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Darf mein Chef den Abeitsvertrag plötzlich ändern?

Daniela, 50-jährig, wendet sich an den SEV-Berufsrechtsschutz. Sie sei seit fast 20 Jahren vollzeitig als Reinigungskraft bei einem privaten Arbeitgeber tätig. Sie habe ihre Arbeit immer tadellos und zur vollen Zufriedenheit ihres Arbeitgebers ausgeführt. Am Tag vor ihrem Ferienantritt sei sie kurz vor Dienstschluss ins Büro des Vorgesetzten zitiert worden. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass der Betrieb sich gezwungen sehe, den Beschäftigungsgrad von Daniela aus organisatorischen Gründen von bisher 100% auf 60% zu reduzieren – natürlich mit entsprechender Lohneinbusse. Falls Daniela die Änderung nicht annehme, drohe der Arbeitgeber mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Beachtung der dreimonatigen Kündigungsfrist.

Daniela fühlte sich verständlicherweise unfair behandelt, zumal ihr Arbeitgeber nur wenige Tage zuvor zwei zusätzliche junge Mitarbeiterinnen zu 100% verpflichtet hat. Sie sei auf den Verdienst angewiesen, doch ein 60%-Lohn reiche ihr nicht, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ist das Vorgehen des Arbeitgebers zulässig? Und welche Möglichkeiten hat Daniela?

Kündigungsfrist ist einzuhalten

Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis einseitig abändern und droht er dem Arbeitnehmenden gleichzeitig die Kündigung an, falls dieser mit der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht einverstanden ist, so handelt es sich um eine sogenannte Änderungskündigung. Die Änderungskündigung als Mittel zur Neugestaltung von Anstellungsbedingungen ist grundsätzlich zulässig und gültig. Voraussetzung ist aber, dass schlechtere Anstellungsbedingungen nicht per sofort, sondern erst nach Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft gesetzt werden.

Von einer missbräuchlichen Änderungskündigung geht das Bundesgericht aus, wenn diese als Druckmittel dient, um eine für den/die Arbeitnehmer/in belastende Vertragsänderung herbeizuführen, die sich sachlich nicht rechtfertigen lässt. Dies ist nach Bundesgericht insbesondere dann gegeben, wenn für die Änderung der Arbeitsbedingungen keine betrieblichen oder marktbedingten Gründe bestehen.

Der Beweis, dass die Änderungskündigung weder aus betrieblichen noch aus marktbedingten Gründen erfolgt, obliegt in diesem Fall Daniela und ist naturgemäss schwierig zu erbringen. Der Arbeitgeber seinerseits wird im hier zu beurteilenden Fall aber Schwierigkeiten haben, dem Gericht glaubhaft zu machen, dass er die Änderungskündigung aus einer betriebswirtschaftlichen bzw. marktbedingten Logik heraus ausgesprochen hat, zumal er fast zeitgleich zwei weitere Vollzeitstellen geschaffen und mit jungen Arbeitskräften besetzt hat.

Gericht hebt Kündigung nicht auf

Selbst wenn Daniela der Nachweis der Missbräuchlichkeit gelingen sollte, wird das Gericht die Kündigung aber nicht widerrufen. Lehnt Daniela die Vertragsänderung ab, endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist auch dann, wenn das Gericht eine Missbräuchlichkeit anerkennt. Dem Arbeitgeber droht aber eine Strafzahlung an Daniela von bis zu sechs Monatslöhnen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass einseitige Abänderungen privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse unter Beachtung der Kündigungsfrist zulässig sind. Fehlen sachliche, insbesondere betriebswirtschaftliche Gründe, droht dem Arbeitgeber eine Strafzahlung wegen Missbräuchlichkeit. Die Kündigung hingegen bleibt gültig. Daniela hat also die Möglichkeit, die Änderungskündigung zu akzeptieren und nach Ablauf der Kündigungsfrist mit reduziertem Beschäftigungsgrad und Verdienst beim bisherigen Arbeitgeber weiter zu arbeiten. Oder sie kann die Vertragsänderung ablehnen und den Rechtsweg beschreiten.

Es ist darauf hinzuweisen, dass Daniela bei Ablehnung der Vertragsänderung Einstelltage wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit drohen.

Rechtsschutzteam SEV