| Aktuell / SEV Zeitung

Auf den Spuren von ...

Mathieu Gavin, Infra-Lokführer und Ausbildner

Mathieu Gavin vor einem der diversen Triebfahrzeuge, die er fährt, einem Tm 234-4 für den Gleisbau.

Der 30-jährige Mathieu Gavin liebt die Abwechslung, die seine Arbeit im Führerstand, die logistische Organisation und die Verantwortung auf den Baustellen bieten. Als Ausbildner gibt er dieses Wissen gerne weiter. Als Delegierter der GAV-Konferenz kämpft er für die Anerkennung und faire Bezahlung seines Berufes, denn ein Infrastruktur-Lokführer muss viele Kompetenzen mitbringen.

Am Bahnhof Yverdon erkenne ich Mathieu Gavin auf dem Bahnsteig sofort an seinem Overall und dem orangefarbenen Helm. Seine letzte Aufgabe des Tages ist es, eines der Infra-Fahrzeuge zu betanken, die er selbst fährt. Der nagelneue Bautraktor Tm 234-4 hat einen Dieselmotor und zwei Achsen. Er benutzt ihn für kleine Arbeiten, wie z. B. Schienenwechsel. Mathieu führt mich herum und erklärt mir, wie eine solche Maschine gesteuert wird. Als Inhaber einer B100-Lizenz fährt er verschiedene, auf 100 km/h begrenzte Maschinen wie die Am und auch schwerere Maschinen, die für das Auswechseln von Schotter, Schwellen und Schienen eingesetzt werden. Er ist zu 40 % Infra-Lokführer und bildet zu 60 % Fahrschüler/innen aus.

Für ihn gibt es nichts Abwechslungsreicheres als diesen Beruf, den er seit neun Jahren ausübt. Mal macht er zwei Stunden nichts ausser Fahren, mal nutzt er nachts die Wartezeit auf einer Baustelle zum Erledigen von IT-Aufgaben und Verwaltungsarbeit. Manchmal steigt er aus und hilft draussen mit. Gelegentlich kommt er als Begleiter, Schutz- bzw. Sicherheitsbeauftragter oder als Leiter kleiner Baustellen zum Einsatz. «Wir sind Bahnlogistiker», resümiert er. «Die Arbeit besteht aus einem logistischen und organisatorischen Teil und aus Fahren. Das sind die beiden Seiten meines Jobs. Wir liefern das Material, wir organisieren die Papiere oder koordinieren Sendungen am Computer, darin besteht der planerische Aspekt. Das ist das Besondere, das ich an unserem Beruf interessant finde. Zum Beispiel muss ich morgen nach Moudon, und es ist an mir, daran zu denken, dass das nicht einfach wird, weil die Strecke eingleisig ist.» Nachts wird gebaut, also fährt er am Tag hin, und das wird immer komplizierter, denn tagsüber gibt es kaum freie Trassen.

Ein Jobwechsel kommt für Mathieu nicht in Frage. Die Vorteile? «Wenn wir mit unserer Nachtarbeit früher fertig werden, können wir uns schon auf den nächsten Tag vorbereiten. Es gibt nicht immer einen bestimmten Zeitplan. Diese Flexibilität erfordert einen gewissen Einfallsreichtum, oft muss ich alleine Lösungen finden.» Diese grosse Verantwortung verdient seiner Meinung nach mehr Anerkennung durch die SBB. Daher war er auch zu diesem Portrait bereit. «Es ist wichtig, dass wir über diesen Job sprechen, denn hinter den eindrücklichen Maschinen steckt viel Geschick in Planung und Logistik, wir kennen die Gleise. All das ist nicht immer genügend bekannt. Ich bin immer wieder überrascht vom Einfallsreichtum meiner Kollegen. Die Züge fahren Tag und Nacht, aber was alles dahintersteckt, damit alles funktioniert … Teil dieses Räderwerks zu sein gefällt mir.»

In den letzten Monaten habe der Lokpersonalmangel zurecht viel Aufmerksamkeit gefunden, doch es sei an der Zeit, die Probleme bei Infra etwas mehr in den Vordergrund zu rücken und die Kompetenzen der Mitarbeitenden anzuerkennen. «Das bedeutet: Gleicher Lohn wie ein Personenverkehrslokführer, der einen doppelt so schnellen Lohnaufstieg hat. Gleiche Arbeit, gleicher Lohn, gleiche Lohnklasse. Wir müssen die gleichen Anforderungen erfüllen, und dazu kommt noch der ganze logistische Teil.»

Mathieus Lebenslauf erklärt zweifellos seine Eignung für diesen Beruf, in dem stets Unvorhergesehenes passiert. Durch die Scheidung seiner Eltern, die beide bei der Post arbeiteten, musste er oft umziehen, «eine gute Lebensschule in Anpassungsfähigkeit». Verankert ist er vor allem in Morrens (VD), wo er seine frühe Kindheit verbrachte und seit zwei Jahren mit seiner Partnerin lebt, die er im Iran kennengelernt hat. Auch in Yverdon, wo er die Schule besucht hat, und im Wallis fühlt er sich heimisch. Ursprünglich war Informatik seine Leidenschaft, doch als er lange keinen Ausbildungsplatz fand, schlug ihm eine Berufsberaterin eine Logistikerlehre vor, die er nach einigen Praktika bei Login begann. Dort entdeckte er bei Cargo das Rangieren und Fahren von Zügen, bevor zu Infra kam.

Zum SEV kam er zuerst vor allem wegen dem Rechtsschutz für jeden Zugunfall: «Das sprachmich an!» In der Gewerkschaft aktiv zu sein ist ihm wichtig. «Deshalb bin ich GAV-Delegierter geworden. Ich möchte selbst Teil der Sache sein, bevor ich andere kritisiere.» Natürlich ist er ein wenig enttäuscht, dass er für seine Kolleg/innen nicht so viel erreichen konnte wie erhofft.

Um Kraft zu tanken, reist Mathieu gerne mit dem Zug durch Europa, joggt, fährt Mountainbike und hört viel Musik. Seine neueste Entdeckung: Altin Gün, der westlichen Rock mit traditioneller türkischer Musik verbindet. Er interessiert sich für Geopolitik und liest viel Zeitung. Um andere ausbilden zu können, muss man selbst neugierig und lernwillig sein – beides Qualitäten, die Mathieu nicht fehlen!

Yves Sancey / Übersetzung: Karin Taglang
Enable JavaScript to view protected content.

Kommentare

  • Turin Michel

    Turin Michel 15/07/2021 14:40:14

    Un sacré bon garçon, qui est un exemple de cette jeunesse qui se mobilise pour un monde du travail plus juste. Je le remercie pour son engagement.