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Verdachtskündigung

Straftaten, welche der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit oder auch im Privatleben zu Lasten der Mitarbeiter/innen, des Arbeitgebers, aber auch von Kunden oder Dritten begeht, können – sofern dabei arbeitsrechtliche Pflichten tangiert werden – einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung ohne vorgängige Verwarnung bilden. Was aber gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer der Begehung einer strafbaren Hand bloss verdächtigt, wenn also (noch) nicht zweifelsfrei feststeht, dass sich der Arbeitnehmer tatsächlich strafbar gemacht hat?

Strenge Voraussetzungen

Festzuhalten ist zunächst, dass eine fristlose Kündigung ein besonders schwerer Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers darstellt und deshalb nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist, insbesondere darf sie nur dann ausgesprochen werden, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht (Ultima ratio).

Die fristlose Kündigung setzt ein schweres Fehlverhalten des Arbeitnehmers voraus. Dieses Fehlverhalten muss derart gravierend sein, dass es einerseits objektiv geeignet ist, die für das Arbeitsverhältnis unentbehrliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest derart tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses schlechterdings nicht mehr zuzumuten ist. Andererseits muss der Kündigungsgrund auch tatsächlich zu einer Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Steht zweifelsohne fest, dass ein Arbeitnehmer sich einer Straftat im eingangs erwähnten Sinne schuldig gemacht hat und führt dies zur Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, so handelt es sich um ein schweres Fehlverhalten, welches den Arbeitgeber zur fristlosen Auflösung berechtigt.

Unschuldsvermutung und Fürsorgepflicht

Bestehen aber Zweifel daran, ob sich der Arbeitnehmer tatsächlich eines strafbaren Verhaltens schuldig gemacht hat, so muss der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren und notwendigen Abklärungen unternehmen, um den objektiv begründeten und erheblichen Verdacht auszuräumen. Die Fürsorgepflicht und die Unschuldsvermutung gebietet dem Arbeitgeber, vor der Kündigung eine vollständige Untersuchung der Vorwürfe durchzuführen. Dabei hat der Arbeitgeber sich selbstredend an die gesetzlichen Grenzen, namentlich an den Datenschutz zu halten und darf sich keine polizeilichen Befugnisse anmassen. Im Falle schwerer Anschuldigungen ist es unter Umständen angezeigt, die Untersuchung durch einen sachverständigen Dritten durchzuführen oder aber Anzeige zu erstatten und die Angelegenheit so einer strafrechtlichen Untersuchung zuzuführen. Es empfiehlt sich, den Arbeitnehmer bis zur gänzlichen Klärung der Vorwürfe einstweilen von seiner Arbeitspflicht freizustellen und ihm bis auf weiteres die Lohnzahlung zu gewähren. Zentral ist zudem das Recht des Arbeitnehmers, einen Rechtsbeistand beizuziehen. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, sich (vor Aussprache einer Kündigung) zu den Anschuldigungen zu äussern und allfällige Beweisanträge zu stellen.

Erhärtet sich der Anfangsverdacht im Verlauf der Untersuchungen, sodass überwiegend wahrscheinlich von einem strafbaren Verhalten auszugehen ist und erschüttert diese Erkenntnis das Vertrauensverhältnis derart, dass eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar erscheint, so ist der Arbeitgeber zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Dies gilt unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt eine strafrechtliche Würdigung aussteht.

Erfolgt hingegen eine fristlose Kündigung auf einem nicht rechtsgenüglich abgeklärten Sachverhalt und bleiben ernsthafte Zweifel daran, ob der Arbeitnehmer tatsächlich eine strafbare Handlung begangen hat, so verletzt der Arbeitgeber die Fürsorgepflicht. Hat der Arbeitgeber die unzutreffenden Anschuldigungen leichtfertig und ohne vernünftige Gründe erhoben, so verletzt er damit die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers und er riskiert eine Strafzahlung wegen Missbräuchlichkeit der Kündigung.

Rechtsschutzteam SEV