75 Jahre Flughafen Zürich: GAV sind ein Muss!
Anfang September feiert der Flughafen Zürich sein 75-jähriges Bestehen. Rück- und Ausblick mit Philipp Hadorn als Präsident der Bodenpersonalgewerkschaft SEV-GATA, die auch schon seit über 20 Jahren am Flughafen präsent ist.
Wie siehst du als Gewerkschafter die Geschichte des Flughafens Zürich und der Luftfahrt in der Schweiz?
Philipp Hadorn: Mobilität ist ein Grundbedürfnis von Menschen. Reisen war früher einer kleinen Elite vorbehalten, heute können sich in der Schweiz auch Normalverdienende eine Fahrt mit der Familie auf einen Berggipfel oder auf einem See leisten – oder eben auch einen Flug in ein anderes Land. Während die Freizeitmobilität immer wieder Fragen aufwirft, ist es kaum bestreitbar, dass ohne Luftverkehr politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit international nur eingeschränkt stattfinden könnte. Während der Corona-Krise hat denn auch der Bund die Systemrelevanz des Luftverkehrs festgehalten und Garantien gesprochen. Über 25 000 Arbeitsplätze stehen in direktem Zusammenhang mit dem Flughafen Zürich, ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf andere Branchen von Dienstleistenden und Zulieferern. Und endlich anerkennt die Branche auch die Bedeutung der Ökologie. So haben sich Flughafenbetreiber, aber auch die Swiss klare Klimaziele gesetzt.
Seit wann gibt es SEV-GATA?
GATA wurde im Jahr 2000 bei der Crossair in Basel gegründet, die 2001 nach dem Grounding der Swissair bei der Gründung der Swiss mithalf. So wurde GATA zu einem der wichtigsten Sozialpartner der neuen nationalen Airline. Glücklicherweise war GATA kurz zuvor, im März 2001, eine Kooperation mit dem SEV eingegangen und konnte so im Jahr 2002 den ersten GAV für das Bodenpersonal der Swiss mit Unterstützung des Profiapparates des SEV aushandeln. Im März 2004 haben sich die GATAMitglieder entschieden, mit gewissen Autonomie- und Mitwirkungsrechten Teil des SEV zu werden. Somit gehört der Luftverkehr schon seit über 20 Jahren zur 104-jährigen Geschichte des SEV. Mit der Integration von Push im Jahr 2017 in SEV-GATA hat sich unser Engagement im Luftverkehr nochmals deutlich ausgeweitet.
In welchen Firmen ist SEV-GATA heute präsent, mit welchen Herausforderungen?
Auf dem Platz Zürich sind unsere wichtigsten Vertragspartner Swiss und Swissport. Zudem organisieren wir Mitglieder bei Flughafen Zürich, Dnata, SR Technics, natürlich auf dem Flughafen Genf und bei unseren Vertragspartnern Engie und ISS in Genf. Obwohl sich die Swiss wirtschaftlich erholt hat, leiden ihre Mitarbeitenden noch heute unter den Folgen der unnötigen Massenentlassung während der Corona-Krise. Erste positive Korrekturen bei den Arbeitsbedingungen konnten erreicht werden, aber im Kampf gegen den akuten Personalmangel sind weitere Nachbesserungen zwingend. Die Swiss kann sich dies dank drastisch gewachsener Margen auch gut leisten, steht sie doch heute wirtschaftlich wieder erfolgreich da. Swissport dagegen kämpft mit dünnen Margen und schafft es trotz Rekrutierungsanstrengungen nur mässig, die Arbeitslast der Mitarbeitenden nachhaltig zu verringern. Die Belastung ist zu Spitzenzeiten kaum zumutbar. In der Luftfahrt sind Einsatzzeiten, Altersentlastung, Löhne und Zulagen brisante Themen und müssen dringend weiterentwickelt werden.
Wie stark ist SEV-GATA an den anderen Flughäfen?
Während wir auf dem Flughafen Basel-Mulhouse eher wenig Mitglieder haben, sind wir in Genf mit unseren Mitgliedern und verschiedenen Sozialpartnerschaften engagiert unterwegs.
