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VPT Bahndienstleistungen: «In Sommerkleidern auf den Mount Everest»

Nach zehn Jahren Präsidentschaft hat Eleonora «Ely» Wüthrich das Zepter an Sirpa «Sirpukka» Juvonen übergeben, da sie pensioniert wird. Sirpa ist seit dem 19. Oktober neue Präsidentin der VPT-Sektion Bahndienstleistungen. Sie ist – wie Ely – angestellt bei der SBB-Tochterunternehmung Elvetino und arbeitet als Oberstewardess am Standort Genf. Ein Gespräch mit den beiden engagierten SEV-Frauen.

Sirpa Juvonen (links) übernimmt das Präsidentinnenamt von Ely Wüthrich.

Ely, wie schaust du auf deine zehn Jahre Präsidentschaft zurück?

Ely: Es hat sich viel verändert. Am Anfang brachte mich die gewerkschaftliche Arbeit an meine psychische Grenze, da ich vom scheidenden Präsidenten keine Unterstützung erhielt. Doch dann packte ich die Herausforderung. Ich bin stolz, dass wir 2017 einen relativ guten GAV verhandeln konnten, der unter anderem einen fixen Teuerungsausgleich mit sich brachte. Auch das Management hat sich gewandelt. Am Anfang mussten wir mit Managern verhandeln, die unsere Arbeit in den Speisewagen kaum kannten. 2018 wurde Daniela Corboz neue Chefin. Sie kommt aus der Gastrobranche und kennt unsere Bedürfnisse sehr gut. Mit ihr wurde einiges einfacher. Das könnte sich aber leider wieder ändern, weil es jetzt wieder Personen im Management gibt, für die Profite mehr zählen als das Wohlbefinden des Personals. Ich befürchte, dass wieder ein Klima der Angst kommen könnte – ein Klima, das wir bereits unter dem alten Management hatten.

Sirpa, du übernimmst das Präsidium in einer schwierigen Zeit. Ihr müsst bis Ende nächstes Jahr einen neuen GAV aushandeln. Ausserdem seid ihr jetzt mitten in Lohnverhandlungen, die wegen der grossen Teuerung sehr schwierig sind. Hast du keine Angst vor der neuen Herausforderung?

Sirpa: Nein, ich bin mit der gewerkschaftlichen Arbeit gross geworden. Meine Mutter in Finnland, wo ich ursprünglich herkomme, war die Gewerkschaftschefin einer 600-köpfigen Gewerkschaft. Ich weiss also, was diese Arbeit bedeutet. Ausserdem kenne ich Elvetino sehr gut, weil ich dort seit neun Jahren arbeite. Ich kämpfe gerne und liebe es, mich für meine Kolleginnen und Kollegen einzusetzen. Aber mir ist auch bewusst, dass ich in sehr grosse Fussstapfen treten werde, wenn ich das Amt jetzt von Ely übernehme.

Obwohl Elvetino eine hundertprozentige Tochter der SBB ist, hat die Gastrounternehmung einen eigenen GAV, der weitaus weniger umfassend ist als der GAV SBB. Er enthält beispielsweise keine FVP, also keine fix geregelten Fahrvergünstigungen für das Personal, d. h. im Moment beträgt die ausgehandelte Fahrvergünstigung nur 30 %. Was bedeutet das konkret für die Verhandlungen?

Ely: Wenn du die beiden GAV nebeneinanderlegst, merkst du: Der SBB-GAV ist etwa doppelt so dick wie der Elvetino-GAV. Es ist also klar für uns, dass wir dafür kämpfen werden, dass der neue Elvetino-GAV dicker wird. Die Arbeitsbedingungen müssen sich dringend verbessern, insbesondere auch die Löhne. Bei den aktuellen Löhnen findest du kein Personal mehr. Das Management klagt zwar über den Fachkräftemangel, aber zuweilen hat man das Gefühl, sie tun alles, um das bestehende Personal zusätzlich zu vergraulen. Das sehen wir zum Beispiel bei den Dienstplänen, wo es immer wieder zu Verstössen gegen das Arbeitszeitgesetz kommt.

Sirpa: Es ist ein bisschen, wie wenn du in Sommerkleidern auf den Mount Everest kletterst und dir dauernd ein heftiger Wind entgegenbläst. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es trotzdem irgendwie schaffen werden, diesen Berg zu erklimmen. Ich bin vielleicht etwas diplomatischer als Ely, aber nicht minder kämpferisch. Ich bin bereit, in den Himalaya zu gehen – und ich bin froh, dass mir Ely in den nächsten Wochen noch zur Seite stehen wird. Ausserdem haben wir ein sehr tolles Team im Vorstand unserer Sektion.

Ely, du gehst verdientermassen in den Ruhestand – oder wird es eher ein Unruhestand?

Ely: Ich werde weiterhin unterwegs sein, nicht mehr wie bisher mit dem Speisewagen von Romanshorn nach Brig und zurück, sondern mit einem Camper auf der ganzen Welt.

Michael Spahr
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