SBB-Werk Bellinzona: Nach der Absichtserklärung zählen nun die Taten
Officine Bellinzona: Von 400 Stellen verschwinden 170 bis 200
Die Officine ziehen 2026 an einen noch unbekannten Ort nördlich von Bellinzona um. Das steht in der Absichtserklärung von SBB, Kanton Tessin und Stadt Bellinzona vom 11. Dezember. Damit geht rund die Hälfte der heutigen Stellen verloren.
Auf einem Teil des heutigen Werkareals soll ein Technologie- und Innovationspark im Besitz von Kanton Tessin und Stadt Bellinzona entstehen, der mehrere hundert Arbeitsplätze umfassen soll. Das übrige Areal soll für Wohnungen, Dienstleistungsbetriebe, Büros und Läden genutzt werden.
Insgesamt sollen für Planung und Bau des neuen Werks rund 360 Millionen Franken investiert werden. 180 Mio. bringt die SBB auf. Davon sind 8 Millionen für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden und allfällige Frühpensionierungen vorgesehen. Der Kanton Tessin bezahlt 100 Mio. und die Stadt Bellinzona 20 Mio., wofür sie die rund 45'000 Quadratmeter des Areals erhalten. Der Bund steuert 60 Mio. bei.
Falls die SBB den Fahrzeugunterhalt im Tessin aufgeben oder das neue Werk innerhalb von 35 Jahren ab der Inbetriebnahme veräussern würde, hätte sie eine Konventionalstrafe von 60 Mio. zu bezahlen.
Im neuen Werk sieht die SBB vor allem den leichten und schweren Unterhalt an den neuen Fernverkehrszügen «Giruno» und an den «Flirt»-Regionalzügen von Tilo vor. Hinzu kommt der schwere Unterhalt an ETR 610. Zu den weiteren Aktivitäten gehören die Komponentenfertigung sowie Aufträge für Dritte. Dass die SBB den neuen Standort noch nicht nennen wollte, beschäftigt die Öffentlichkeit und die Bodenspekulanten besonders. Für das Personal und die Gewerkschaften stehen andere Probleme im Vordergrund.
Unsichere Übergangsphase und massiver Stellenabbau
Insbesondere gilt es die Übergangsphase bis 2026 zu meistern. Die 8 Mio. Franken für die Weiterbildung sind sicher ein positives Signal, vor allem für junge Mitarbeitende, die damit die Möglichkeit erhalten, ihre beruflichen Kompetenzen auf das künftig erforderliche Niveau zu bringen.
Unsicher bleibt das Arbeitsvolumen in den nächsten Jahren, denn zu den heutigen Hauptsparten Lok-, Güterwagen- und Drehgestellunterhalt äusserte sich die SBB nur sehr vage. Das Versprechen von CEO Andreas Meyer, dass es keine Entlassungen geben werde, beruhigt die Mitarbeitenden zwar, doch die Stellenzahl sinkt massiv, nämlich von heute 400 Stellen (zusammen mit den Serviceanlagen von Bellinzona und Biasca) auf noch 200 bis 230 Stellen. Die möglichen Frühpensionierungen sind dafür auch nur ein schwacher Trost. Der Gewerkschaft geht die Arbeit sicher nicht aus.
Pascal Fiscalini/Fi
«Volk soll über Initiative von 2008 abstimmen»
Letzten Samstag lud das Komitee «Hände weg von den Officine» zu einer öffentlichen Versammlung im SBB-Werk Bellinzona. Sie verabschiedete eine Resolution, die dazu aufruft, weiter Druck zu machen, damit die Volksinitiative von 2008 mit 15000 Unterschriften für die Schaffung eines Technologie- und Industrie-Pols im SBB- Werk Bellinzona nach fast zehn Jahren dem Volk endlich zur Abstimmung vorgelegt wird.
Diese Forderung der Initiative steht teilweise im Widerspruch zur Absichtserklärung, die die SBB, der Kanton Tessin und die Stadt Bellinzona am 11. Dezember unterzeichnet haben. Darin ist zwar das im September 2015 gestartete Kompetenzzentrum für nachhaltige Mobilität und Bahntechnik erwähnt, aber losgelöst vom neuen Werk, das für total 360 Mio. Franken bis 2026 nördlich von Bellinzona entstehen soll.
Die Absichtserklärung verteidigte an der Versammlung Mario Branda, Stadtpräsident von Bellinzona, und lobte den Streik von 2008. Er wurde trotzdem mit Protesten eingedeckt, unter denen er den Saal verliess. Zurück blieb die Sorge um die Zukunft der Stellen.
PF/Fi