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Nach der Bahnliberalisierung folgte eine Reihe schwerer Unfälle

England – das Mass aller Undinge

Ende Juni musste England eine zuvor privatisierte Bahnlinie verstaatlichen, weil der Betreiber die Verluste nicht weiter tragen wollte. Das ist nur ein weiterer Punkt auf einer langen Liste negativer Liberalisierungsfolgen.

Das in mehreren Ländern im Bahn- und Busverkehr tätige Unternehmen National Express weigerte sich schlichtweg, die East-Coast-Bahnlinie weiterzubetreiben. Einziger Grund dafür: Statt Gewinnen brachte die Linie Verluste. Die Konzessionsgebühr von 1,4 Milliarden Pfund pro Jahr erwies sich als zu hoch. National Express selbst hatte aber bei der Versteigerung der Linie die Gebühr in diese Höhe getrieben. Nun übernimmt der Staat die Linie wieder selbst, kündigt aber bereits an, sie 2011 wieder zu privatisieren. Grossbritannien bleibt damit seiner Haltung treu, die es als Vorreiter der Bahnliberalisierung seit den 90er Jahren einnimmt.

In die gleiche Reihe passt die neuste Ankündigung, auch die Zubringerlinie von London zum Kanaltunnel verkaufen zu wollen, um einen Teil der Staatsschulden abzubauen.

Serie schwerer Unfälle

Dabei hat Grossbritannien die Folgen der Liberalisierung, insbesondere der Infrastruktur, äusserst schmerzhaft erlebt. Ab 1997 kam es zu mehreren schweren Unfällen, bei denen innert drei Jahren über 50 Personen starben und Hunderte verletzt wurden. Die Ursache der Unfälle lag eindeutig bei Folgen der Privatisierung: Der Unterhalt war nicht korrekt ausgeführt worden, automatische Sicherheitseinrichtungen in den Fahrzeugen nicht eingebaut oder ausser Betrieb, und das Personal war ungenügend ausgebildet.

«Ein Verbrechen»

Der britische Bahngewerkschafter Alex Gordon schrieb im August 2008 in der deutschen «taz» in einem Artikel zu den deutschen Bahnunfällen: «Eine Bahnprivatisierung auf der Grundlage der EU-Richtlinie 91/440, die eine Trennung von Fahrweg und Betrieb vorsieht und die in Grossbritannien erstmals zuerst umgesetzt wurde, stellt ein Verbrechen gegen das Eisenbahnwesen dar.»

Peter Moor