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Güterverkehrstagung

Wandel kritisch begleiten

Am 11. Oktober fand im SEV-Zentralsekretariat in Bern die Güterverkehrstagung des SEV-LPV statt. Diese stand im Zeichen der Digitalisierung und war den Themen digitale automatische Kupplung, automatischer Fahrbetrieb und EU-Richtline über Triebfahrzeugführer gewidmet. Durch die Tagung, die nicht zuletzt dem fachlichen Austausch unter Kol-leginnen und Kollegen diente, führte SEV-LPV-Präsidentin Hanny Weissmüller.

Philipp Thalmann, Programmleiter Automation der SBB Cargo, stellte die DAC, die digitale automatische Kupplung vor; diese wird zurzeit von der SBB erprobt. Am Beispiel der automatischen Bremsprobe führte Thalmann aus, dass die neue Technologie mit einem Zeitgewinn verbunden ist und somit körperliche Belastungen des Personals im Gleisbereich reduziert. So sei es mit der DAC zum Beispiel nicht mehr notwendig, beide Seiten des Zugs abzuschreiten. Denn die Entkopplung könne mithilfe von Kameras vom Führerstand aus vorgenommen werden.

Projekt mit Hürden

Die Pilotanlage befindet sich im Bahnhof Limmattal und der Prototyp aktuell in finaler Erprobung. Allerdings sei der Einsatz in der Praxis mit einigen technischen Schwierigkeiten verbunden. Dementsprechend stelle die lückenhafte 5G-Netzabdeckung in der Schweiz eine Hürde dar.

Automatischer Fahrbetrieb

Technische Herausforderungen stellen sich ebenfalls beim automatischen Fahrbetrieb (Automatic Train Operation, ATO), wie Marco Hörtenhuber-Stuhl, Gewerkschafter der Vida Österreich sowie Lokführer, Ausbilder und Betriebsrat bei der ÖBB, ausführt; dies nicht zuletzt im Bereich der Cybersicherheit. Im Übrigen sei es wichtig, zwischen den Automatisierungsgraden zu unterscheiden: Bei abgeschlossenen Systemen, beispielsweise bei der U-Bahnlinie 5 in Wien oder der «Elizabeth-Line» in London, wo auf der ganzen Strecke gleiche Bedingungen herrschten – gleich lange Fahrzeuge und Bahngleise usw. – füttere ein Mitarbeiter das System mit Informationen, wobei es zu wenigen Fehlfunktionen und Vorfällen komme. (Zu ATO siehe auch SEV-Zeitung Nr. 12.)

Flickenteppich in der EU

Schliesslich stellt Hervé Pineaud, Gewerkschafter CGT Frankreich und Lokführer SNCF, die Überarbeitung der Train Driver Directive (TDD) der Europäischen Union vor. Ziel der EU-Triebfahrzeugführer-Richtlinie ist es, ein effizientes, sicheres und wettbewerbsfähiges EU-weites Eisenbahnnetz, den sogenannten einheitlichen europäischen Eisenbahnraum, aufzubauen, was sich angesichts des Flickenteppichs nationaler Zertifizierungssysteme schwierig gestaltet. Vieles ist nach wie vor unklar, wie Hervé Pineaud betont.

Spannungsfeld Digitalisierung

An der Tagung wird einmal mehr klar, dass die Digitalisierung nicht nur mit einer Entlastung des Personals verbunden ist, sondern ebenso mit höheren Anforderungen. Ein Spannungsfeld, das SEV-LPV-Präsidentin Hanny Weissmüller wie folgt zusammenfasst: «Im Namen der Digitalisierung wird immer mehr Arbeit einer Person aufgebürdet und immer mehr in ein Berufsbild hineingepackt. Tritt eine Störung auf, braucht es dennoch Fachkenntnisse, zum Beispiel, wenn man händisch entkuppeln muss.»

Gute Arbeitsbedingungen und attraktive Arbeitsplätze sichern

Das Rad der Zeit lässt sich indessen nicht zurückdrehen. SEV-Präsident Matthias Hartwich sagt: «Es bringt nichts, sich stur gegen jeden Wandel zu stemmen. Wir müssen ihn stattdessen aktiv, aber kritisch und aufmerksam, begleiten. Nur so können wir für unsere Kolleginnen und Kollegen, für Lokführerinnen und Lokführer sowie für die Rangiererinnen und Rangierer, gute Arbeitsbedingungen sichern und die Arbeitsplätze der Zukunft auf dem Führer-stand und im Gleisbereich attraktiv gestalten.» Aus SEV-Sicht liegt es denn auch auf der Hand, dass der volle Lohn geschuldet ist, wenn infolge Digitalisierung die Arbeitsbelastung pro Person abnimmt, die Anforderungen aber gleichzeitig steigen.

Eva Schmid

Kommt die digitale automatische Kupplung (DAC auf Englisch) wirklich? Und was sind ihre Folgen für das Personal?

Vor zwei Jahren hat man sich auf einen einheitlichen Kupplungskopf für ganz Europa geeinigt. Aktuell laufen Versuche zur Definition einer einheitlichen Technologie für die Datenübertragung. Diese ist Voraussetzung dafür, dass der Schienengüterverkehr durch Digitalisierung wirtschaftlicher, schneller und sicherer werden kann. An der Entwicklung der DAC beteiligt sich sehr aktiv auch SBB Cargo mit Unterstützung des Bundesamts für Verkehr – dieses Jahr z. B. mit Tests mit einem Pilotzug (siehe auch Text zur Lokpersonaltagung S. 5).

Der SEV steht technologischem Fortschritt grundsätzlich positiv gegenüber, wenn dieser den Arbeitnehmenden nützt und nicht schadet. Das wird erreicht, wenn Personal und Gewerkschaften den Fortschritt mitgestalten können. Die DAC verspricht Verbesserungen beim Gesundheitsschutz (dank geringerer physischer Belastung) und bei der Arbeitssicherheit – wobei Einmannbetrieb auch Sicherheitsrisiken birgt. Weitere positive Folgen der DAC sind neue, spannende Berufsbilder mit guten Lohnperspektiven sowie die bessere Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber der Strasse, was die Jobsicherheit erhöht und die Verlagerung auf die Schiene fördert – zugunsten des Klimas.

Eine Gefahr ist, dass Mitarbeitende durch neue Anforderungen aus Unternehmen verdrängt werden. Darum wird der SEV darauf achten, dass allen Kolleg:innen Weiterbildung und Perspektiven angeboten werden. Stellenabbau darf und muss ausgeschlossen werden, weil es neben der DAC noch länger Schraubenkupplungen geben wird und somit Bedarf an fähigen Mitarbeitenden für beide.

Philipp Hadorn ist Gewerkschaftssekretär und Leiter SEV-Team Cargo. Hast du eine Frage an den SEV? Schreib uns an