Kumulierung von Massnahmen

Missbräuchliche Kündigung

Kündigungen können nicht aufgrund leichter Verfehlungen ausgesprochen werden, wenn nicht vorher eine Zielvereinbarung unterzeichnet wurde.

Sepp* ist seit rund zehn Jahren Busfahrer bei einem städtischen Verkehrsbetrieb. Der Arbeitgeber wirft ihm vor, in jüngster Zeit mehrmals pflichtwidrig gehandelt zu haben und gegenüber der Hierarchie eine aufmüpfige Haltung an den Tag zu legen. Deshalb unterzeichnet er mit Sepp eine Zielvereinbarung verbunden mit einer Kündigungsdrohung. Zwar mögen einige Vorwürfe begründet sein – beispielsweise jener, dass sich Sepp geweigert habe, für gewisse offizielle interne Dokumente eine Empfangsbestätigung zu unterzeichnen, doch andere Vorwürfe stehen auf sehr wackligen Füssen. Auf jeden Fall rechtfertigen sie nicht die von der Direktion ergriffenen drastischen Massnahmen und schon gar nicht ihre Kumulierung, wie das inzwischen eingeschaltete SEV-Zentralsekretariat feststellt. Es opponiert gegen die Kündigungsandrohung, doch die Direktion hält daran beharrlich fest.

Kurz darauf muss Sepp wegen weiterer kleiner Sünden erneut auf der Direktion vortraben. Der Direktor persönlich hat beobachtet, wie Sepp nach Dienstschluss beim Depot die Abkürzung durch den Fussgängerbereich genommen hat. Für ihn ist das Mass voll: Sepp erhält die Kündigung.

Der SEV beauftragt nun einen Vertrauensanwalt mit der Anfechtung der Kündigung vor dem Arbeitsgericht. Dieses urteilt, Sepps Verhalten sei zwar nicht über jeden Zweifel erhaben gewesen, doch das Unternehmen sei bei der Kündigung nicht vorschriftsgemäss vorgegangen. Eine Kündigung könne nicht mit (leichten) Verfehlungen begründet werden, die vorher nicht in einer Zielvereinbarung angesprochen wurden. Nichts weise darauf hin, dass Sepp die vereinbarten Ziele nicht eingehalten habe, heisst es im Urteil weiter. Die Kündigung sei also anders begründet und somit missbräuchlich, und zwar in doppelter Hinsicht: Stichhaltige Gründe fehlten, und das Unternehmen habe die Verfahrensvorschriften missachtet. Andererseits habe sich Sepp tatsächlich Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Daher spricht ihm das Gericht als Entschädigung für die missbräuchliche Kündigung nur ein Monatsgehalt zu.

Dennoch ist Sepp mit dem Urteil zufrieden: „Wichtiger als die Höhe der Entschädigung ist mir die Anerkennung der Missbräuchlichkeit der Kündigung, das heisst, die moralische Wiedergutmachung.“

Rechtsschutzteam SEV

*Name geändert