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Minusstunden

Jérôme, Buschauffeur bei der Firma X, macht sich Sorgen, weil er am Ende des Jahres zu viele Minusstunden hat. Er befürchtet, dass er die Stunden in naher Zukunft mit zusätzlichen Arbeitsstunden kompensieren oder gar in seiner Freizeit gratis arbeiten muss. Hier stellt sich die Frage, ob die Minusstunden am Ende eines Abrechnungszeitraums gelöscht werden müssen, wenn diese aufgrund der Planung seitens des Arbeitgebers entstanden sind.

Die Antwort findet sich in Artikel 324 des OR, wo die Pflichten des Arbeitgebers geregelt sind: Der Leitgedanke sagt aus, dass grundsätzlich der Arbeitgeber die Risiken der Unternehmung trägt. Er muss dafür sorgen, dass die Angestellten arbeiten können. Folglich ist er verpflichtet, den vereinbarten Lohn zu zahlen, auch wenn die Arbeit aus unerwarteten Gründen seitens des Arbeitgebers unmöglich wird. Dabei müssen die Angestellten nicht selbst einen Fehler begangen haben; es genügt, dass ihnen die Möglichkeit, zu arbeiten, verwehrt bleibt. Hier einige Beispiele:

  • Unterlassung von Vorbereitungsmassnahmen oder Mitarbeit, die für die Ausführung der Arbeit nötig sind, wie Bereitstellung benötigter Materialien oder Missachtung von Sicherheits- und Hygienevorschriften.
  • Wirtschaftliche Gründe wie Rückgang von Bestellungen, zu wenig Arbeit, einseitige Reduktion des Arbeitsplans.
  • Technische Störungen wie Stromausfälle oder Defekte an Maschinen.
  • Höhere Gewalt wie Brände und Überschwemmungen.

Die zweite Voraussetzung ist, dass die Angestellten ihre Bereitschaft, zu arbeiten, deutlich zeigen. Die Angestellten müssen beweisen, dass sie ihre Dienste tatsächlich angeboten haben. Hierfür gibt es allerdings keine vorgeschriebene Form, und wie ein solches Angebot aussieht, kann von den Umständen abhängen. Grundsätzlich darf die erforderliche Form nicht unzumutbar sein. So genügt es, dass der Arbeitgeber die Arbeitsbereitschaft seiner Angestellten nach dem Prinzip von Treu und Glauben erkennen kann.

Für öV-Angestellte, die dem AZG unterstellt sind, kann dies daraus abgeleitet werden, dass sie den Jahresplan akzeptieren. Wir sind der Meinung, dass ein Angestellter seine Bereitschaft, die geplanten Dienste zu leisten, deutlich gezeigt hat, wenn er gemäss Art. 13 Abs. 2 des AZG vor Erstellung der definitiven Jahresplanung angehört wurde und in diesem Rahmen nicht gemäss Art. 26 Abs. 5 der AZGV zurückgetreten ist.

Liegt ein Versäumnis seitens des Arbeitgebers vor, muss dieser weiterhin Löhne bezahlen und darf die fehlenden Arbeitsstunden nicht zu einem späteren Zeitpunkt einfordern. Tatsächlich besteht die Pflicht der Angestellten in erster Linie darin, ihre Arbeit in Form von aufeinanderfolgenden Leistungen innert eines festgelegten Zeitrahmens auszuführen. Deshalb sind Angestellte nicht verpflichtet, ausserhalb dieses Zeitraumes zu arbeiten, es sei denn, sie leisten Überstunden. Ein Arbeitgeber verstösst demnach gegen die zwingenden Vorschriften von OR Art. 324, wenn er von seinen Angestellten verlangt, Stunden nachzuholen, die aus Gründen seitens des Arbeitgebers versäumt wurden.

Wenn nun also Jérôme den Jahresplan akzeptiert hat oder seine Dienstbereitschaft anderweitig deutlich gemacht hat, muss der Arbeitgeber sein Zeitkonto für die nächste Abrechnungsperiode auf null setzen. Ob der jeweilige Abrechnungszeitraum eine Woche, einen Monat oder ein Jahr umfasst, ist im GAV oder gegebenenfalls im Einzelarbeitsvertrag festgehalten. Im Falle der Firma X schreibt der GAV eine durchschnittliche Arbeitszeit von 41 Stunden pro Woche vor, das sind in den meisten Fällen 2050 Stunden pro Kalenderjahr. Meistens entspricht der Abrechnungszeitraum folglich einem Kalenderjahr. Ausgenommen sind hier natürlich die anteilig angepassten Stunden bei Mitarbeitenden, die nicht während des gesamten Kalenderjahrs beschäftigt wurden. Nach obigen Erläuterungen ist also klar, dass Jérôme nicht verpflichtet ist, zusätzliche Arbeitsstunden zu leisten, und dass er auch nicht in der Freizeit gratis arbeiten muss.

Bei vielen Transportunternehmen enthält der GAV fixe Regeln, welcher Zeitkontostand am Ende eines Abrechnungszeitraums minimal und maximal erlaubt ist

Dienstleistungen im Berufsrechtsschutz

Der SEV gewährt seinen Mitgliedern Berufsrechtsschutz bei Streitigkeiten zivil- und strafrechtlicher Natur, die mit ihrer beruflichen oder gewerkschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, bei Verkehrsunfällen auf dem direkten Arbeitsweg sowie bei ausserdienstlichen Vorkommnissen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis des Mitglieds ergeben.

Der Berufsrechtsschutz wird für Fälle gewährt, die sich während der Dauer der Mitgliedschaft beim SEV ereignen. Die Dienstleistung ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen.

Der Rechtsschutz umfasst die Rechtsberatung, die Intervention einer Gewerkschaftssekretärin bzw. eines Gewerkschaftssekretärs sowie die Zuteilung eines Rechtsbeistands.

Der Vorfall ist innerhalb von 10 Tagen dem Zentralsekretariat SEV mit dem offiziellen Anmeldeformular «Gesuch für den Berufsrechtsschutz» zu melden.

Im Kompetenzzentrum Recht kümmern sich Barbara Spalinger, Wossen Aregay, Vincent Brodard, Franziska Schneider, Rahel Weiss und Mario Schmid um die Anliegen der Mitglieder.

Dienstleistungen im Bereich Arbeitszeit

Für die meisten Angestellten im öffentlichen Verkehr gehört das Arbeitszeitgesetz (AZG) zum Alltag.

Das Gesetz und seine Verordnung wurden letztes Jahr umfassend revidiert und traten per Fahrplanwechsel 2018 in Kraft. Der SEV hat bei der Ausarbeitung der Revision natürlich mitgewirkt und die Interessen der öV-Mitarbeitenden angemessen vertreten.

Das Personal ist nichtsdestotrotz immer wieder konfrontiert mit Unklarheiten und Fragen zu Arbeitszeit, Pausenregelung und Zeitzuschlägen.

Sollten unsere SEV-Mitglieder dazu Fragen haben oder Unstimmigkeiten in ihrem Arbeitsalltag feststellen, steht ihnen der SEV mit seinen AZG-Spezialisten kostenlos zur Verfügung.

Ein Anruf beim zuständigen Gewerkschaftssekretär/bei der zuständigen Gewerkschaftssekretärin genügt, um das Anliegen zu deponieren.

Das revidierte AZG kannst du unter tinyurl.com/azgonline abrufen.