Neues SBB-Lohnsystem Toco
Auffällig viele Lohngarantien bei der Division Infrastruktur
Rund 29 Prozent der Mitarbeitenden von SBB und SBB Cargo haben aufgrund der neuen Funktionsbewertung Toco eine Lohngarantie. Somit ist die ausgehandelte Limite von 30 Prozent eingehalten worden. Daneben gibt es weitere Garantien, die schon vor Toco bestanden haben. Klärungsbedarf gibt es aber zu den auffällig vielen Funktionsabwertungen bei der Division Infrastruktur.
Ende Mai erhielten alle SBB-Mitarbeitenden das sogenannte Verständigungsschreiben zugestellt. Dieses informierte sie darüber, in welches Anforderungsniveau (AN) sie per E 1. Juli überführt werden und ob der so genannte Überführungsbetrag bei ihnen innerhalb oder ausserhalb des neuen Lohnspektrums des AN liegt. Dieses Spektrum reicht vom Basiswert (100 Prozent) bis zum Höchstwert (145 Prozent). Innerhalb dieses Spektrums erfolgt der Lohnaufstieg aufgrund zunehmender Erfahrung und Leistung – eine Phase der Lohnentwicklung, die viele ältere SBBMitarbeitende bereits hinter sich haben.
Lohngarantie kann auf ältere Garantien zurückzuführen sein
Der Überführungsbetrag setzt sich zusammen aus dem bisherigen Lohn, einer allfälligen Ortszulage-Garantie (die 2007 als Ersatz für die damals abgeschaffte Ortszulage gewährt wurde und nach dem Auslaufen des GAV 2007 ab dem Jahr 2011 eigentlich schrittweise abgebaut werden sollte) sowie allfälligen weiteren bestehenden unbefristeten Garantien. Der SEV hat bei der Aushandlung des neuen Lohnsystems erreicht, dass die ursprünglich befristete Ortszulage-Garantie nicht abgebaut, sondern in den Lohn eingebaut wird. Dies ist als gewerkschaftlicher Erfolg zu werten, führt aber andererseits auch zu zusätzlichen Garantien.
Bei fehlenden Dokumenten vorsorgliche Eingabe machen
Noch zwei Wochen bis zur Eingabefrist beim neuen Lohnsystem: Der SEV ruft zum Handeln auf! Wer bis heute keine zufriedenstellenden Unterlagen erhalten hat, soll vorsorglich eine Eingabe machen, und wer Beratung braucht, soll sich bis zum 2. September beim SEV melden.
Jetzt beginnt die Endphase der Frist. Bis zum 15. September muss jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter von SBB und SBB Cargo etwas unternehmen: .
- Entweder das Verständigungsschreiben unterschrieben zurückschicken und so seine neue Einstufung ins Lohnsystem akzeptieren,
- oder aber eine begründete Eingabe an die SBB richten, weshalb er oder sie
nicht einverstanden ist. Dabei gibt es zwei Varianten:
Fall A:
Unterlagen vorhanden, aber nicht damit einverstanden: Wer die nötigen Unterlagen hat, aber damit nicht einverstanden ist, soll eine persönliche begründete Eingabe machen. Bei Bedarf hilft der SEV dabei. Wer Beratung braucht und bisher nicht eingeholt hat, wird aufgefordert, sich bis 2. September beim SEV zu melden. Nur so haben die Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre genügend Zeit, sich vor Ablauf der Frist mit dem Einzelfall auseinanderzusetzen. Anlaufstellen sind das Zentralsekretariat in Bern oder die Regionalsekretariate in Zürich, St. Gallen, Chur, Lausanne und Bellinzona.
Fall B:
Unterlagen nicht genügend vorhanden: Seit Beginn der Umsetzung kritisiert der SEV, dass die SBB vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die erforderlichen Unterlagen nicht oder nicht korrekt zur Verfügung stellt. Nun wird die Zeit knapp: Wer bis heute keine ausreichenden Unterlagen hat, wird vom SEV aufgefordert, eine vorsorgliche Eingabe bei der SBB zu machen und das Verständigungsschreiben nicht zu unterzeichnen. Musterbrief siehe Links oben rechts.
Als Antwort auf die begründete Eingabe erlässt die SBB eine Verfügung, die innert 30 Tagen per Rekurs angefochten werden kann. SBB Cargo setzt eine neue Unterschriftsfrist, danach folgt allenfalls eine Änderungskündigung.
Was passiert, wenn man bis 15. September nicht reagiert? Der/die Mitarbeiter/in erhält eine Mahnung. Wer darauf nicht reagiert, erhält von der SBB AG eine Verfügung bzw. von SBB Cargo eine Änderungskündigung.
Zentralsekretariat SEV
Wenn der Überführungsbetrag über dem Höchstwert des jeweiligen AN liegt, erhält der/die Betroffene trotzdem nicht nur den Höchstwert ausbezahlt, sondern den Überführungsbetrag. Die Differenz wird als «Garantie 2011» bezeichnet. So wird allen der bisherige Lohn garantiert. Niemand hat nach dem Lohnsystemwechsel weniger Geld im Portemonnaie.
