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Politische Prioritäten im 2022

In Krisen muss die arbeitende Bevölkerung entlastet werden

In der Corona-Krise waren fast nur Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen von Kaufkraftverlust betroffen. Damit hat die Krise vor allem jene getroffen, deren Einkommen bereits vorher kaum vom Fleck kamen. In dieser angespannten Situation wäre es äusserst wichtig, die arbeitende Bevölkerung zu entlasten.

Viele Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen haben in der Krise Kaufkraft verloren.

Doch Bundesrat und Parlament planen insgesamt gegen 3 Milliarden Franken Steuersenkungen für grosse Vermögen und hohe Einkommen. Gleichzeitig sind AHV-Kürzungen und Rentensenkungen bei den Pensionskassen geplant. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) setzt sich im sozial- und einkommenspolitischen Schlüsseljahr 2022 für einen Kurswechsel zugunsten der Arbeitnehmenden ein – mit mehreren Referenden, Initiativen und konkreten Arbeitskämpfen der Gewerkschaften. Damit der Aufschwung bei der Bevölkerung ankommt und die Löhne und Renten endlich wieder steigen.

Auswirkungen der Krise auf die arbeitende Bevölkerung

Die Corona-Krise hat die Lage vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten zwei Jahren wesentlich verändert. Dank Kurzarbeit und den weiteren Lohngarantien (EO) konnte zwar eine Katastrophe verhindert werden, und die Arbeitslosigkeit geht seit einigen Monaten wieder zurück. Dennoch bleiben schmerzhafte Spuren und Verwundbarkeiten, insbesondere bei Arbeitnehmenden mit tieferen Einkommen sowie Jüngeren und Älteren. Bei den über 60-Jährigen ist der Aufschwung bisher noch kaum angekommen. Von ihnen sind nach wie vor mehr arbeitslos als vor der Krise. Auf der anderen Seite sind knapp 25 000 Personen im Alter von 15 bis 24 Jahren weniger erwerbstätig als vor dem Corona-Ausbruch. Im Aufschwung sind leider viele unsichere Stellen entstanden. Die Zahl der temporär Angestellten stieg 2021 zum Beispiel um mehr als 10 Prozent.

Viele Arbeitnehmende haben zunehmend Mühe, mit dem Einkommen über die Runden zu kommen. Die Belastung durch die Krankenkassenprämien ist für viele unerträglich geworden. Die Löhne stiegen von 2016 bis 2022 real um nur 0,2 Prozent pro Jahr und hinken der Wirtschaftsentwicklung hinterher.

Statt diese Probleme anzugehen, arbeiten Bundesrat und Parlament in die Gegenrichtung. Sie planen Steuersenkungen von gegen drei Milliarden Franken pro Jahr für Vermögende, Gutverdienende und Unternehmen. Die zunehmend unerträgliche Prämienlast in der Krankenversicherung wird hingegen nicht beseitigt.

Es braucht mehr, nicht weniger AHV

2022 wird das schweizerische Drei-Säulen-Modell 50 Jahre alt. Bei der Einführung waren nicht nur existenzsichernde AHV-Renten vorgesehen, sondern auch Pensionskassen mit klaren Leistungsgarantien und einem Teuerungsausgleich. So soll die Pensionskassenrente die Weiterführung des bisherigen Lebensstandards ermöglichen. Von diesem Verfassungsziel entfernen wir uns immer weiter. Die AHV ist nicht existenzsichernd, und die Pensionskassenrenten sinken immer weiter. Den zukünftigen Rentnerinnen und Rentnern bleibt immer weniger zum Leben.

