Treffen der «Diskussionsplattform» zur Zukunft der Officine
SBB-Werk Bellinzona am Scheideweg?
Die Anzeichen werden immer konkreter: Die SBB will im Tessin ein neues Werk für den Unterhalt von Reisezügen bauen. Auf den ersten Blick ist dieses Projekt attraktiv, doch genauer betrachtet hat es auch Haken.
Am Dienstag, 5. September, traf die Personalkommission der Officine, erweitert durch Vertreter der Gewerkschaften SEV, Unia und Transfair, die Entscheidungsträger der SBB, um über Ideen zu diskutieren, die das Unternehmen neulich präsentiert hatte.
Seit Jahren fordert die erweiterte Peko die Erhöhung des Auftragsvolumens für die Officine. Dass dies nötig ist, hat die SBB sogar selbst im Rahmen der Verträge von 2013 für die Realisierung des Kompetenzzentrums für Bahntechnik schriftlich festgehalten. In diese Richtung hatte die Peko diverse Vorschläge gemacht, darunter jenen, in den Officine die neuen «Giruno»-Züge von Stadler zu unterhalten, die ab 2019 nach und nach alle Fernverkehrsverbindungen durch den Gotthard-Basistunnel gewährleisten sollen.
Die SBB hat diesen Vorschlag immer wieder zurückgewiesen, weil in den Officine hohe Investitionen nötig seien und weil diese angeblich nicht dafür geeignet seien, komplette Züge aufzunehmen. Dieses Argument wurde jedoch letztes Jahr widerlegt, als eine einfache, praktische Prüfung zeigte, dass die Officine problemlos auch ganze Reisezugskompositionen wie zum Beispiel die Flirt aufnehmen können. Dennoch hielt die SBB daran fest, dass dies keine Option sei.
Eine völlig neue Ausgangslage
Doch jetzt hat die SBB ihr Konzept auf den Kopf gestellt und zeigt sogar Interesse daran, für die Instandhaltung aller Züge, die im Tessin und auf der Gotthard-Achse verkehren, ein völlig neues Werk zu bauen, und zwar «irgendwo im Raum Bellinzona», wie dieser Tage ein Mediensprecher der SBB präzisierte. Diese Idee stösst beim Personal auf grosses Interesse, da diese Aufträge einen wichtigen Mehrwert und langfristig konstante Aufträge sichern könnten.
Bisherige Aktivitäten nicht integrieren?
Das SBB-Projekt hat aber auch Nachteile. Insbesondere sollen langjährige Aktivitäten der Officine nicht ins neue Werk integriert, sondern durch die neuen Aktivitäten ersetzt werden. Betroffen sind neben dem Unterhalt an den alten Stufenschalter-Loks auch alle Aktivitäten rund um die Güterwagen und um die Lokomotiven der neuen Generationen sowie die Aufarbeitung von Drehgestellen. Werden sie aufgegeben, würden viele Arbeitsplätze verloren gehen.
Projektgrundlage überprüfen
Die erweiterte Peko forderte die SBB an der Sitzung mit Nachdruck auf, zu prüfen, ob sie die bisherigen Aktivitäten ins neue Werk integrieren kann, statt sie langfristig aufzugeben. Moderator Franz Steinegger unterstützte diese Forderung. Nach Meinung der Personalvertretung haben die bisherigen Aktivitäten auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung, zumal sie für den regionalen Arbeitsmarkt wichtig sind und einen ansehnlichen Beitrag an die Finanzierung der Werkinfrastruktur leisten. Zudem könnten sie zweifellos durch eine Neukonzeption wettbewerbsfähiger gemacht werden, so etwa mit der Drehgestell-Aufarbeitung, die nach wie vor private Auftraggeber anzieht.
Ein weiteres Treffen im Oktober
Die Parteien haben ein weiteres Treffen Mitte Oktober vereinbart, um die Diskussion weiterzuverfolgen. Bei diesem Treffen wird auch die Tessiner Regierung dabei sein.
Pietro Gianolli/kt