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Dauerbrenner Zielvereinbarungen

Bereits im kontakt.sev vom 12. November 2009 thematisierten wir die Problematik der Zielvereinbarungen. Heute berichten wir von einem weiteren Fall aus der Praxis.

Kollege T., ein Rangierspezialist plus, meldete dem SEV-Rechtsschutzteam, dass er einen Monat zuvor mit seinem Vorgesetzten das Führungs- und Entwicklungsgespräch gehabt habe. Dieses sei positiv verlaufen, und der Vorgesetzte habe keine Schwächen genannt, die anzugehen seien. Nun aber habe ihm der Vorgesetzte soeben – das heisst rund einen Monat nach dem Mitarbeitergespräch – völlig überraschend eine Zielvereinbarung zur Unterschrift vorgelegt. T. erklärte sehr aufgebracht, dass er diese Zielvereinbarung nicht unterschrieben habe und auch nicht gewillt sei, sie nachträglich noch zu unterschreiben. Er könne nicht verstehen, dass er nach der guten Rückmeldung seines Vorgesetzten nun infolge von drei Vorfällen eine Zielvereinbarung unterschreiben solle. Zudem trage er für zwei der drei Vorfälle keine Schuld. Das Vertrauen in seinen Vorgesetzten habe er auf jeden Fall verloren.

Akteneinsicht – ein wichtiges Verfahrensrecht

Um sich ein umfassendes Bild des Sachverhalts zu machen und beide Seiten zu verstehen, ersucht der SEV den Arbeitgeber üblicherweise um Akteneinsicht (Personaldossier). So auch im vorliegenden Fall.

In einer ersten Reaktion stellte der SBB-Personaldienst die Notwendigkeit der Akteneinsicht infrage. Der SEV bestand jedoch darauf – insbesondere auch deshalb, weil die Zielvereinbarung problematisch formuliert war und T. zwei im Sachverhalt erwähnte Vorfälle möglicherweise nicht zu verantworten hatte. Gleichzeitig schlug der SEV vor, nach der Akteneinsicht die Sache im Rahmen einer Besprechung zu bereinigen.

Der Blick in die Akten lohnte sich tatsächlich, führte er doch zu einigen wichtigen Erkenntnissen:

  • Kollege T. war seit Jahren ein gut qualifizierter Rangierspezialist.
  • Die drei Ereignisse waren spezielle Einzelfälle, die zu Recht keine negative Auswirkung auf das Mitarbeitergespräch hatten.
  • Das älteste der drei Ereignisse lag über ein Jahr zurück und fiel in die vorherige Beurteilungsperiode. T. konnte kein Verschulden nachgewiesen werden.
  • Das zweite Ereignis fiel wohl in die Beurteilungsperiode, ein eindeutiges Verschulden von T. konnte aber auch hier nicht festgestellt werden.
  • Das dritte Ereignis geschah rund einen Monat nach dem Mitarbeitergespräch und wurde von T. verursacht, was er auch ohne Ausflüchte zugegeben hatte.
  • Die Zielvereinbarung enthielt eine unrealistische Zielsetzung mit keinerlei Toleranz.
  • Die Zielvereinbarung enthielt eine völlig unklare Androhung für den Fall der Nichterfüllung.

Angesichts dieser Erkenntnisse verlangte der SEV eine Besprechung mit dem Vorgesetzten von T. sowie mit dem zugeteilten Personalverantwortlichen.

Warum nicht von Anfang an so?

Anlässlich des vom SEV verlangten Gesprächs wurden die Ereignisse, die zur Zielvereinbarung führten, nochmals detailliert besprochen. Schliesslich mussten der Vorgesetzte und der Personalverantwortliche bestätigen, dass T. zwei der drei Vorfälle nicht zu verantworten hatte. T. war lediglich am Rande mitbeteiligt und konnte auf den Ablauf der Ereignisse keinen Einfluss nehmen. Der SEV-Beistand machte geltend, dass aufgrund der einzigen von T. verschuldeten Unregelmässigkeit eine Zielvereinbarung unverhältnismässig wäre. Der Vorgesetzte und der Personalverantwortliche konnten dieser Argumentation nichts entgegenhalten und bestätigten schriftlich, dass sie an der Zielvereinbarung nicht mehr festhielten. Zusätzlich einigten sich der Vorgesetzte und T., sich künftig regelmässig zu treffen, um allfällige Schwachstellen im Betriebsablauf zu besprechen. Damit war auch ein Grundstein gelegt, das verlorene Vertrauen zum Vorgesetzten wieder aufzubauen.

Ende gut, alles gut . . .

Beim SEV-Rechtsschutzteam blieb das Dossier von T. noch offen. Der mit dem Fall betraute Gewerkschaftssekretär erkundigte sich nach der darauf folgenden Personalbeurteilungsrunde bei T. nach dem aktuellen Stand. T. berichtete erfreut, dass die regelmässigen Gespräche mit dem Vorgesetzten jeweils sehr gut und konstruktiv verlaufen seien. Das Ergebnis des kürzlich erfolgten Beurteilungsgesprächs sei ebenfalls gut ausgefallen, und das gegenseitige Vertrauen sei wieder vorhanden.