Aus der Altersvorsorge ist mittlerweile ein boomendes Geschäft geworden, daher sind die Angriffe auf die AHV – an der Anbieter wie Pensionskassen, Banken oder Versicherungen nichts verdienen – nicht neu und wenig überraschend. Neu ist die Wucht. Der erste konkrete Angriff droht mit AHV 21: ein AHV-Abbau zulasten der Frauen. Dann eine BVG-Reform nach dem Willen der Banken und Versicherungen mit massiven Rentenverlusten. Schliesslich wollen Arbeitgeber und bürgerliche Parteien das Rentenalter bis auf 67 Jahre erhöhen. Wobei sie Wasser predigen und Wein trinken, denn wer von ihnen es sich leisten kann, geht früher in Rente: Die Frühpensionierungsquote in der Kredit- und Versicherungsbranche ist 50 Prozent höher als der schweizweite Durchschnitt.

Der SGB wird all diese Rentenverschlechterungen entschieden bekämpfen. Angesichts der sinkenden Pensionskassenrenten braucht es mehr und nicht weniger AHV.

In der Einkommens- und Steuerpolitik braucht es sozialpolitische Verbesserungen für die Haushalte mit mittleren und tieferen Einkommen statt Steuersenkungen für die Oberschicht. Die für Steuersenkungen vorgesehenen knapp drei Milliarden Franken müssen in die Prämienverbilligungen fliessen.

Die Frankenüberbewertung muss konsequenter bekämpft werden. Sie hat dazu geführt, dass die Erwerbslosigkeit in der Schweiz mit 5 Prozent viel höher ist als in Deutschland (3,3 Prozent). Sollte die EZB die Geldpolitik normalisieren, kann die SNB mit Zinserhöhungen zuwarten.

Eine stärkere Unterstützung der über 60-Jährigen bei der Stellensuche in den regionalen Arbeitsvermittlungszentren, wie es das Impulsprogramm zur Begrenzungsinitiative vorsah.

Generelle Lohnerhöhungen und endlich ein 13. Monatslohn für alle.

Gesamtarbeitsverträge mit guten Mindestlöhnen und Arbeitsbedingungen in allen Branchen – prioritär insbesondere auch in wachsenden Branchen mit problematischen Arbeitsbedingungen wie im Kurierwesen.

Angesichts der Omikron-Variante muss der Bundesrat die Lohngarantien in der Kurzarbeit lückenlos verlängern. Wenn das Test-/Contact- Tracing-Regime überlastet wird, muss der Fokus auf die vulnerablen Personen gerichtet werden.

Schweizerischer Gewerkschaftsbund,
Jahreskonferenz vom 11. Januar
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Einkommen der Normalverdienenden verbessern und Erwerbslosigkeit senken

Aus wirtschaftspolitischer Sicht sind für den SGB im Jahr 2022 vor allem folgende Massnahmen prioritär:

  • In der Einkommens- und Steuerpolitik braucht es sozialpolitische Verbesserungen für die Haushalte mit mittleren und tieferen Einkommen statt Steuersenkungen für die Oberschicht. Die für Steuersenkungen vorgesehenen knapp drei Milliarden Franken müssen in die Prämienverbilligungen fliessen.
  • Die Frankenüberbewertung muss konsequenter bekämpft werden. Sie hat dazu geführt, dass die Erwerbslosigkeit in der Schweiz mit 5 Prozent viel höher ist als in Deutschland (3,3 Prozent). Sollte die EZB die Geldpolitik normalisieren, kann die SNB mit Zinserhöhungen zuwarten.
  • Eine stärkere Unterstützung der über 60-Jährigen bei der Stellensuche in den regionalen Arbeitsvermittlungszentren, wie es das Impulsprogramm zur Begrenzungsinitiative vorsah.
  • Generelle Lohnerhöhungen und endlich ein 13. Monatslohn für alle.
  • Gesamtarbeitsverträge mit guten Mindestlöhnen und Arbeitsbedingungen in allen Branchen – prioritär insbesondere auch in wachsenden Branchen mit problematischen Arbeitsbedingungen wie im Kurierwesen.
  • Angesichts der Omikron-Variante muss der Bundesrat die Lohngarantien in der Kurzarbeit lückenlos verlängern. Wenn das Test-/Contact-Tracing-Regime überlastet wird, muss der Fokus auf die vulnerablen Personen gerichtet werden.