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Cleantagung RPV Zürich

Erfahrung ist oft besser als App

Der Erfahrungsaustausch zum Projekt «Cleaning 4.0» stand im Vordergrund der Cleantagung des RPV Zürich am 14. Januar. Die Reinigungsmitarbeitenden führten angeregte Diskussionen mit dem zuständigen SBB-Projektleiter. Ausserdem informierte der SEV über die Anwendung des Arbeitszeitgesetzes im Cleaning-Bereich.

Die TCA ist ein wichtiges Hilfsmittel im Arbeitsalltag, ersetzt aber nicht Erfahrung und gesunden Menschenverstand bei der Reinigungsarbeit.

Daniel Purtschert begrüsst in der Rheinfelder Bierhalle im Zürcher Niederdorf eine kleine engagierte Gruppe von Reinigungsmitarbeitenden der SBB. Nachdem der SEV die Cleantagung vor einem Jahr wegen Corona kurzfristig abgesagt hat, sind die Anwesenden an diesem Samstagnachmittag sichtlich erfreut, dass man sich wieder sehen und austauschen kann. Kein Wunder führen die beiden Referate der beiden Gastredner sofort zu angeregten Diskussionen.

Als erster Referent tritt Simon Hofstetter auf, Projektleiter «Cleaning 4.0» bei der SBB. Im Herbst 2020 führte die SBB die sogenannte «bedarfsorientierte Reinigung» ein (siehe auch SEV-Zeitung 9/20). Das bedeutet, dass man versucht, in einem zunehmend komplexen Betrieb die Reinigung von Zügen so zu organisieren, dass immer das Nötigste als Erstes erledigt wird. Reicht die Zeit nicht, alles zu reinigen, hilft eine App auf dem Smartphone Prioritäten zu setzen. Diese App heisst TCA und zeigt in einem Ampelsystem, was bereits sauber ist oder wo noch geputzt werden muss. Sind zum Beispiel die Abfalleimer noch nicht völlig geleert zum Zeitpunkt, in dem der Zug weiterfahren muss, sieht das die Equipe beim nächsten Standort und kann die Arbeit fortsetzen. «Die TCA ist ein wunderbares Hilfsmittel, aber kein Wundermittel», erklärt Simon Hofstetter. «Eure Erfahrung oder Rückmeldungen von Kundinnen und Kunden sind ebenso wichtig.» Die App wird zwar in erster Linie von Menschen mit Informationen gefüttert, nimmt aber auch Berechnungen aufgrund statistischer Werte vor. Und diese automatischen Berechnungen entsprechen nicht immer hundertprozentig der Realität. Simon Hofstetter zeigt sich offen und begrüsst es, wenn Mitarbeitende sich einbringen und Verbesserungsvorschläge machen. Einige Verbesserungen der App sind seit der Einführung vor gut zwei Jahren dank Vorschlägen des Reinigungspersonals vorgenommen worden. Das Ziel der SBB ist, dass möglichst viel, was vom Reinigungspersonal digital erledigt werden muss, via TCA geschieht.

Angeregte Diskussionen mit SBB-Projektleiter Simon Hofstetter.

«Oft haben wir zu wenig Zeit, um unsere Arbeit zu erledigen – und da hilft uns die App nicht unbedingt», sagt ein Teilnehmer der Cleantagung. «Da müsst ihr euch an eure Teamleitung wenden», sagt Simon Hofstetter und fügt an: «Manchmal kann man auch ein paar Flecke einfach stehen lassen und stattdessen zuerst mal die Sitze reinigen. Eure Erfahrung und der gesunde Menschenverstand zählen manchmal mehr als das, was die App vorgibt.» Ein anderer Teilnehmer fragt, ob die SBB anhand der App herausfinden kann, ob jemand gut arbeitet oder nicht. «Nein, wir wollen kein Wettbewerbssystem, bei dem wir schauen können, wer besser arbeitet und wer nicht, obwohl das technisch möglich wäre», beschwichtigt Simon Hofstetter von der SBB.

Im zweiten Teil der Tagung gibt SEV-Gewerkschaftssekretär René Zürcher Auskunft zum Arbeitszeitgesetz (AZG), das in der Regel auch die Cleaning-Angestellten betrifft. «Hier könnten auch eure Chefs, die Einteiler, was lernen», kündigt Daniel Purtschert den Gastredner an. Man merkt sofort, die tägliche Anwendung des AZG betrifft fast jeden im Raum. Kurz nachdem René Zürcher seine Ausführungen beginnt, wird er mit Fragen zu konkreten Fällen gelöchert und gibt bereitwillig Auskunft. Ihm ist es sehr wichtig, dass möglichst jede und jeder weiss, was das AZG beinhaltet. Das AZG soll für Sicherheit, Gesundheitsschutz und gute Lebensqualität sorgen, sagt René Zürcher: «Verstösse dagegen können tödlich enden. Wenn euch der Chef zwingt, etwas zu tun, das gegen das AZG verstösst, verlangt einen schriftlichen Befehl. In den meisten Fällen wird er euch den Befehl dann nicht erteilen.»

Am Schluss beschliessen die Teilnehmenden, dass es auch nächstes Jahr wieder eine Cleantagung geben soll – allerdings nicht als eine Veranstaltung des RPV Zürich, sondern als gesamtschweizerische Veranstaltung am 13. Januar 2024.

Michael Spahr
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