Was die zwei SEV-Leute im Bundeshaus in der Sommersession bewegte.
ÖV-System Schweiz nicht leichtfertig gefährden
Im Ständerat kamen die Fernbusse zur Sprache. Und kurz vor der Session zogen an einem internationalen Treffen in Leipzig wichtige Akteure der Verkehrsbranche Lehren aus dem langen, folgenschweren Streckenunterbruch bei Rastatt im letzten Jahr.
Zur Zeit werden im Parlament die Weichen gestellt für die künftige Rolle der Fernbusse in unserem öV. Im Gegensatz zum Nationalrat will der Ständerat klare Spielregeln (siehe Text rechts). Nun kommt das Geschäft in die Differenzbereinigung. Am 3. Juli wird sich die Verkehrskommission des Nationalrats wieder damit befassen.
Ich erachte es als zentral, dass wir die zukünftigen gesetzlichen Vorgaben so festlegen, dass Investitionen im öffentlichen Regionalverkehr und der Service public gesichert sind. Unser bewährtes, flächendeckendes und weltweit vorbildliches öV-System darf nicht mit Dumpingpreisen auf dem Rücken des Personals leichtsinnig aufs Spiel gesetzt werden.
Störungen auf wichtigen Bahnstrecken besser bewältigen
Vor kurzem durfte ich als Präsidentin der Verkehrskommission Bundesrätin Doris Leuthard ans internationale Transportforum nach Leipzig begleiten. Es war eindrücklich, am bilateralen Gespräch mit dem deutschen Verkehrsminister Andreas Scheuer dabei zu sein.
Wir erinnern uns noch gut: Der rund siebenwöchige Streckenunterbruch der Rheintalbahn bei Rastatt vom Spätsommer 2017 führte zu einer massiven Behinderung des Bahnverkehrs zwischen Rotterdam und Genua. Da auf internationaler Ebene abgestimmte Massnahmen zur Bewältigung eines solchen Unterbruchs fehlten, konnte nur ein Teil der Züge über andere Routen in die Schweiz und nach Italien umgeleitet werden. Vielen Unternehmen entstanden durch die Zugsausfälle erhebliche Umsatzeinbussen und zusätzliche Kosten. Das Personal leistete einen immensen und flexiblen Einsatz mit vielen Überstunden, um den Schaden so weit wie möglich einzudämmen.
In der Folge waren sich alle einig, dass der Umgang mit solchen Störfällen grenzüberschreitend besser gelöst werden muss. Um diese Arbeiten zu unterstützen, luden Bundesrätin Doris Leuthard und ihr deutscher Amtskollege Andreas Scheuer am Rande des Internationalen Transportforums (ITF) in Leipzig die wichtigsten Akteure zu einem Treffen.
Die Minister unterstützen das neue Handbuch zum Störfallmanagement, das die EU mit den Bahninfrastrukturbetreibern des Korridors Rotterdam-Genua und mit RailNetEurope, dem europäischen Verband der Schieneninfrastruktur-Unternehmen, erarbeitet hat. Die Vertreter der Ministerien bekräftigten in einer gemeinsamen Erklärung zudem, dass sie bereit sind, gesetzgeberische Anpassungen vorzunehmen, die in ihrem Aufgabengebiet liegen, beispielsweise zur gegenseitigen Anerkennung der Sprachvorschriften für Lokführer und der Zulassungsverfahren. Sie vereinbarten ausserdem, bauliche Massnahmen entlang der Korridore und auf den Ausweichstrecken besser zu koordinieren.
An der Tagung wurde ich mehrmals auf unser vorbildliches öV-System in der Schweiz angesprochen. Der Unterbruch der Rheintalbahn hat gezeigt, dass unser System der integrierten Bahn schneller und flexibler ist als dasjenige ohne integrierte Bahn. Bei uns kann sofort gehandelt und an Lösungen gearbeitet werden, weil nicht zuerst die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geklärt und abgegrenzt werden müssen.
Edith Graf-Litscher, Gewerkschaftssekretärin SEV und Nationalrätin SP/TG
Wenn viel Geld zur Mangelware deklariert wird
Die Bundesfinanzen sind gesund und rechtfertigen keinen Abbau bei Sozialversicherungen und Service public.
Nerven brauchte das Anhören der Voten zur Rechnung 2017: Satte 2,8 Milliarden Franken Überschuss weist die Bundesrechnung 2017 aus. Ohne Rückstellungen für mögliche Rückforderungen der Verrechnungssteuer wäre gar ein Überschuss von 4,8 Mia. Franken entstanden.
