Breites Bündnis gegen die Lohndiskriminierung
«Jetzt braucht es Druck auf Bundesrat und Parlament»
Regula Bühlmann ist seit Anfang Jahr im Zentralsekretariat des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) in Bern als Nachfolgerin von Zentralsekretärin Christina Werder für den Bereich Gleichstellung verantwortlich. Sie organisiert für den SGB und mit dessen Mitgliedorganisationen (wie dem SEV), weiteren Gewerkschaften und Frauenverbänden die Kundgebung «Lohngleichheit jetzt!» vom 7. März.
kontakt.sev: Kaum beim SGB, organisierst du schon eine nationale Demo. Wie läuft die Mobilisierung?
Regula Bühlmann: Sie läuft sehr gut. Wir erhalten ständig Anfragen von Organisationen, die auch dabei sein und mitmobilisieren wollen. Wohl auch deshalb, weil das Organisationskomitee sehr breit abgestützt ist: von ganz links bis in die bürgerlichen Parteien. So haben wir keinen rein linken Stallgeruch, der manche abschrecken könnte. Die Projektleitung ist beim SGB, doch die Webseite und das Budget macht die «Alliance F», der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen. Wir sind eine grosse Gruppe von Frauen und auch Männern, die die Demo organisieren.
Warum diese Demo, und warum gerade am 7. März?
Einerseits tragen wir Frauen im Umfeld des Internationalen Frauentags vom 8. März unsere Anliegen jedes Jahr auf die Strasse. Andererseits lässt der Bundesrat zurzeit einen Gesetzesentwurf mit verpflichtenden Massnahmen gegen die Lohnungleichheit ausarbeiten. Denn trotz Diskriminierungsverbot in Verfassung und Gleichstellungsgesetz verdienen Frauen weiterhin etwa einen Fünftel weniger als Männer, und die Lohnungleichheit hat sogar wieder zugenommen (siehe Kästen). Nun hat auch der Bundesrat gemerkt, dass man da mit freiwilligen Massnahmen nicht weiterkommt. Und deshalb ist es jetzt wichtig, dass viele Frauen und auch Männer gegen die Lohndiskriminierung der Frauen auf die Strasse gehen und dass ein breites Bündnis Druck macht auf Bundesrat und Parlament.
Hinzu kommt die Rentenreform «Altersvorsorge 2020»: Der Bundesrat sieht in der Botschaft ans Parlament vor, das Frauenrentenalter auf 65 Jahre zu erhöhen …
Dies ist am 7. März ebenfalls ein Thema, es hängt ja mit der Lohnungleichheit zusammen. Doch Hauptthema bleibt die Lohngleichheit, darauf konzentriert sich das breite Bündnis an dieser Kundgebung.
Warum sollen die Frauen nicht gleich lang arbeiten müssen wie die Männer? Das wäre doch auch Gleichstellung?
Solange wir die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht erreicht haben, ist diese Ungleichheit gerechtfertigt. Beispielsweise führt die Lohnungleichheit ja auch zu tieferen Renten für die Frauen. Deshalb findet der SGB, es kann nicht sein, dass die Frauen auch noch ein Jahr länger arbeiten müssen, bis sie ihre tiefere Rente erhalten. Frauen leisten zudem den grössten Teil der Gratisarbeit im Haushalt, bei der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen. Natürlich wollen wir die ganze Gleichstellung: Frauen verdienen gleich viel wie die Männer, Männer und Frauen leisten gleich viel unbezahlte Arbeit, Macht und Ressourcen sind auf beide gleich verteilt usw. Wenn das gegeben ist, kann man auch sagen: sie sollen gleich lang arbeiten. Aber davon sind wir heute noch weit entfernt. Deshalb wehren wir uns dagegen, dass man Gleichstellung nur dort umsetzt, wo sich die Männer
benachteiligt fühlen – wobei diese eben im Schnitt auch höhere Renten haben als die Frauen. Zudem gibt es ja schon heute viele ältere Frauen und Männer, die Mühe haben, wieder ins Arbeitsleben einzusteigen, wenn sie ihre Stelle verlieren. Ein höheres Rentenalter würde vor allem zu einer Kostenumverteilung führen von der AHV zur Arbeitslosenversicherung, zur IV und Sozialhilfe.
