Treffen zum Projekt «Léman Express», der grenzüberschreitenden S-Bahn zwischen Frankreich, Genf und Waadt
Die Mauer SBB/SNCF hat Risse
Am 16. Februar diskutierten Vertreter/innen der französischen und Schweizer Gewerkschaften, der SBB und der SNCF über das Projekt «Léman Express». Das Gespräch drehte sich vor allem um das künftige Betriebsmodell.
Zu den Gewerkschaften SEV und LPV Genf, CGT, VSLF und Sud Rail, die dieses Dossier seit Monaten genau verfolgen, gesellten sich beim Treffen die französischen Gewerkschaften CDFT und UNSA (Kader). Laurence Eymieu, Leiterin SNCF-Region Rhône-Alpes, und Barbara Remund, Leiterin Regionalverkehr SBB, stellten insbesondere den Zeitplan für die Umsetzung des Léman Express vor. Bis zur Inbetriebnahme des grenzüberschreitenden, 230km langen S-Bahn-Netzes müssen verschiedene Punkte geklärt werden, angefangen beim Betriebsmodell – siehe Grafik. Diese Frage ist brandaktuell, wollen die SBB und die SNCF dazu doch bis Ende August einen Entscheid treffen.
«Wir Gewerkschaften halten zusammen wie die Finger einer Hand», sagt Gewerkschaftssekretärin Valérie Solano, die beim SEV für das Dossier verantwortlich ist. «Wir wollen uns an der Ausarbeitung dieses Projekts beteiligen.»
SEV und LPV Genf, VSLF, CGT und Sud Rail haben im Februar den Behörden, die für den Léman Express zuständig sind, einen offenen Brief geschrieben, in dem sie betonen, dass «die Leitung dieses Projekts nicht nur eine Sache der Experten ist. Die Akteure der künftigen S-Bahn – Lok- und Zugpersonal, Unterhalts-, Verkaufs- und Sicherheitspersonal, Transportpolizei sowie die Auskunftspersonen – müssen heute schon bei der Ausarbeitung der Betriebsorganisation dabei sein».
Drei Modelle für den Betrieb
Was den Betrieb betrifft, werden drei Modelle geprüft: Einsatz des Personals der beiden Unternehmen nur auf eigenem Staatsgebiet (1); vollständige Interoperabilität für die SNCF- und SBB-Mitarbeitenden, die das ganze Netz befahren könnten (2); Betrieb durch eine gemeinsame Tochter von SBB und SNCF (3). «Für alle Gewerkschaften ist das Modell der Tochterunternehmung inakzeptabel», teilten LPV und VSLF ihren Mitgliedern nach dem Treffen mit. Sie erinnerten daran, «dass die Filialisierung leicht zu Stellenverschiebungen von der SBB zur Tochter Léman Express und zu deren Niederlassung in Frankreich führen könnte. Die Folgen wären ‹Stellenangebote› für die SBB-Mitarbeitenden in Frankreich und vor allem ein starker Druck auf die Löhne».
Die Gewerkschaften ziehen die vollständige Interoperabilität vor. «Die Lokführer sollen auf dem ganzen Léman-Express-Netz fahren, wobei die Kilometer der SBB-Angestellten durch gleich viele Kilometer der SNCF-Angestellten kompensiert werden. Denn wir wissen, dass grössere Abwechslung bei der Arbeit die Aufmerksamkeit und damit die Sicherheit erhöht. Wir wissen auch, dass bessere Perspektiven bezüglich Ausbildung (zwei Lizenzen) und Laufbahn bei den Kolleg/innen zu mehr Motivation und Engagement führen werden.»
Arbeitgeber uneins
Weitere Fragen sind noch offen, etwa zum Rollmaterialunterhalt. Der schwere Unterhalt dürfte im Unterhaltszentrum Genf erfolgen, der leichte Unterhalt der «Régiolis»-Flotte dagegen in Annemasse.
Die Sitzung vom 16. Februar zeigte Meinungsverschiedenheiten zwischen den Arbeitgebern auf. Während die SBB zustimmte, weitere Treffen mit den Gewerkschaften vorzusehen, akzeptierte die SNCF diese Idee nur halbherzig und widerstrebend. Was einmal mehr beweist, dass es zwischen den beiden Partnerunternehmen erhebliche Divergenzen gibt, etwa was das Vorgehen betrifft.
«Wir legen ganz besonderen Wert darauf, vor den Medien und somit vor der politischen Diskussion zu erfahren, welche Optionen unsere Arbeitgeber vorziehen und aus welchen Gründen», halten LPV und VSLF weiter fest. Denn so kann das Personal rechtzeitig andere Lösungen vorschlagen. «Deshalb werden wir – mit euch (Mitgliedern) – den Druck aufrechterhalten, um zu verhindern, dass wirvor vollendete Tatsachen gestellt werden.»
Vivian Bologna/Fi