Welche Zukunft wünschst du dir für die Luftfahrt in Zürich und allgemein?
Die Branche leidet unter fehlenden GAV. Während Swiss und Swissport prinzipiell zu Vertragspartnerschaften stehen, gibt es viele Airlines, Groundhandler und Temporäranbieter, die nichts von kollektiven Vereinbarungen wissen wollen. So hat der Arbeitgeberverband SASPA (Swiss Aviation Services Providers Association) eine Branchenlösung nach zwei «Begegnungsrunden» abgelehnt. Mit einer Resolution hat SEV-GATA Ende Juni 2023 verlangt, dass alle Unternehmen, die auf den Flughäfen Zürich und Genf Leistungen erbringen, mit den Gewerkschaften GAV abschliessen müssen, um von den Flughäfen eine Konzession zu erhalten (siehe SEV-Zeitung 9/2023). Dass dies für die ganze Branche von Vorteil wäre, wird vom Flughafen Zürich aber im Moment noch verkannt (siehe Box). Da müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten. Der ruinöse Wettbewerb schadet den Mitarbeitenden und den Firmen. Attraktive Arbeitsbedingungen sind auch nötig, damit die Branche wieder genug Leute motivieren kann, sich für das Zusammenkommen von Menschen über den ganzen Globus hinweg motiviert einzusetzen. Und erneuerbare Treibstoffe und andere Technologien müssen dazu beitragen, die Luftfahrt ökologischer zu machen.
Markus Fischer
Die Branche leidet unter fehlenden GAV
Kommentar von Philipp Hadorn, Präsident SEV-GATA und Gewerkschaftssekretär. Die Generalversammlung von SEV-GATA hat am 30. Juni die Resolution «Kollektive Arbeitsbedingungen auf den Flughäfen durchsetzen – jetzt!» verabschiedet und auch dem Flughafen Zürich zugestellt (siehe SEV-Zeitung 9/2023). Schon mehrmals haben wir in den vergangenen Jahren eine GAV-Pflicht für alle am Flughafen tätigen Unternehmen gefordert. Doch die Flughafen Zürich AG hat stets abgewinkt – anständig in der Sprache und im Umgang, aber in der Sache knallhart.
Keine Ausnahme jetzt: CEO und Personalchefin lassen in einem Schreiben ausrichten, ein GAV stelle aus ihrer Sicht «eine betriebsfremde Einflussnahme» dar und würde «die direkte Mitwirkung der Personalvertretung schwächen». Das lässt aufhorchen. Welches Verständnis von GAV hat die Flughafenleitung?
Kollektive Vereinbarungen haben in der Schweiz eine lange Tradition. Auch liberale Kreise vertraten die Idee, es sei besser, kollektive Lösungen auf Firmen- und Branchenebene in Sozialpartnerschaften zu regeln, als gesetzlich für alle gleich zu regulieren. Mit gesetzlichen Modalitäten zur Allgemeinverbindlichkeit von GAV sollen – nebst der Bekämpfung von Dumpinglöhnen und der Sicherung sozialer Standards – auch Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden, im Interesse der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden. Gewerkschaftsvertreter sind aber einzig den Interessen des Personals verpflichtet, und Verhandlungen müssen auf Augenhöhe erfolgen.
Unter diesen Vorzeichen sucht SEV-GATA das Gespräch mit dem Flughafen Zürich und hat dem neuen CEO bereits eine «Jubiläumseinladung» zukommen lassen.
Grosses Flughafenfest
Offiziell begann der Flugbetrieb in Kloten am
14. Juni 1948. Zu diesem 75. Geburtstag gibt es vom 1. bis 3. September ein Volksfest mit Aviatikausstellung, Flugsimulatoren, Vorführungen zum Flugbetrieb, Flugshows, Musik, Tanz, Kinderprogramm … – www.flughafenfest.ch. Noch bis 8. September beleuchtet im Airport Shopping eine Ausstellung die Geschichte und Zukunft des Airports. Digital aufbereitete Ge-schichte (D/E) unter https://www.flughafen-zuerich.ch/de/unternehmen/flughafen-zuerich/flughafen-entwicklung/flughafengeschichte