Spitzentreffen der deutschsprachigen Bahngewerkschaften in Basel
Bahnsicherheit gemeinsam fördern
Die führenden Bahngewerkschaften Deutschlands, Österreichs, Luxemburgs und der Schweiz wollen gemeinsam vorgehen, um die Sicherheit im Schienenverkehr hoch zu halten und die Risiken der Bahnliberalisierung zu begrenzen.
Das schwere Güterzugsunglück im italienischen Viareggio, aber auch die Probleme der deutschen ICE und bei der S-Bahn Berlin zeigen, dass die sich die Bahnen verstärkt darum bemühen müssen, das Sicherheitsniveau zu halten und zu verbessern. Zwar ist die Bahn unbestritten das sicherste Verkehrsmittel; die Liberalisierung hat jedoch dazu geführt, dass in Europa sowohl bei der Beschaffung als auch beim Unterhalt des Materials wie auch bei der Ausbildung des Personals Verschlechterungen erfolgt sind, die Risiken mit sich bringen.
Die Gewerkschaften Transnet und GDBA aus Deutschland, vida aus Österreich, Landesverband FNCTTFEL aus Luxemburg und SEV aus der Schweiz haben bei ihrem Spitzentreffen in Basel vereinbart, dass sie gemeinsam Anstrengungen unternehmen, um die Bahnsicherheit zu fördern. Sie werden ihre Fachspezialisten zusammenführen, um die Erfahrungen aus den verschiedenen Ländern auszutauschen und das Vorgehen zu planen, um hohe Sicherheitsstandards festzulegen und durchzusetzen. Sicherheit im Bahnverkehr ist in Interesse aller – sowohl der Reisenden als auch des Bahnpersonals, aber auch der Allgemeinheit, die durch fahrlässigen Umgang mit Sicherheitsregeln in Gefahr gerät, wie dies der Unfall in Viareggio gezeigt hat.
Die fünf Gewerkschaften haben zudem die nachfolgende Erklärung gegen die Zulassung von so genannten Gigalinern, also Monster-LKW, verabschiedet.
Bahngewerkschaften bekämpfen Monster-LKW
Güter gehören auf die Schiene und nicht auf die Strasse. Dieser Grundsatz gilt ganz besonders bei grossen Gewichten über lange Distanzen. Die deutschsprachigen Bahngewerkschaften wehren sich gemeinsam gegen Pläne zur Zulassung von so genannten Gigalinern, LKW von über 25 Metern Länge und bis 60 Tonnen Gewicht.
Eine Bedrohung für die Umwelt
Die LKW-Lobby behauptet: Mehr Fracht pro LKW spart Fahrten und CO2 und entlastet deshalb die Umwelt. Fakt ist aber, dass Monstertrucks mehr Strassenverkehr und deshalb mehr Umweltbelastungen erzeugen. Denn Gigaliner werden dazu führen, dass Verkehr von der umweltfreundlichen Schiene auf die Strasse verlagert wird, mit allen negativen Folgen für die Menschen und die Umwelt. Millionen zusätzlicher LKW-Fahrten auf europäischen Strassen wären die Folge – eine klimapolitische Katastrophe.
Riesen-LKW zielen auf ein Wachstum des Strassengüterverkehrs ab – zu Lasten des energieeffizienteren und umweltfreundlicheren Güterverkehrs auf der Schiene, der pro transportierter Tonne fast viermal weniger CO2 als der LKW-Verkehr produziert. Monstertrucks eignen sich vor allem für lange Strecken. Gerade dort, auf langen Distanzen und mit grossen Mengen, hat aber der Bahnverkehr seine spezifischen Stärken. Bedroht wären vor allem der Einzelwagen-Güterverkehr und der kombinierte Verkehr auf Schiene und Strasse, die etwa 50 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene ausmachen. Allein beim so genannten Kombinierten Verkehr erwarten Gutachter, dass bis zu 55 Prozent des Schienenverkehrs auf die Strasse verlagert würden. Eine Horrorvision angesichts des Klimawandels.
Gigaliner kosten Arbeitsplätze
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders wichtig ist der Arbeitsplatzeffekt. Gigaliner werden dazu führen, dass Gütertransporte in grosssem Massstab von der Schiene auf die Strasse verlagert werden. Tausende von Arbeitsplätzen bei den Bahnen stehen auf dem Spiel. Denn der Verlust im kombinierten Ladungsverkehr und im Einzelwagenverkehr trifft die Güterbahnen im Herz ihrer hochwertigen und arbeitsintensiven Tätigkeit.
Die Verkehrsverlagerung von der Schiene auf die Strasse wird auch bei einer Zulassung von 25 Meter langen Gigalinern bei einem Gewicht von «nur» 40 bis 48 Tonnen eintreten, weil die meisten Transporte volumenkritisch und nicht gewichtskritisch sind.
Unfallrisiko und Zusatzbelastung für LKW-Fahrer
Gigaliner sind eine Gefahr für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer – das gilt auch und sogar in erster Linie für die LKW-Fahrer selbst. Schliesslich sitzen sie in vorderster Front und sind unmittelbar betroffen im Falle eines Unfalls, der bei den schwereren Fahrzeugen verheerende Folgen hat. Schlimmer noch dürfte sich im Arbeitsalltag der LKW-Fahrer die psychische Zusatzbelastung auswirken: Die Sicherheitsrisiken der überlangen und überschweren Fahrzeuge werden letztlich auf die Fahrer abgewälzt. Das höhere Unfallrisiko bedeutet für die Fahrzeugführer noch mehr Verantwortung und noch mehr Stress – eine unzumutbare Verschärfung der Arbeitsbedingungen. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders schmerzhaft ist das Fehlen von Halte- und Rastplätzen für die über 25 Meter langen Gigaliner. Dadurch wird es für die LKW-Fahrer noch schwieriger oder unmöglich, die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten.
Die Allgemeinheit zahlt…
Die Strassen in Europa sind weder für 60-Tonner noch für 25-Meter-Kolosse ausgestattet, weder Brücken, Tunnel und Leitplanken noch Parkplätze und Bahnübergänge. Kosten in Milliardenhöhe entstehen, um das Strassennetz für Monstertrucks auszubauen, und für Reparaturen, wenn Gigaliner den Verschleiss beschleunigen. Wer zahlt? Natürlich die Steuerzahler.
Wehret den Anfängen!
Aus allen diesen Gründen gibt es nur eine Haltung: Halt den Gigalinern! Die Versuche sind zu stoppen und provisorische Bewilligungen aufzuheben. Eine Zulassung von Monster-LKW auf den europäischen Strassen kommt nicht in Frage.
Alexander Kirchner, Vorsitzender Transnet, Deutschland
Peter Tröge, stv. Bundesvorsitzender GDBA, Deutschland
Wilhelm Haberzettl, stellvertretender Vorsitzender Gewerkschaft
vida, Österreich
Guy Greivelding, Präsident Landesverband FNCTTFEL, Luxemburg;
Präsident Sektion Eisenbahn ETF (Europäische Transportarbeiterföderation)
Giorgio Tuti, Präsident SEV, Schweiz