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Auf den Spuren von ...

Mijo Maric, Oberkellner

Dort, wo andere Ferien machen, arbeitet Mijo Maric. Er ist Oberkellner bei der Bahngastronomie der Rhätischen Bahn und bedient zum Beispiel die Gäste im Glacier Express. Seit vielen Jahren engagiert er sich für den SEV und sitzt im Vorstand der VPT-Sektion Bahndienstleistungen.

Es ist hektisch am Bahnhof Chur auf Gleis 13. Grosse Reisegruppen besteigen den Glacier Express, den legendären Panorama-Zug, der zwischen St. Moritz und Zermatt pendelt. Dazwischen steht Mijo Maric und erklärt den Touristinnen und Touristen, wo sie ihren Wagen finden. Dann klettert er in den Wagen der Bahngastronomie, wo er und seine Kolleginnen und Kollegen mit Hochdruck daran arbeiten, alles für den Komfort der Gäste vorzubereiten. Gerade hat sich noch eine Gruppe von Pensionierten angemeldet, die nur bis Andermatt fahren und somit in relativ kurzer Zeit mit einem Drei-Gänger verköstigt werden müssen. Mijo Maric muss dafür sorgen, dass das klappt.

Geboren wurde Mijo Maric in Slavonski Brod an der kroatisch-bosnischen Grenze, damals noch Teil von Jugoslawien. In einem internationalen Restaurant in der kroatischen Hauptstadt Zagreb machte er die Lehre zum Kellner. Ein Hotelgast erzählte ihm, dass in Graubünden viele Leute in der Gastronomie gebraucht würden. Also beschloss er es zu wagen, kam in die Schweiz und wurde fündig: «Ich landete per Zufall im Bahnhofbuffet in Chur. Dort arbeitete ich dann für zwanzig Jahre.» Seine beiden inzwischen erwachsenen Söhne wuchsen in Chur auf. Als die SBB aufhörte, das Bahnhofbuffet zu betreiben, suchte er sich einen neuen Job. Nun arbeitet er seit 14 Jahren bei der Bahngastronomie der Rhätischen Bahn. Etwa einmal pro Woche fährt er auf dem Glacier Express durch die Alpenwelt Graubündens, Uris und des Wallis.

Unterwegs mit Mr. Bean

Steil geht es bergauf auf dem Weg von Chur Richtung Andermatt. Fast 1500 Höhenmeter bewältigt der Panorama-Express, der gemeinsam von der RhB und der Matterhorn-Gotthard-Bahn betrieben wird. Menschen aus aller Welt sind auf dem Zug. Sie sprechen chinesisch, englisch, japanisch, französisch oder schweizerdeutsch. Mijo Maric versucht sich in allen möglichen Sprachen mit den Gästen zu unterhalten: «Wenn ich ein paar Worte auf Japanisch sage, fühlen sich die Gäste aus dem fernen Osten sofort wohl. Einmal waren ein japanischer Minister und seine Bodyguards an Bord. Er hatte grosse Freude, als ich ihn auf Japanisch bediente. Jetzt lerne ich noch Chinesisch an der Migros-Klubschule.»

Zu den Gästen gehörten auch schon andere Prominente. «Mr. Bean ist sehr nett, aber eigentlich gar nicht so lustig wie in seinen Filmen», erzählt Mijo Maric lachend über seine Begegnung mit dem britischen Schauspieler und Komiker Rowan Atkinson.

Neben dem Glacier Express arbeitet Mijo Maric als Oberkellner auch in anderen Zügen der RhB mit Gastroangebot, beispielsweise auf dem Gourmino, dem historischen Speisewagen auf der Albulalinie. Der Gastrobereich in der Bahn erlebt immer wieder Umbrüche. Deshalb ist es wichtig, dass sich das Personal gewerkschaftlich organisiert. «Dank der Gewerkschaft haben wir viel erreicht», erzählt Mijo Maric, «zum Beispiel dafür gesorgt, dass das Arbeitszeitgesetz auch bei uns eingehalten wird, sodass wir genug Ruhetage erhalten und unsere Überzeit kompensiert wird.» Seit vielen Jahren setzt er sich für die gewerkschaftliche Arbeit ein und vertritt die Panoramic Gourmet AG im Vorstand der VPT-Sektion Bahndienstleistungen. «Nur zusammen sind wir stark» sage er jeweils neuen Mitarbeitenden, wenn er sie anwirbt, beim SEV mitzumachen.

Logistische Meisterleistungen

Es ist ein eingespieltes Team, das die Gäste auf dem Glacier Express bedient. Obwohl der Zug als «langsamster Schnellzug der Welt» angepriesen wird, gilt für das Personal höchstes Tempo beim Bedienen der Gäste. Dabei neigt sich der Zug auf der Bergstrecke zuweilen auf abenteuerliche Art und Weise. Kein Problem für Mijo Maric, der aus einem halben Meter Höhe Williams aus der Flasche ins kleine Schnapsglas eines Gastes ausschenkt. Kein Tropfen geht daneben. Die Gäste sind begeistert. «Das schönste an meinem Job ist es, dort zu arbeiten, wo andere Ferien machen.» In der Regel sind die Menschen, mit denen er zu tun hat, sehr gelassen. Ab und zu gebe es schon solche, die Schwierigkeiten machen, weil ihnen irgendetwas nicht passe, aber zum Glück komme das nur selten vor. Tatsächlich verzaubert die wunderschöne Schneelandschaft die Fahrgäste in einem Mass, dass sie nichts aus der Ruhe zu bringen scheint.

In Andermatt endet die Schicht von Mijo Maric. Es ist ihm nicht anzumerken, welch logistische Meisterleistung er gerade mit seinem Team vollbracht hat. Glücklich ist er, denn er weiss, schon nächste Woche darf er wieder auf einer der schönsten Bahnstrecken des Landes seine Arbeit verrichten.

Michael Spahr
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