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Medizinische Fahrunfähigkeit

Der Führerausweisentzug einer Busfahrerin gefährdet deren Anstellung. Bis sie ihren Ausweis wieder erhält, geht ziemlich viel Zeit ins Land.

Eine Busfahrerin, nennen wir sie Ruth, wandte sich mit einem Gesuch um Berufsrechtsschutz an den SEV und teilte mit, dass sie während des Dienstes aus gesundheitlichen Gründen mit dem Linienbus einen Verkehrsunfall verursacht habe, bei dem sie und ein Fahrgast leicht verletzt worden seien. Die Polizei habe ihr den Führerausweis sofort abgenommen und nun sei ihre berufliche Zukunft und ihre Existenz bedroht. Da in solchen Situationen tatsächlich die berufliche Zukunft, sprich die Anstellung, gefährdet sein kann, übergab das SEV-Rechtsschutzteam das Dossier sofort einem seiner Vertrauensanwälte.

Ruth drohten zwei Verfahren: einerseits ein Strafverfahren wegen Verursachen des Unfalls und andererseits ein Administrativverfahren um den Führerausweis.

Antrag um eine Fristverlängerung

Der Anwalt kontaktierte den Hausarzt von Ruth und das Spital, in welchem sie nach dem Unfall untersucht worden war und verlangte die Zustellung der relevanten Akten. Zudem beantragte er beim Strassenverkehrsamt eine Fristverlängerung für das Einreichen der Stellungnahme zu den beabsichtigten Massnahmen. Zwischenzeitlich musste der Anwalt den Hausarzt noch an die für seine Patientin wichtige, ausstehende Beurteilung erinnern.

Zwei Monate später …

Nachdem der Anwalt über alle notwendigen Informationen verfügte, stellte er beim Strassenverkehrsamt zwei Anträge: Erstens sei Ruth der Führerausweis sofort wieder auszuhändigen, und zweitens sei auf die verkehrsmedizinische Abklärung zu verzichten.

Der Anwalt begründete seine Anträge damit, dass wohl ein akutes gesundheitliches Problem zum Unfall geführt hatte, jedoch keine Erkrankung vorliege, welche die Fahrtauglichkeit von Ruth grundsätzlich infrage stelle. Insbesondere habe sich der Verdacht auf Epilepsie und eine Herzerkrankung als falsch erwiesen.

Der Anwalt stützte seine Beurteilung auf die ausführlichen Berichte der verschiedenen Fachärzte, welche Ruth nach dem Unfall gründlich untersucht hatten.

Noch zwei Monate später …

Das Strassenverkehrsamt liess in der Folge die Arztund Spitalberichte durch das Institut für Rechtsmedizin einer Uni-Klinik begutachten. Es handelte sich dabei um ein sogenanntes «Aktengutachten», d. h. Ruth selbst wurde nicht nochmals untersucht. Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass nicht mit genügender Sicherheit festgestellt werden könne, es habe nur ein einmaliges Ereignis vorgelegen, und schlug weitere verkehrsmedizinische Untersuchungen vor. Der Anwalt machte von der Möglichkeit Gebrauch, sich nochmals zu äussern.

In seiner Eingabe verlangte er beim Strassenverkehrsamt erneut die sofortige Rückgabe des Führerausweises und den Verzicht auf die verkehrsmedizinische Abklärung; falls an letzterer festgehalten werde, sei diese ohne weitere Verzögerung vorzunehmen. Der Anwalt wies unter anderem darauf hin, dass im Aktengutachten keine ernsthaften Bedenken zur Fahrtauglichkeit von Ruth geäussert worden seien.

Vorerst kein Erfolg

Beinahe fünf Monate nach dem Unfall teilte das Strassenverkehrsamt dem Anwalt mit, dass an der verkehrsmedizinischen Untersuchung festgehalten werde.

Über die allfällige Aushändigung des Führerausweises, werde erst entschieden, wenn das Gutachten und der rechtskräftige Strafentscheid vorlägen.

Weitere drei Monate später …

Das Strassenverkehrsamt stellte dem Anwalt das inzwischen vorliegende Gutachten der verkehrsmedizinischen Untersuchung zur Stellungnahme zu. Gleichzeitig wurde dem Anwalt mitgeteilt, dass im Gutachten die Fahrtauglichkeit von Ruth ohne Auflagen bestätigt wurde und ihr deshalb der Führerausweis wieder ausgehändigt werde.

Im an sich für Ruth positiven Gutachten entdeckte der Anwalt jedoch ein neues Problem: Der Gutachter warf Ruth vor, sie hätte sich am Unfalltag in einem fahrunfähigen Zustand befunden und deshalb den Dienst nicht antreten dürfen bzw. diesen abbrechen müssen. Der Anwalt verlangte umgehend die sofortige Rückgabe des Führerausweises und wies die neue Anschuldigung in aller Form zurück. Auf den Tag genau acht Monate nach dem Unfall verfügte das Strassenverkehrsamt die Rückgabe des Führerausweises.

Und noch einmal einen Monat später …

Der Anwalt erhielt nun Post von der Staatsanwaltschaft. In Form einer «Nichtanhandnahmeverfügung » teilte diese mit, dass, gestützt auf die Untersuchungsakten der Polizei und der Rechtsmediziner, «die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen Ruth wegen Lenkens eines Motorfahrzeuges in fahrunfähigem Zustand infolge fehlender objektiver und subjektiver Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben sind.»

Ende gut, alles gut

Rund einen Monat später meldete sich nochmals das Strassenverkehrsamt beim Anwalt. Es teilte ihm mit, dass unter Berücksichtigung des Entscheides der Staatsanwaltschaft das Administrativverfahren (für den Führerausweisentzug) eingestellt werde. Erfreulicherweise hielt die Busunternehmung die ganze Zeit zu ihrer langjährigen, gut qualifizierten Mitarbeiterin. Nachdem sich Ruth von den Unfallfolgen erholt hatte, wurde sie während der Monate ohne Führerausweis mit anderen Aufgaben betraut. Für Ruth kehrte somit rund zehn Monate nach dem Unfall und nach acht Monaten ohne Führerausweis wieder der Alltag ein. Gesundheitliche Probleme traten nicht mehr auf.

Rechtsschutzteam SEV