag; hier gibt es keine Minimalbeträge.

Arbeitslosigkeit: Ende des Solidaritätsbeitrags

Das sogenannte Solidaritätsprozent in der Arbeitslosenversicherung (ALV) fällt seit dem 1. Januar 2023 weg. Dieses wurde seit 2011 auf den Lohnteilen über 148 200 Franken erhoben, um die Schulden der ALV abzutragen. Rund 400 Millionen Franken wurden so jährlich zusätzlich in die Versicherung einbezahlt.

Der Beitrag an die ALV beträgt 2,2 % bis zu einem Jahreseinkommen von 148 200 Franken. Auf dem darüberliegenden Lohnteil erfolgt nun kein Abzug mehr. Für Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger übernimmt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags (1,1 %).

Wegen der Corona-Krise hat die Arbeitslosenversicherung 2021 einen Verlust von 186 Millionen Franken gemacht. Ihr Fonds ist jedoch schuldenfrei geblieben, da der Bund die Kurzarbeitsentschädigungen bei den Pandemiemassnahmen übernommen hat.

AHV- und IV-Renten: Erhöhung und weitere Änderungen

Bezügerinnen und Bezüger von AHV- und IV-Renten erhalten 2023 zwischen 30 und 60 Franken mehr pro Monat, wenn sie die volle Beitragsdauer erfüllt haben. Angesichts der Teuerung von gegen 3 % und Lohnerhöhungen von rund 2 % hat der Bundesrat entschieden, die Renten der 1. Säule um 2,5 % zu erhöhen. Eine volle Minimalrente steigt damit auf 1225 Franken im Monat; die Maximalrente auf 2450 Franken. Das Maximum der Ehepaarrente steigt von 3585 auf 3675 Franken.

Als Besonderheit kommt im Verlauf des Jahres 2023 ein Zuschlag zu dieser Erhöhung hinzu, die der normalen zweijährlichen Anpassung aufgrund des Mischindexes entspricht. Mehrere Vorstösse im Parlament haben für AHV- und IV-Renten wie auch Ergänzungs- (EL) und Überbrückungsleistungen (ÜL) den vollen Teuerungsausgleich gefordert.

Die dazu nötigen Anpassungen im Gesetz sollen in der Frühlingssession dringlich beschlossen werden; die Zahlungen werden anschliessend rückwirkend auf 1. Januar 2023 erfolgen. Das bedeutet, dass die Rentenbezügerinnen und -bezüger leicht mehr erhalten werden als oben aufgeführt.

Neben den Leistungen steigt auch der Minimalbeitrag an AHV/IV/EO für Selbständige und Erwerbslose von 503 auf 514 Franken im Jahr.

Hinterlassenenrente

Im Herbst 2022 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Schweiz verurteilt, dies aufgrund der Klage eines Witwers, dessen Rente aufgehoben wurde, als sein jüngstes Kind volljährig wurde. Der EGMR hat festgestellt, dass der Witwer im Vergleich zu den Witwen diskriminiert wurde, da diese in der gleichen Situation lebenslang Anrecht auf eine Rente haben. Seit Oktober 2022 gilt eine Übergangsregelung, die neue Witwer mit Kind den Witwen mit Kind gleichstellt. Es braucht eine Anpassung des Gesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG), um die festgestellte Diskriminierung zu beseitigen. In diesem Zusammenhang soll ein Bericht darlegen, ob das gesamte Sozialversicherungssystem unabhängig von Zivilstand, Geschlecht und Lebensform neu geregelt werden soll.

Höhere Ergänzungs- und Überbrückungsleistungen

Auch die Ergänzungsleistungen und die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose werden um 2,5 % angehoben. Der Betrag für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs steigt für Alleinstehende auf 20 100 Franken, was einer Erhöhung um rund 40 Franken monatlich entspricht. Für Paare steigt der Betrag auf 30 150 Franken, rund 60 Franken mehr im Monat.

Die Höchstbeträge der EL für Mietzinsen steigen um 7,1 %. Diese Anpassung trägt auch den gestiegenen Energiepreisen Rechnung.

Neue Limiten in der 2. und 3. Säule

Die Erhöhung der AHV-Renten hat auch Auswirkungen auf die2. Säule. Der Koordinationsabzug in der obligatorischen beruflichen Vorsorge wird auf 25 725 Franken erhöht, die Eintrittsschwelle steigt auf 22 050 Franken. Der maximal erlaubte Steuerabzug im Rahmen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) beträgt neu 7056 Franken für Personen, die eine 2. Säule haben, 35 280 Franken für Personen ohne2. Säule.

Anstieg der Kranken-kassenprämien

Nach vier einigermassen ruhigen Jahren steigen 2023 die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung in allen Kantonen und Altersgruppen. Die durchschnittliche Prämie liegt neu bei 335 Franken und ist damit 6,6 % höher als 2022. Die Durchschnittsprämie der Erwachsenen (397 Franken) und der jungen Erwachsenen (280 Franken) steigen um 6,6 % bzw. 6,3 %; jene für Kinder um 5,5 % auf 105 Franken.

Grund für den starken Anstieg ist in erster Linie die Corona-Pandemie, die nicht nur direkte Kosten (Behandlungen und Impfungen), sondern indirekt auch einen Nachholbedarf verursacht hat. Wegen der Pandemie wurden beispielsweise zahlreiche medizinische Eingriffe aufgeschoben, was zu einem starken Anstieg seit dem zweiten Halbjahr 2021 geführt hat.

Unfallversicherung: Teuerungsausgleich

Wer aus der obligatorischen Unfallversicherung eine Invaliden- oder Hinterlassenenrente bezieht, erhält auf den 1. Januar 2023 einen Teuerungsausgleich. Dieser beträgt mindestens 2,8 % der Rente, abhängig vom Unfalljahr.

Die Prämien der obligatorischen Unfallversicherung werden grundsätzlich im Voraus für ein ganzes Jahr bezahlt. Die entsprechende Verordnung sieht aber auch gegen einen Zuschlag die Möglichkeit einer viertel- oder halbjährlichen Zahlung vor. Um die Arbeitgeber zu entlasten und unter Berücksichtigung der tiefen Zinsen in der Schweiz hat der Bundesrat diese Zuschläge auf den 1. Januar 2023 gesenkt. Für die halbjährige Zahlung sinkt der Zuschlag auf 0,25 % der Jahresprämie, für die vierteljährliche Zahlung auf 0,375 %.

Covid-19: Ende derMassnahmen

Rückwirkend auf den 17. März 2020 wurde die Verordnung über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19) in Kraft gesetzt. Auf den 1. Januar 2023 wurde diese nun wieder aufgehoben. Im Verlauf der drei Jahre wurde der Erlass mehrmals geändert und verlängert, um der Entwicklung der Pandemie und ihrer Auswirkungen auf die Wirtschaft Rechnung zu tragen. Diese Aufhebung bedeutet das Ende der Corona-EO.

SEV-Rechtsschutzteam,
Übersetzung: Peter Moor
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