Frauenbildungstagung
Frauen haben 17 000 Franken weniger Rente
Die Bildungstagung der SEV-Frauen am 15. November ist gut besucht. Rund 110 Teilnehmerinnen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen sind im Hotel Bern in Bern zusammengekommen, um mehr über das Thema Altersvorsorge zu erfahren und ihre persönliche Situation besser einordnen zu können.
Die neue SEV-Gleichstellungsbeauftragte, Sibylle Lustenberger, eröffnet die Tagung unter dem vielsagenden Titel «Update zur Rentenreform und deren Auswirkungen auf mein Leben», und gibt sogleich SEV-Präsident Matthias Hartwich das Wort für seine Grussbotschaft. Er orientiert sich in seiner kurzen Rede an den vier Kernwerten Solidarität, Transparenz, Demokratie und Respekt, die im SEV gelebt werden sollen. Er betont, dass Gewerkschaft für ihn auch Vielfalt bedeutet, die bisweilen herausfordern kann.
Gleich im Anschluss erreicht die Bildungstagung mit dem Impulsreferat von Gabriela Medici einen ersten Höhepunkt. «Wir sind wohl alle ein bisschen müde, wenn es um Frauenrenten geht», beginnt die Expertin für Sozialversicherungen und Altersvorsorge des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes ihr Referat. Dann zeigt sie fundiert auf, wie die Rentenlücke der Frauen entsteht und wie sie behoben werden könnte.
Frauen in der Schweiz haben durchschnittlich ein Drittel oder 17 000 Franken weniger Rente pro Jahr als Männer. Als Hauptursache für diese Differenz führt die Juristin Medici die unbezahlte Sorgearbeit an, die nach wie vor mehrheitlich in Frauenhand liegt. «Eigentlich geht es hier weniger um Frau und Mann, sondern um Mutterschaft. Weil sich dann meistens die Biografie der Frau ändert», gibt die Expertin zu bedenken. Zwei Drittel der Arbeit, die Frauen heute leisten, sind unbezahlt und werden in der Beruflichen Vorsorge (BVG) nicht berücksichtigt. Die Hälfte der heutigen Rentnerinnen erhält denn auch nur eine AHV-Rente, denn die Pensionskasse setzt immer beim versicherten Lohn an. Bei denjenigen Frauen, die als nächstes in die Rente kommen werden, macht dieser Teil immer noch ein Drittel aus.
Heute hätten immerhin etwa 90 Prozent der Pensionskassen – darunter auch diejenige der SBB – Lösungen für Teilzeitangestellte, um eine Benachteiligung auszugleichen. Die grosse Rentenlücke konnte dadurch aber nicht gefüllt werden.
Dass es auch anders geht, zeige die AHV seit rund 30 Jahren. In der AHV sind alle gleichermassen versichert, niemand ist benachteiligt. Gerade, weil auch die unbezahlte Sorgearbeit zu Renten führt und bei verheirateten Paaren die Guthaben zwischen Mann und Frau aufgeteilt werden. Mit den Betreuungs- und Erziehungsgutschriften der AHV verringert sich die Rentenlücke. Es gibt eine starke Umverteilung: Jene, die viel verdienen, erhalten nicht mehr als jene, die wenig verdienen und Kinder grossziehen. Die Kolleginnen im Saal sind nun alle ganz still und hören aufmerksam den Ausführungen von Medici zu, die klarstellt, dass «wir eine Lösung brauchen für jene, die weniger arbeiten, weil sie Kinder grossziehen, sich um Angehörige kümmern, egal ob Mann oder Frau!» Ein Lösungsansatz wäre gemäss der Juristin, das System der AHV auch auf die Berufliche Vorsorge anzuwenden und unbezahlte Sorgearbeit zu berücksichtigen. Denn Kinder grosszuziehen ist kein Hobby, sondern bildet die Basis für die Altersvorsorge.
Nach dem aufschlussreichen Referat geht es gleich in die erste von zwei Workshoprunden, die mit fünf unterschiedlichen Themen aufwarten. So erhalten die Kolleginnen nun wichtige Inputs zu Themen wie «Was muss ich beachten bei Wohneigentum: Vor- und Nachteile», «Verliebt, verheiratet und glücklich bis am Ende? Über die finanzielle Konsequenz von Heirat oder faktischer Lebensgemeinschaft» oder «Was, wenn die Rente nicht reicht?». Mit neuen Erkenntnissen für ihr eigenes Alter verabschieden sich die Teilnehmerinnen in die Mittagspause, die viel Raum für Diskussionen lässt. Am Nachmittag geht es intensiv weiter mit dem zweiten Workshop und einer anschliessenden Podiumsdiskussion mit den fünf Workshop-Expertinnen.
Zum Abschluss der Tagung blickt Sibylle Lustenberger zurück auf ein Jahr mit viel Austausch, auch international. «Die SEV-Frauenkommission ist eine enorm engagierte Gruppe, die in diesem Jahr erfreulicherweise gewachsen ist», sagt die Gleichstellungsbeauftragte. Sie betont die Wichtigkeit der Mitgliedergewinnung, insbesondere auch bei Kolleginnen. 2025 wird ein intensives und spannendes Jahr mit dem SEV-Kongress im Juni, dem feministischen SGB-Kongress im November und der Jubiläumstagung zum 40-jährigen Bestehen der SEV-Frauenkommission. «Themen wie die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben sowie Gewalt und sexuelle Belästigung werden uns auch weiterhin beschäftigen», fasst Sibylle Lustenberger zusammen.
Chantal Fischer