Die Gefahren des neuen Konzepts für den Fernverkehr – Interview mit Pascal Fiscalini
Zwei Klassen von Reisenden
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat entschieden, neue Kriterien für den Fernverkehr zu definieren. In seiner 23-seitigen Wegleitung «Grundsätze für den Fernverkehr» wurde eine Serie von Zielen definiert, darunter die Abgrenzung im Personenverkehr von Nah- und Fernverkehr. Ebenfalls ist vorgesehen, das Fernverkehrsnetz in ein Basis- und ein Premiumnetz aufzuteilen.
Pascal Fiscalini, Vizepräsident des ZPV, kennt sich auf diesem Gebiet bestens aus. Wie schätzt er das Projekt des BAV ein? Hier seine Antworten.
Pascal Fiscalini, was hältst du von den neuen Rahmenbedingungen des BAV?
Es reicht nicht, dass das BAV den Fernverkehr mit Konzessionen für andere Verkehrsbetriebe filetieren will. Nein, jetzt wird uns eine Wegleitung präsentiert, die in Zukunft zwischen den Passagieren unterscheiden wird; einige werden privilegiert sein, sozusagen die A-Klasse, und andere, weniger glückliche Kund/innen werden verschlechterte Leistungen hinnehmen müssen. Diese zwei neuen Herangehensweisen basieren auf einer neoliberalen Politik, die menschliche Aspekte wie die Bedürfnisse der Bevölkerung und den Erhalt von Arbeitsplätzen ausser Acht lässt.
Gefährdet eine Unterscheidung zwischen Basis- und Premiumnetz die Zugbegleitung?
Ja, ganz sicher! Das BAV sieht in seiner Wegleitung nur auf dem Premiumnetz eine obligatorische Begleitung der Züge vor. Es ist anzunehmen, dass gewisse Transportunternehmen nicht lange zögern und das Zugpersonal auf dem Basisnetz sofort streichen werden. Dem touristischen Aspekt schenkt die Wegleitung überhaupt keine Beachtung, obwohl dieser ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Wirtschaft ist. Es wird Linien geben, auf denen viele Touristen unterwegs sind, jedoch ohne irgendeine Möglichkeit, sich bei Fragen oder Bedürfnissen ans Zugpersonal zu wenden. All dies ist völlig inakzeptabel, denn es handelt sich um eine offensichtliche Verschlechterung im Kundenservice.
Wie lauten denn die Forderungen des ZPV?
Wir verlangen, dass die bestehenden Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen erhalten bleiben. Mit der Zweiteilung des Netzes gäbe es mindestens acht Depots, die nicht mehr direkt ans Premiumnetz angeschlossen wären. Bereits bei der Abschaffung des Zugpersonals in den Regional- und Güterzügen in den Achtziger- und Neunzigerjahren sind Hunderte von Arbeitsplätzen verloren gegangen. Eine weitere Zerschlagung dieser Berufs- kategorie widerspräche der wiederholten Beteuerung der Unternehmung, dass sie den Kundenservice durch das Zugpersonal in den Fokus rücken möchte. Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens hoffen wir darauf, dass die Kantone, die direkt von verschlechterten Leistungen betroffen wären, eine klare Position beziehen und sich für den Erhalt eines einheitlichen, nationalen Netzes einsetzen werden.
Françoise Gehring/kt