ZPV-Regionalversammlung Mitte vom 16. November in Airolo protestiert gegen Railfit 20/30
Abbau gefährdet Sicherheit und Qualität
Die Zugbegleiter/innen der Gottharddepots Chiasso, Bellinzona, Erstfeld und Luzern warnen vor dem Stellenabbau mit Railfit 20/30, der auch die Gotthard-Bergstrecke trifft: Hier wird ab dem 11. Dezember die Zugbegleitung gestrichen, was den Kundenservice und die Sicherheit verschlechtert. Das Zugpersonal erklärt sich solidarisch mit allen SBB-Berufskategorien, die vom Stellenabbau betroffen sind und ist bereit zu gemeinsamen gewerkschaftlichen Aktionen.
Die vom Unterverband ZPV und dem SEV organisierte Versammlung in Airolo warnt vor dem Sparprogramm Railfit 20/30, mit dem die SBB bekanntlich 1400 Stellen abbauen und 1,2 Milliarden Franken sparen will.
«Im Tessin arbeitet das Zugpersonal seit Jahren im Unterbestand», rief Gewerkschaftssekretär Angelo Stroppini in Erinnerung. «Auch die ständigen Verspätungen und die Mängel des Rollmaterials haben die Geduld des Personals auf eine harte Probe gestellt. Trotzdem hat es immer sehr professionell gearbeitet.»
Umso weniger kann das Zugpersonal verstehen, dass die SBB trotz aller Warnungen von SEV und Kundenorganisationen ab der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am 11. Dezember auf der Bergstrecke die Zugbegleitung streichen will – obwohl die Linie mit ihren Kehrtunneln und dem 15km langen Scheiteltunnel über 130 Jahre alt ist und von vielen Tourist/innen benutzt wird. «Auf dem Spiel stehen Sicherheit und Kundenservice!», hielten an der Tagung mehrere Redner fest. «Das Zugpersonal ist für die Reisenden eine Sicherheitsgarantie, denn es ist für Notfälle ausgebildet und kann ihnen etwa bei einem Brand in einem Tunnel sofort beistehen», führte Angelo Stroppini aus. «Auch hat die SBB bis zum Auslaufen ihrer Konzession auf der Bergstrecke Ende 2017 Fernverkehr zu betreiben, und Fernverkehrszüge müssen – anders als Regionalzüge – begleitet sein.»
Den in anderen Unternehmensbereichen geplanten Stellenabbau lehnt das Zugpersonal ebenfalls ab, denn auch dort werden die Qualität und die Sicherheit des Betriebs und der Kundenservice leiden. Zum Beispiel beim Verkauf, denn viele ältere Menschen kommen mit den Automaten und digitalen Kanälen noch nicht zurecht und fühlen sich in Bahnhöfen und Zügen ohne Personal verunsichert. «Personal braucht es auch weiterhin für systematische, genaue Kontrollen der Güterzüge, die unser Land mit oft gefährlicher Ladung durchqueren», betonte Angelo Stroppini. «Hier kann Stellenabbau fatal sein.»
Das Zugpersonal wird sich an den kommenden Versammlungen und Aktionen des SEV gegen das Sparprogramm Railfit 20/30 aktiv beteiligen.
frg/Fi
Zugpersonal unter Druck
«Solange gewisse Führungspersonen, die unseren beruflichen Alltag kaum kennen, ihre Kreativität mit immer neuen Anordnungen ausleben und die Personalführung vernachlässigen, bleiben die Probleme bestehen», sagte in Airolo Marco Belloli, Präsident des ZPV Ticino. «Wenn übereilt ein neues Informatiksystem eingeführt wird (siehe Artikel zu Sopre), das uns mit seinen vielen Problemen das Leben schwer macht, zeugt das von mangelnder Wertschätzung des Personals. Niemand weiss, was noch alles auf uns zukommt. Sicher ist, dass sich der SEV auch 2017 weiterhin entschieden dagegen wehren muss, dass wir im Abbauspiel wie Figuren behandelt werden. Dieses Spiel betrifft nicht nur unsere Arbeit, sondern unser ganzes Leben.»
ZPV-Zentralpräsident Andreas Menet zählte auf, was dem Zugpersonal neben Sopre sonst Sorgen bereitet: Die Streichung der Zugbegleitung auf immer mehr Strecken, Versuche zur Verschlechterung der berufsspezifischen Arbeitszeitregelungen (BAR) und gewisse Entwicklungen des Berufsbildes sowie die Digitalisierung. Thomas Walther, Präsident der Peko Fläche Verkehrsmanagement, bestätigte, dass die Probleme und Herausforderungen gross sind. Für die ZPV-Sektion Luzern sind diese so gross, dass sie in Airolo SEV-Präsident Giorgio Tuti eine Resolution übergab, die eine d rekte SEV-Intervention verlangt.
Dampfwalze Liberalisierung
Der steigende Druck auf das Zugpersonal hat mit dem generellen Kostendruck bei der SBB zu tun, der seinerseits mit der Liberalisierung des Bahnverkehrs seit den 1990er-Jahren zusammenhängt. «Liberalisierung heisst, dass Bahnmärkte für verschiedene Operateure geöffnet werden», sagte Giorgio Tuti. «Liberalisierung heisst kurz gesagt Wettbewerb zwischen Unternehmungen über die Arbeits- und Anstellungsbedingungen.» Es entsteht Druck. Tuti hielt weiter fest, dass die neoliberale Ideologie der Liberalisierung auch das Bundesamt für Verkehr erfasst hat, wie dessen öV-Strategie 2030 zeigt. «Niemand schaut zurück, was diese Wahl Europa bisher wirklich gebracht hat. Die Preise sind nicht gesunken, doch die Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert. Märkte dürfen nicht dem Wettbewerb ausgesetzt werden ohne Rahmen-GAV. Darauf werden wir weiterhin entschieden pochen.»
frg/Fi