Zudem bleiben Mitarbeitende mit Garantie 2011 nicht etwa wie bisher auf ihrem «Besitzstand» sitzen, sondern erhalten künftig ausgehandelte allgemeine Lohnerhöhungen immerhin zur Hälfte angerechnet. Und sie kommen bei guten Leistungen auch in den Genuss von Einmalprämien.
Allerdings muss erwähnt werden, dass für Mitarbeitende mit Lohngarantie die Lohnentwicklung gebremst ist, weil sie allgemeine Lohnerhöhungen künftig eben nur zur Hälfte erhalten. So wird die Lohngarantie bei jeder Anpassung der Lohnkurve nach oben kleiner.
Anzahl Lohngarantien insgesamt im ausgehandelten Rahmen
Bei den GAV-Verhandlungen hat der SEV mit der SBB vereinbart, dass der Anteil der Mitarbeitenden mit Lohngarantien aufgrund des neuen Lohnsystems Toco insgesamt unter 30 Prozent liegen muss. In dieser Prozentzahl nicht enthalten sind die Garantiefälle, die auf die Ortszulage- Garantie und weitere frühere Garantien zurückzuführen sind.
Nach dem Versand der Verständigungsschreiben zeigten Rückmeldungen von Mitgliedern schon bald, dass sich die Garantiefälle in gewissen Bereichen häufen. Um den Gründen dafür nachzugehen und zu überprüfen, ob die vereinbarte 30-Prozent-Limite eingehalten wird, forderte der SEV von der SBB genaues Zahlenmaterial zu den Lohngarantien aufgeschlüsselt nach Geschäftsbereichen und Berufen.
Die Auswertung der Zahlen hat ergeben, dass die 30- Prozent-Limite für die Garantien 2011 ohne die früheren Garantien eingehalten worden ist. 29 Prozent der Mitarbeitenden haben eine Garantie 2011 aufgrund der neuen Funktionsbewertung Toco. Zusätzliche 7,2 Prozent haben eine Lohngarantie, weil bei ihnen die Ortszulage-Garantie in den Lohn eingebaut wurde. (Hätte man das nicht erreicht, wäre der Lohn real gesunken.) Hinzu kommen rund 11 Prozent an Lohngarantien aufgrund weiterer bestehender Garantien.
Aufgefallen ist dem SEV allerdings, dass sich die Garantien 2011 in gewissen Berufsgruppen vor allem bei der Division Infrastruktur ausserordentlich häufen. Warum dies so ist, will der SEV von der SBB beantwortet haben, zumal viele dieser Garantien auf die tiefere Einreihung von Funktionen zurückzuführen sind.
Besonders viele Tiefereinreihungen bei der Infrastruktur
Im Wissen, dass die nachfolgende Logik nicht in jedem Fall 1:1 zutreffen muss, zeigt sie trotzdem auf, wie sich die durch die SBB erfolgten Zuordnungen auf den Wert der Arbeit auswirken: Niveaugleiche Überführung heisst:
FS 1 = AN A
FS 2/3 = AN B
FS 4/5 = AN C
usw.
Ausgehend von dieser Logik hat der SEV festgestellt, dass über 28 Prozent der Mitarbeitenden der Division Infrastruktur einem tieferen Anforderungsniveau zugeordnet wurden.
58,3 Prozent wurden «niveaugleich» überführt. Und bei 13,2 Prozent ist das AN höher. Die Berechnung dieser Zahlen erfolgte ohne Lokführer/innen, da diese bekanntlich eine spezielle Lohnkurve haben.
Betrachtet man die Mitarbeitenden von SBB und SBB Cargo insgesamt, so sind 22,3 Prozent einem tieferen AN zugeordnet worden, als es der FS entsprochen hätte. 58,7 Prozent wurden niveaugleich überführt, und 19,0 Prozent haben ein höheres AN erhalten.
Für den SEV ist somit klar, dass mit der Division Infrastruktur überprüft werden muss, wie bei ihr die überdurchschnittlich vielen tieferen Zuordnungen zustande gekommen sind.
Besonders auffallend ist der sehr hohe Anteil tieferer Zuordnungen bei Infrastruktur- Mitarbeitenden der Funktionsstufen 14 (627 von 962 Mitarbeitenden = 65,2 Prozent), 16 (255 von 437 Mitarbeitenden = 58,4 Prozent) und 12 (258 von 480 Mitarbeitenden = 53,8 Prozent). Hier gibt es ganze Berufskategorien, die «abgewertet » wurden.
Viele Betroffene haben sich beim SEV gemeldet und mit seiner Unterstützung per Eingabe eine Korrektur ihrer Zuordnung beantragt.
Sammeleingaben
Wo ganze Kategorien betroffen sind, werden die Eingaben vom SEV zu Sammeleingaben zusammengelegt mit dem Ziel, ihre Behandlung zu vereinfachen. So sollen die Zuordnungen ganzer Kategorien gemeinsam mit der SBB überprüft werden. Wo Fehler passiert sind, verlangt der SEV, dass diese korrigiert werden – egal ob im Einzelfall oder für ganze Kategorien!
Fi