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Swiss-Bodenpersonal: Druck der Piloten genutzt

Auch dank dem Druck der Piloten (Bild vom 29. September 2022) war die Swiss am Lohnabschluss für das Bodenpersonal interessiert. Dies trug neben dem Personalmangel zum guten Resultat bei. © Aeropers.

SEV-GATA, die Luftabteilung unserer Gewerkschaft, hat für das Swiss-Bodenpersonal eine substanzielle Lohnsummenerhöhung von 4,3 Prozent per 1. Januar 2023 erreicht (siehe SEV-Zeitung 13/2022 vom 4. November). Nun haben die Sozialpartner noch vereinbart, wie die 3,3 Prozent für generelle und das Prozent für individuelle Erhöhungen verteilt werden sollen. Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär und Präsident von SEV-GATA, ordnet das Lohnresultat ein und nennt die nächsten Herausforderungen bei der Swiss.

Gemäss der Vereinbarung vom 7. November erhalten alle rund 1500 GAV-unterstellten Mitarbeitenden des Bodenpersonals eine generelle Lohnerhöhung von 2,5 Prozent, aber mindestens 200 Franken pro Monat (bei einem Vollpensum). Und alle Lohnbänder werden um 200 Franken pro Monat bzw. 2600 Franken pro Jahr angehoben, im Minimum und im Maximum. «Damit steigen die tiefen Löhne prozentual etwas stärker als die Höheren», erklärt Philipp Hadorn. «Das machen wir so, weil die Teuerung der Lebenshaltungskosten im Alltag für Lebensmittel, Heizen, Krankenkasse usw. für die unteren Einkommen stärker spürbar ist. Die Swiss hat den Personalorganisationen hier Gestaltungsraum gelassen und erhielt im Gegenzug bei den individuellen Erhöhungen Spielraum: Grundsätzlich bekommen Vorgesetzte die Information, wie viel dieses Prozent bei ihrem Team ausmacht, und können einen Verteilungsvorschlag machen. Danach werfen HR Consultants und das Compensation-Team noch einen Blick drauf, damit es nicht einseitige Bevorzugungen oder andere Probleme gibt. Wir erhalten im ersten Quartal 2023 ein Reporting über diese Geldflüsse und die Umsetzung der Lohnerhöhungen.»

Zusätzlich bekommt das Bodenpersonal mehrere Tausend Franken an sehr verschiedenen Einmalzahlungen, wie schon am 19. Oktober vereinbart: die Anteile vom 13. Monatslohn gemäss Krisen-GAV ausbezahlt im November 2022, weitere 1000 Franken/Vollzeitstelle (FTE) «Corona-Dankeschön-Prämie» ebenfalls im November 2022 – zusätzlich zu den im Mai ausbezahlten 1000 Franken/FTE ­ sowie eine variable Vergütung für das Jahr 2022 von mutmasslich 3200 Franken/FTE im März 2023. Zudem hat SEV-GATA erreicht, dass die Auszahlung der «Corona-Prämie» aus dem Krisen-GAV von 2500 Franken/FTE für alle jetzt Berechtigten in voller Höhe auf den Dezember 2022 vorgezogen wird.

Wie ist es zu diesem Lohnabschluss gekommen?

Philipp Hadorn: Bei der Swiss ist die letzte Lohnerhöhung per 1.1.2020 erfolgt und betrug 1,8 Prozent, was angesichts der damals fast inexistenten Teuerung auch in Ordnung war. In der Corona-Zeit danach hat es keine Erhöhungen gegeben, sondern einen Krisen-GAV und trotzdem eine Massenentlassung ab Mai 2021. Unsere Lohnforderung bestand aus drei Komponenten: einem Teuerungsausgleich, einer zusätzlichen Kaufkraftsicherung wegen dem besonders hohen Anstieg der Energiepreise und der Krankenkassenprämie (die ja im Landesindex der Konsumentenpreise nicht abgebildet ist) und drittens einer generellen Lohnmassnahme von zusätzlichen 3 Prozent. Wir haben den Mut gehabt, mit einem grossen Package in die Lohnverhandlungen zu gehen. Entsprechend lagen die Positionen zuerst weit auseinander und waren mehrere Verhandlungsrunden nötig. Was uns zugutekam war der akute Personalmangel bei der Swiss, dass diese kurz vor einem Pilotenstreik stand und ein Interesse daran hatte, mit uns als Vertretung des Bodenpersonals einen Abschluss zu machen. Dieser war dann auch Vorlage für die Abschlüsse mit den anderen Kategorien.

Wie beurteilst du das Resultat?

