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Der «Green New Deal» von Naomi Klein

Der grüne Umbruch

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Das Haus brennt! Buchstäblich im Amazonas und in Australien. Die Klimakrise ist Tatsache und bedroht das weltweite Gleichgewicht. Immer mehr Bewegungen rufen den sozialen und ökologischen Notstand aus. Wie lässt sich dieser Brand löschen? Naomi Klein hat einen Plan B, dringlicher denn je: einen «Green New Deal».

«Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann» ist das neuste Werk der globalisierungskritischen kanadischen Journalistin Naomi Klein. Sie umreisst die grossen Linien der Veränderungen, die nötig sind, um die Klimakrise zu bewältigen. Das Buch ist eine Sammlung von Reportagen, Essais und Gesprächen aus zehn Jahren. Von der Kapitalismuskritik und den Anfängen der Klimakrise bis hin zu einer möglichen Lösung, dem «Green New Deal», zeugt das Buch von der Entwicklung der Autorin im letzten Jahrzehnt. Im Umfeld der laufend düstereren Prognosen der Klimatologen und der kompletten Unfähigkeit der Regierungen, eine politische Antwort zu formulieren, will Naomi Klein die Widerstände verstehen und Lösungen aufzeigen.

Seit über 20 Jahren erkundet sie die Gesellschaft und bezieht bissig Stellung zum Krieg der Wirtschaft gegen die Menschen und die Natur. Als investigative Journalistin und engagierte Essayistin hat sie Bücher verfasst, die weltweit erfolgreich sind, so etwa «No Logo», «Die Schock-Strategie: Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus», «Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima» oder «Gegen Trump. Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen». Seit zehn Jahren widmet sie sich einem mutigen, radikalen Programm, das heute als Green New Deal bekannt ist. Es geht nicht mehr um Reformen, Steuern und Richtwerte, es geht um einen Wandel, einen bedingungslosen Umbruch.

Die deutsche Übersetzung des Buchs ist letzten Oktober erschienen. Nach einem Porträt über Greta Thunberg geht das Werk auf die Dringlichkeit einer weltweiten Klimabewegung ein. Es folgt eine weitere grundsätzliche Folgerung: die wachsende Bedeutung der politischen Diskussion um den «Plan B» zur Rettung des Planeten – der Green New Deal.

Greifbare Alternativen

«Es gibt heute in den Vereinigten Staaten und in Europa politische Bewegungen, die bereit sind, konkrete Massnahmen gegen die Klimakrise zu ergreifen – und die verschiedenen Krisen unserer Zeit miteinander in Verbindung zu bringen», hält die prominente Journalistin fest. Unter «konkreten Massnahmen» versteht sie nicht «eine zögerliche Annäherung mit einer Wasserpistole vor einer Feuersbrunst». Sie meint einen «ausführlichen, ganzheitlichen Plan, um den Brand zu löschen». Was einen Bruch mit dem neoliberalen Kapitalismus bedingt, der seit Ende der 80er-Jahre die Menschen und den Planeten ausbeutet.

Politischer Bruch

Die Grundidee des Green New Deal stützt sich auf das Programm, das US-Präsident Franklin Roosevelt startete, um die Wirtschaftskrise der «Grossen Depression» zu überwinden, bekannt als New Deal. Der demokratische Präsident hatte politische Massnahmen und umfangreiche öffentliche Investitionen umgesetzt – «von der sozialen Absicherung und Mindestlöhnen bis zur Kontrolle der Banken, über die Elektrifizierung der Landgebiete, öffentliche Bauten (Autobahnen, Pärke, Brücken usw.), zahlbare Wohnbauten in den Städten oder auch die Pflanzung von über zwei Milliarden Bäumen.»

Entsprechend will der Green New Deal einen tiefgreifenden sozialen Wandel, nun als Antwort auf die Klimakrise. Er wird von hochrangigen Persönlichkeiten unterstützt – Bernie Sanders und Elisabeth Warren, die sich als demokratische Präsidentschaftskandidaten angeboten haben, oder Jeremy Corbyn, Anführer der britischen Labourpartei. Die junge demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez hat im Februar 2019 im amerikanischen Kongress eine Resolution für den Green New Deal eingebracht.

Zusammen mit dem Volk

Anders als die Treibstoffzölle des französischen Präsidenten zwingt der Green New Deal nicht zur Wahl «zwischen Monatsende und Weltuntergang». Im Gegenteil: Die Massnahmen sollen sowohl dem Klima als auch der arbeitenden Bevölkerung dienen – «indem alle einen passenden Arbeitsplatz in der neuen Wirtschaftswelt finden, alle Zugang zu den grundlegenden Sozialleistungen haben; grüne Beschäftigung soll hochstehend, gewerkschaftlich abgesichert und familiengerecht sein, dank Entschädigungen und Urlauben, die diesen Namen verdienen.»

Service public und grüne Wirtschaft

Der Green New Deal erfordert laut Naomi Klein gewaltige Investitionen in bezahlbare gemeinschaftliche Transportmittel, die den CO₂-Ausstoss reduzieren, in Wohnanlagen mit tiefem Energieverbrauch und in ein Stromnetz, das erneuerbare Energie verbreitet. Dies alles sind Angebote, «die offensichtlich im Interesse der Allgemeinheit sind, weshalb sie auch durch die öffentlichen Dienste erbracht werden sollten.»

Etwas enttäuschend ist, dass das Buch die grüne Infrastruktur nicht weiter vertieft, so den öV oder Hochgeschwindigkeitszüge. Für Klein verwandeln diese grossen Investitionen den New Deal in eine «veritable Stellenbeschaffungsmaschine». Grüne Stellen, verstanden als «jede Aufgabe, die sowohl als nützlich und bereichernd für alle betrachtet wird, als auch sparsam mit fossilen Brennstoffen umgeht».

Die Rolle der Gewerkschaften

Ein solcher Wandel beinhaltet gemäss Naomi Klein ein grosses Mass an Basisdemokratie. Und sie nennt einen ersten Schritt in diese Richtung: «Das Personal verschiedener Sektoren (Spitäler, Schulen, Universitäten, Technologien, Produktion, Medien, usw.) soll selbstständig Projekte zur schnellen Loslösung von fossilen Brennstoffen entwickeln, die in die Richtung des Green New Deal gehen, um damit die Armut auszumerzen, hochwertige Stellen zu schaffen und das Reichtumsgefälle aufgrund von Hautfarbe und Geschlecht zu überwinden.» Wer wäre dazu besser geeignet als die Gewerkschaften?

 

Naomi Klein, Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann, Hoffmann und Campe, Hamburg 2019. ISBN: 978-3-455-00693-3, 352 S., CHF 32.90

Yves Sancey, mit «Services publics», VPOD

Übersetzung: Peter Moor