Eine fristlose Kündigung ist eine Massnahme, die nur in Ausnahmefällen zulässig ist.
Nichts geht ohne ein Vertrauensverhältnis
Die fristlose Kündigung gibt es im öffentlichen Arbeitsrecht nur als «ultima ratio».
Ein Arbeitsverhältnis endet in der Regel ordentlich, d. h. mit der Pensionierung, durch Ablauf (bei befristetem Arbeitsverhältnis) oder mit einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitnehmer bzw. durch den Arbeitgeber.
Es gibt aber Situationen, die derart gelagert sind, dass das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses einer der am Arbeitsvertrag beteiligten Parteien vernünftigerweise nicht mehr zumutbar ist. Die Vertragsparteien müssen des- halb grundsätzlich die Möglichkeit haben, das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Da aber die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die kündigende Partei einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Gegenpartei darstellt, ist sie nur unter strengen Voraussetzungen zulässig und darf nur als letztmögliches Mittel (ultima ratio) ausgesprochen werden.
Besonders schwerwiegendes Fehlverhalten
Liegt ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis vor (etwa auf Grundlage des GAV SBB), so setzt die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ein besonders schweres Fehlverhalten des Arbeitnehmers voraus. Dieses muss einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Anderseits wird vorausgesetzt, dass es tatsächlich zu einer entsprechenden Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens führte.
Ob ein Fehlverhalten genügend schwer wiegt, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, kann nicht abschliessend definiert werden, sondern ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Der wichtige Grund, der Anlass zur fristlosen Kündigung gibt, muss aber allemal schwerer wiegen als ein ordentlicher Kündigungsgrund und liegt regelmässig in der massiven Verletzung vertraglicher Pflich-
ten. Ein ausreichender fristloser Kündigungsgrund sieht das Bundesgericht etwa regelmässig in Straftaten gegen Mitarbeiter oder den Arbeitgeber, sofern es sich nicht um ein Bagatelldelikt handelt, etwa bei mehrmaliger sexueller Belästigung von anderen Mitarbeitenden oder bei der Äusserung schwerwiegender Drohungen oder Beleidigungen gegenüber dem Vorgesetzten. Soweit sich ein Verhalten nicht direkt auf die Arbeitsleistung des betroffenen Arbeitnehmers (oder allenfalls anderer Angestellter) auswirkt, ist die geforderte objektive Schwere nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen.
Verhältnismässigkeit
Sowohl der privat- wie der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberin kommt bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Sie muss aber den Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachten: Es ist diejenige Massnahme zu wählen, die angemessen ist bzw. genügt. Die fristlose Kündigung ist die strengste Massnahme, die eine Arbeitgeberin aussprechen kann, weshalb sie nur in Ausnahmefällen als letztes Mittel und damit restriktiv anzuwenden ist. Kann die Arbeitgeberin einen drohenden Schaden ebenso effektiv mit einem milderen Mittel – etwa mit einer ordentlichen Kündigung oder mit einer Abmahnung – abwenden oder einen vertragswidrigen Zustand beenden, so ist die fristlose Kündigung unverhältnismässig und deshalb unzulässig. Die Frage, ob eine fristlose Kündigung verhältnismässig ist, muss die Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beantworten. Dabei ist insbesondere die Stellung und Verantwortung des betroffenen Arbeitnehmers, die Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie alle anderen Gegebenheiten wie Natur und Dauer des Vertragsverhältnisses zu prüfen. Grundsätzlich gilt: Je höher die Verantwortung der betroffenen Stelle, desto eher rechtfertigt sich gegebenenfalls die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Je länger aber ein bestimmtes Arbeitsverhältnis dauert, umso gewichtiger muss die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers wiegen, damit die Massnahme der fristlosen Kündigung als verhältnismässig erachtet werden kann.
Zeitliche Nähe
Liegt ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers vor, infolgedessen eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist und die sofortige Beendigung als unabdingbar und angemessen erscheint, so muss die Mitteilung der fristlosen Kündigung der betroffenen Partei in einer bestimmten zeitlichen Nähe zur Pflichtverletzung erfolgen. Beim zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis hat die fristlose Entlassung «sofort» ausgesprochen zu werden (i. d. R. zwei bis drei Arbeitstage). Demgegenüber darf beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis «sofort» gemäss höchstrichter-licher Rechtsprechung aufgrund der Eigenheit des Verwaltungsverfahrens (Bindung des Arbeitgebers an die Grundrechte und die Verwaltungsrechtsprinzipien) etwas länger dauern; je nach den Umständen des Einzelfalls zwischen vier bis fünf Arbeitstage. Lässt sich aber die Arbeitgeberin mit der Mitteilung der fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ungebührlich lange Zeit, so ist davon auszugehen, dass ihr das Einhalten der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist.
Gewährung des rechtlichen Gehörs
Die öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin hat bei der Mitteilung der fristlosen Kündigung gegebenenfalls gesetzliche oder durch einen GAV vorgesehene Formvorschriften zu beachten. Die Mitteilung ist schriftlich unter Angabe des wichtigen Grundes und in Form einer Verfügung einzureichen. Hervorzuheben ist zudem das Recht des Arbeitnehmers, sich vor Erlass der Verfügung zur Absicht der Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis fristlos aufzulösen, zu äussern.
Unterstützung
Bei drohender Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist es wichtig, keine unüberlegten Handlungen vorzunehmen und insbesondere nicht voreilig eine vermeintlich vorteilhafte «Austrittsvereinbarung» zu unterschreiben, sondern sich umgehend an das SEV-Rechtsschutzteam zu wenden. Wir unterstützen dich in dieser schwierigen Situation mit Rat und Tat.
Rechtsschutzteam SEV