Mit den 4,3 Prozent und den verschiedenen Einmalzahlungen von total rund 7700 Franken pro Kopf innerhalb von zwölf Monaten ist es für die Mitarbeitenden sehr gut und dürfte dieses Jahr einer der besten Lohnabschlüsse innerhalb und ausserhalb des SEV sein. Ein besonderer Erfolg ist die vorgezogene Auszahlung der 2500 Franken «Pay-back» aus dem Krisen-GAV, obwohl dieser nur kurz in Kraft war (vom 1. März bis 31. Dezember 2022), sodass die Swiss mehr auszahlen muss, als sie einsparen konnte. Ursprünglich war eine Auszahlung in Raten bis 2026 vorgesehen, womit Kolleg:innen, die die Swiss vorher verlassen, dann nichts mehr erhalten hätten. Einen schalen Nachgeschmack für uns hat die Dankeschön-Prämie, die die Swiss neben den übrigen Zahlungen gemäss GAV plötzlich einseitig erlassen hat. Das zeugt von einem patronalen Verständnis und wird eines der Themen sein am Seminar, das wir mit der Swiss noch dieses Jahr abhalten werden mit dem Ziel, eine Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe zu haben. Die Massenentlassung, die die Leitung durchgesetzt hat, obwohl das Personal bereit war, Opfer zu bringen, insbesondere auch mit dem Krisen-GAV, hat Spuren hinterlassen. Dass dies ein Fehler war, ist kaum zu bestreiten, weil die Swiss jetzt wirklich zu wenig Leute hat und händeringend am Rekrutieren ist. Aus unserer Sicht hat die Swiss bei der Massenentlassung sogar die rechtlichen Rahmenbedingungen missachtet. Solches darf nie mehr vorkommen. Die Klagen dazu sind nun beim zuständigen Bezirksgericht eingereicht.

Was sind die nächsten Herausforderungen für SEV-GATA bei der Swiss?

Für viele Mitarbeitende sind aktuell die Arbeitsbedingungen schwer verkraftbar. Einerseits sind es zu wenig Leute, da laufen auch Rekrutierungsbemühungen. Andererseits ist die Belastung bei der Schichtarbeit enorm. Wir sind am Suchen von Lösungen, um diese Belastung zu senken, etwa was die Nachtschicht-Zusatztage betrifft, die die Leute ein paarmal pro Jahr leisten sollen, was je nach Alter und Umfeld eine grosse Zumutung ist. Weiter ist die Entwicklung der Zulagen zu klären. Zum Beispiel der Pikett- oder der Nachtzuschlag sind seit mehreren Jahren auf gleichem Niveau verharrt, obwohl die Arbeitsintensität gestiegen ist mit dem Personalmangel und kaum Leute zu finden sind … Was die von der Swiss unter ihrem neuen CEO publik gemachten Bemühungen um eine nachhaltigere Produktion des Luftverkehrs zur Schonung des Klimas betrifft, hat SEV-GATA den Eindruck und erwartet, dass dies nicht nur ein Marketing-Element ist. Zudem hat der Organisationsgrad beim Luftverkehr weiterhin Luft nach oben, obwohl unsere Entwicklung trotz massivem Personalabbau positiv ist. Den Mitarbeitenden werden wir weiterhin aufzeigen, was wir für sie leisten. Gerade die Leute, die davon profitieren, ohne Mitglied zu sein, wollen wir vom Nutzen und der Notwendigkeit der Mitgliedschaft überzeugen.

Markus Fischer
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«Wo Swiss draufsteht, soll auch Swissness drin sein»

Inwiefern übt die Lufthansa Druck auf ihre Tochter Swiss aus, beispielsweise mit hohen Gewinnerwartungen?

Philipp Hadorn: Was die Verluste der Swiss in den letzten zwei Jahren betrifft, waren diese sicher gross, sind aber insgesamt unter den Gewinnen der vorhergehenden zwei Jahre geblieben. Dass man nach mehr als einem Jahrzehnt in der Gewinnzone mal zwei schlechte Jahre hat, sollte beim Konzern auf Verständnis stossen. Immer nur Gewinne abzuschöpfen und der Tochter in einer Krise keine A-fonds-perdu-Beiträge zu gewähren, wäre kein gerechtes Spiel. Die Swiss ist eine der erfolgreichsten Töchter des Konzerns und hat sich auch am schnellsten wieder erholt. Dazu beigetragen hat auch die Bundesgarantie für Darlehen von Geschäftsbanken, dank der die Swiss viel Geld gespart hat. Dennoch werden gewisse Interessen offensichtlich dem Konzern untergeordnet. Da haben wir Gewerkschaften ein grosses Anliegen, auch unter dem Aspekt der Arbeitsplatzsicherung: Dass weiterhin viele Direktflüge ab der Schweiz angeboten werden und der Flughafen Zürich ein Hub bleibt.

Zudem überprüft die Lufthansa gegenwärtig viele Leistungen darauf, wo im Konzern sie künftig hergestellt werden sollen. Sprich: Es werden ganze Einheiten aus Tochterunternehmen wie der Swiss herausgenommen und in Konstrukte überführt, die für den ganzen Konzern Leistungen erbringen. Dadurch droht die Swiss immer mehr Eigenständigkeit zu verlieren. Das führt beim Personal zu Verunsicherung.

Wir von SEV-GATA fordern natürlich, dass weiterhin möglichst viele Leistungen der Swiss oder auch für den ganzen Konzern in der Schweiz hergestellt werden. Denn wo Swiss draufsteht, soll auch Swissness drin sein.»