Gut vier Fünftel der SEV-Mitglieder sind Männer: Warum sollen auch sie an die Demo kommen?
Die Lohnungleichheit ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Ungleichgewichts, unter dem meiner Ansicht nach auch viele Männer leiden. Wenn ein junges Paar eine Familie gründen will und überlegt, wie es die Kinderbetreuung organisieren soll, gibt oft der tiefere Lohn der Frau den Ausschlag dafür, dass sie das Pensum reduziert oder ganz die Rolle der Familienfrau übernimmt, während er in die Rolle des Familienernährers gedrängt wird – ganz einfach, weil ihre Lohneinbusse weniger ins Gewicht fällt. Das führt dazu, dass viele Männer nicht Teilzeit arbeiten können, obwohl sie dies eigentlich gerne würden, und nicht den Kontakt zu den Kindern haben, den sie sich wünschen. So ist dann auch schon vorgespurt, dass im Fall einer Trennung oder Scheidung die Frau die Obhut der Kinder bekommt. Bei gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit wären die Paare viel freier bei der Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit. Lohngleichheit führt also zu mehr Wahl- und Chancengleichheit auch für die Männer und Väter. Ausserdem steht dem ganzen Haushalt mehr Geld zur Verfügung, wenn die Frauen beim Lohn nicht diskriminiert werden.
Was sagst du einer Kollegin, die nicht besonders Lust hat, an diesem Samstag nach Bern zu fahren, weil sie an den Wochenenden und sonst schon genug arbeitet und sich lieber Zeit nähme für sich und
ihre Nächsten?
Es lohnt sich, an diesem Samstag Druck zu machen für griffige Massnahmen gegen die Lohnungleichheit. Jetzt ist der richtige Moment dafür, es ist eine einmalige Chance. Die Demo wird eine friedliche und spannende Sache für die ganze Familie. Am besten bringen also alle ihre Nächsten gleich mit.
Werden Frauen in der Arbeitswelt auch sonst diskriminiert?
Frauen werden nicht nur beim Lohn benachteiligt: Sie werden auch zu anderen Bedingungen angestellt als Männer, stossen wegen ihres Geschlechts auf Karrierehindernisse oder haben weniger Weiterbildungsmöglichkeiten. Dies ist gar nicht immer Absicht: Oft stecken auch unterschiedliche Erwartungen an Frauen und Männer und Rollenstereotypen der Vorgesetzten dahinter. Diese müssen wir endlich beseitigen – auf allen Stufen.
Interview: Markus Fischer
Lohndiskriminierung kostet Frauen jährlich 7,7 Milliarden Franken
Die neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zum Lohnunterschied zwischen Mann und Frau stammen aus der Lohnstrukturerhebung 2012: Im Jahr 2012 betrug der Medianlohn der Männer 6553 Franken und jener der Frauen 5317 Franken; somit haben die Frauen durchschnittlich 18,9% weniger verdient als die Männer. Im Jahr 2010 hatte der Lohnunterschied noch 18,4% betragen: Er hat also wieder zugenommen, nachdem er in den Vorjahren laufend gesunken war.
Lohnungleichheit nicht objektiv erklärbar
Anhand der Lohnstrukturerhebung 2010 hat Laurent Donzé von der Universität Freiburg im Auftrag des BFS 2013 untersucht, wie weit die Lohndifferenz zwischen Mann und Frau durch Unter-schiede bei Ausbildung, Alter, Dienstalter, Tätigkeitsbereich usw. objektiv erklärbar ist und wie weit die Differenz allein durch das Geschlecht bedingt und somit diskriminierend ist. Im öffentlichen Dienst kam Donzé auf einen diskriminierenden Anteil am Lohnunterschied von durchschnittlich 21,6% und in der Privatwirtschaft auf 37,6% im Schnitt aller Branchen. Aufgrund dieser Studie teilte das Eid. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) am 1. Mai 2013 mit, dass die Lohndiskriminierung alle Frauen jährlich 7,7 Milliarden Franken kostet, und die Frauen in der Privatwirtschaft durchschnittlich 677 Franken pro Monat. Fi