Bei diesen Zahlen geltend zu machen, es sei an der Zeit, den Gürtel enger zu schnallen, ist fragwürdig. Natürlich ist es richtig und wichtig, dass mit jedem Bundesfranken effizient und sorgfältig gewirtschaftet werden muss. Zutreffend ist auch, dass wir einige Grossprojekte vor uns haben, die etwas kosten werden.
Tatsache ist aber, dass wir mit der Steuerreform17 eine weitere Einnahmenerosion riskieren. Auch mit einer ergänzenden AHV-Finanzierung gemäss «Vorschlag Ständerat» braucht es eine weitere Reform zur Altersvorsorge.
Die gesunde wirtschaftliche Situation in unserem Land mit guten Perspektiven muss zu einem Bekenntnis und zum Tatbeweis führen, dass anständige Renten, von denen jede und jeder im Alter leben kann,gesichert und die Sozialversicherungen nicht dauernd infrage gestellt werden. Dass auch der Service public gesichert wird, dass die Löhne regelmässig angepasst werden und dass Solidarität im In- und Ausland ins rechte Licht gerückt wird.
Neat-Projekte: Erfolg der Gemeinschaft
Bei der Präsentation des Berichtes der Neat-Aufsichtsdelegation (NAD), die ich gegenwärtig präsidiere, konnte ich im Nationalrat darlegen, wie sich der Mut zu Grossprojekten mit den drei Basistunnels lohnt: In der Schweiz sind wir in der Lage, ein Projekt für den öV mit einem Kostenrahmen von 24 Milliarden Franken über gut zwei Jahrzehnte zu planen und zu realisieren!
BAV: rote Karte
Das Fiasko um die Vergabe der Fernverkehrskonzessionen machte es klar: Das Bundesamt für Verkehr hat sich mit seinem Wettbewerbseifer ins Offside manövriert.
Mit Vorstössen im Rat und der Verkehrskommission verlange ich nun den «Schaden» zu berechnen und Weichen zu stellen, damit in Zukunft ein Fairplay gesichert wird. Damit wir auch in Zukunft einen Service public mit guten öV-Angeboten, passenden Investitionen und anständigen Jobs haben!
Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär SEV und Nationalrat SP/SO
Ständerat weist Fernbusse in die Schranken
Bei der Organisation der Bahninfrastruktur (Obi) geht es eigentlich um die Bahn, doch ein wichtiger Streitpunkt sind die neuen Fernbus-Angebote: Im Gegensatz zum Nationalrat fügte der Ständerat am 28. Mai eine Bestimmung in die Vorlage ein, die Rosinenpickerei auf Kosten des Regionalverkehrs verhindern soll: Fernbusse dürfen andere konzessionierte Angebote nicht wesentlich konkurrenzieren. Damit sollen auch Investitionen der öffentlichen Hand geschützt werden. Verkehrsministerin Doris Leuthard sprach von «Heimatschutz». Es habe in der Vergangenheit immer wieder neue Angebote gegeben. «Ein bisschen Konkurrenz tut auch dem öV gut.» Doch der Ständerat nahm den Antrag seiner Kommission mit 32 : 10 an.
Umstritten ist auch die Fahrplanung: Der Nationalrat will die SBB künftig von diesem Prozess ausschliessen. Laut Josef Dittli (FDP/UR), der den Verband der verladenden Wirtschaft präsidiert, geht es darum, Diskriminierung zu verhindern. Der Ständerat lehnte das aber ab. Ein funktionierendes Systems dürfe man nicht aufs Spiel setzen, sagte Kommissionspräsident Claude Janiak (SP/BL). Es gehe auch um Baustellenplanung, Extrazüge und andere Aufgaben, sagte Doris Leuthard.
Den folgenden Anträgen des Bundesrats stimmte der Ständerat wie der Nationalrat zu:
- Berichte über Audits, Betriebskontrollen und Inspektionen des Bundesamts für Verkehr sollen vom Öffentlichkeits- gesetz ausgenommen werden, ebenso alle Dokumente mit Angaben über die technische oder betriebliche Sicherheit.
- Passagiere werden künftig bei Verspätungen entschädigt.
- Die Trassenvergabestelle, die heute die grossen Normalspurbahnen und der VöV betreiben, wird zu einer unabhängigen Anstalt des Bundes.
- Die Schiedskommission für den Eisenbahnverkehr erhält den neuen Namen RailCom und mehr Kompetenzen.
sda / Fi