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Bodensee: SEV-Beschwerde gutgeheissen

Die Schweizerische Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) hat letztes Jahr ihrem Personal Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz abverlangt, ohne dazu mit einer Vertretung des Personals eine schriftliche Vereinbarung abzuschliessen, wie es das Gesetz vorschreibt. Der SEV hat dagegen eine Beschwerde eingereicht, die nun das Bundesamt für Verkehr Anfang Mai guthiess.

Seit das SBS-Personal 2009 in Frauenfeld demonstrierte, damit die Regierung im Konflikt mit dem damaligen Sanierer Benno Gmür vermittelte, hat dieser den SEV nie als Sozialpartner akzeptiert. (Foto: Donato Caspari / ThurgauerZeitung, 23.4.2009)

Im März 2019 legte die SBS allen knapp 30 nautischen Mitarbeitenden eine Vereinbarung «über Ausnahmeregelungen gemäss dem Arbeitszeitgesetz (AZG) und der Verordnung zum Arbeitszeitgesetz (AZGV)» vor, die sie individuell unterschreiben mussten. In der Tat sieht die AZGV zum Beispiel im Art. 45 für die Schiffsbetriebe die Möglichkeit vor, für die Sommersaison mit der «Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer» – also mit der Gewerkschaft oder der Personalkommission – für höchstens sechs Monate eine schriftliche Vereinbarung abzuschliessen über eine Verlängerung der Höchstarbeitszeit von 10 auf höchstens 13 Stunden pro Dienstschicht, über die Verlängerung der Dienstschicht von 12 auf maximal 15 Stunden sowie über eine Herabsetzung der Ruheschicht und der Ruhesonntage.

Alle Ausnahmen auf einen Schlag, unbefristet und ohne Gegenleistung

Die SBS listete im zu unterschreibenden Papier nicht nur diese, sondern alle Ausnahmeregelungen auf, die die AZGV erwähnt, liess aber systematisch alle Passagen weg, die klar machen, dass die AZGV dafür verschiedene Formen der Mitsprache vorsieht: z.B. in Art. 42 und 43 eine Vereinbarung mit den Arbeitnehmenden oder ihrer Vertretung, im Art. 45 eben eine schriftliche Vereinbarung mit der Vertretung der Arbeitnehmenden und im Art. 46 zusätzlich eine Bewilligung des BAV. Mit anderen Worten suggerierte die SBS, diese Ausnahmen seien ohne Mitsprache zulässig. Sechs Mitarbeitende wollten die Vereinbarung zuerst nicht unterschreiben, und zuletzt noch einer – dem inzwischen per Ende Juni gekündigt wurde.

BAV: "Nicht geringfügige Verfehlungen"

Weil die SBS auf den Protest des SEV gegen das Vorgehen und seine Aufforderung zur Aushandlung einer Vereinbarung nicht einging, reichte der SEV beim Bundesamt für Verkehr Beschwerde ein. Der Anwalt der SBS verzögerte das Verfahren nach Kräften, doch nun hat das BAV am 5. Mai die Beschwerde gutgeheissen. Es hielt fest, dass die Vereinbarung der SBS «nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht». Und dass «nicht von geringfügigen Verfehlungen die Rede sein» könne: «Die Vorgehensweise der SBS AG beim Zustandekommen der Vereinbarung ist stossend, zumal sie bewusst versucht hat, das Gesetz zu umgehen. Auch hat sie dadurch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter Vorgabe falscher bzw. nicht vollständiger Gesetzestexte versucht, ihr Einverständnis einzuholen.» Das BAV hob die Vereinbarung auf und kündigte an, «im Rahmen des nächsten Audits» zu kontrollieren, ob die Dienstplanung AZG-konform ist. Wenn nicht, drohten strafrechtliche Schritte.

Markus Fischer
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«Tropical breeze» auf dem Bodensee

Seit über 10 Jahren kämpft der SEV bei der SBS für die Akzeptanz der gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitenden, und seit über 10 Jahren mauert die SBS. Verkörpert wird dieses Bollwerk vor allem durch Benno Gmür, Vizepräsident des Verwaltungsrats, der bei der Übernahme der SBS von der SBB bereits als Sanierer eingesetzt wurde, und der sich als höchst umtriebig entpuppte. Nicht erst seit seiner, freundlich gesagt, phantasievollen Interpretation des AZG fällt auf, dass er recht unbekümmert um allfällige gesetzliche Vorgaben agiert. Er wollte bereits 2009 die laufenden Arbeitsverträge ohne Einhaltung der gesetzlichen Fristen ändern und die Löhne senken. Dies konnte zwar verhindert werden, aber ob Gmürs Einsicht gewachsen ist, muss bezweifelt werden: Der SEV kennt einen Medienbericht über eine Anklage der New Yorker Staatsanwaltschaft vom Januar 2018. Die Anklage richtete sich gegen eine Autowaschanlage in Brooklyn namens Tropical Breeze wegen «wage theft», also Lohndiebstahl bei rund 150 Mitarbeitenden sowie Fälschung von Dokumenten für die Arbeitslosenversicherung im Umfang von mehr als einer halben Million Dollar. Eigentümer dieser Autowaschanlage: Benno Gmür. In einer weiteren Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft vom 8. November 2019 wurde bekannt gemacht, dass Gmür 530 000 Dollar Lohnnachzahlungen leisten muss, was bedeutet, dass sich die Vorwürfe erhärtet haben. Keine guten Aussichten für die SBS-Angestellten, sollte sich jemals eine «tropical breeze» auf den Bodensee verirren!  

Barbara Spalinger, Vizepräsidentin SEV