SBB Cargo: Nein zum Abbau von Personal und Verkehr
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Unter dem Titel «Personalplanung SBB Cargo» hat die SBB-Gütertochter am 3. Dezember die Verhandlungsgemeinschaft von SEV, Transfair, VSLF und KVöV (VG) über den geplanten Abbau von rund einem Fünftel des Personals bis 2030 informiert. Nun fordert die VG die Sistierung des Stellenabbaus und der ganzen Reorganisation «G-enesis». «Denn damit würden die Weichen falsch gestellt», unterstreicht der zuständige SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn.
Der Personalabbau ist nur eine der Massnahmen von «G-enesis», mit denen das Unternehmen seine Kosten um 60 Mio. Franken pro Jahr senken will, um sein derzeitiges strukturelles Defizit zu beseitigen und seine Reinvestitionsfähigkeit wieder herzustellen. Weil in den letzten Monaten durch eine Konjunkturschwäche Verkehre weggefallen sind, will SBB Cargo bereits dieses Jahr 80 Vollzeitstellen abbauen.
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Weiter will SBB Cargo das Netz des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) «optimieren» durch eine Reduktion der Anzahl Bedienpunkte, flexiblere Bedienzeitfenster, bessere Lokumläufe und grössere Transportmengen. Das alte Rollmaterial soll durch zeitgemässere, unterhaltsarme Fahrzeuge weniger Typen und in geringerer Zahl ersetzt werden. Automatisierung und Digitalisierung sollen weitere Effizienzgewinne bringen.
Zweitens will SBB Cargo dank höherer Preise jährlich rund 50 Mio. Franken mehr einnehmen. Dabei sind Abgänge von Kunden bereits einkalkuliert. SBB Cargo rechnet damit, dass durch die Preiserhöhungen und die Reduktion des EWLV-Netzes bis zu 15% des Transportvolumens an die Strasse verloren gehen.
Drittens hofft SBB Cargo auf Beiträge des Bundes, die das revidierte Gütertransportgesetz vorsieht, welches der Ständerat im September bereits gutgeheissen hat und das im März in den Nationalrat kommt. Jedoch sind diese Beiträge befristet.
Eigenwirtschaftlichkeit ist unrealistisch
Die VG beantragte ein Konsultationsverfahren und nahm am 10. Januar Stellung zur Reorganisation. In ihrem Brief kritisiert sie vor allem das unrealistische Ziel der Eigenwirtschaftlichkeit. «Die SBB Cargo AG hat seit ihrer Gründung im Jahr 1999 mit zahlreichen Reorganisationen immer wieder Eigenwirtschaftlichkeit angestrebt, aber nie erreicht», erklärt Philipp Hadorn, der beim SEV für das Dossier Cargo verantwortlich ist. «Der Grund dafür ist, dass der Güterverkehr auf der Strasse seine Kosten nur eingeschränkt tragen muss und deshalb einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Bahn geniesst.»
Bei den Reorganisationen führte der sukzessive Abbau des EWLV-Netzes dazu, dass der Anteil von SBB Cargo am Gesamtvolumen des Güterverkehrs in der Schweiz laufend schrumpfte. Die geplante weitere Reduktion des EWLV-Netzes sieht der SEV darum sehr kritisch, ebenso den Abbau von Personal und Rollmaterial. «Zwar unterstützt und anerkennt der SEV die Anstrengungen seitens SBB und SBB Cargo, vom Bund zusätzliche Mittel für den Schienengüterverkehr zu bekommen, doch ist die Befristung der Subventionierung falsch, weil der EWLV eben nie eigenwirtschaftlich funktionieren kann», führt Hadorn aus. Darum sind für den SEV unbefristete Subventionen nötig – und auch mehrheitsfähig. Denn auch die Schweiz muss Klimaziele erreichen, und dazu leistet der klimaschonende Güterverkehr auf der Schiene einen wertvollen Beitrag.
Personalabbau nicht zielführend, sondern schädlich
Wie mit dem Ziel der Eigenwirtschaftlichkeit schiesst SBB Cargo auch beim Personalabbau über ein nachvollziehbares Ziel hinaus. Die VG hält in ihrer Stellungnahme fest, dass die Personalbestände schon heute ausgedünnt sind, sodass die geplanten Stellenaufhebungen oder Nichtbesetzungen offener Stellen rasch zu Personalengpässen führen dürften. «Schon heute gibt es Anzeichen, dass Mitarbeitende unter der aktuellen Arbeitslast sehr leiden, was zu Risiken und zusätzlichen Ausfällen führt», unterstreicht Hadorn. Zu befürchten ist zudem ein Knowhow-Verlust, der das Unternehmen später teuer zu stehen käme, wie schon bei früheren Reorganisationen. Auch im Hinblick auf die laufende Digitalisierung und Automatisierung ist vor einem voreiligen Personalabbau zu warnen, bevor sich die neuen Arbeitsprozesse und Techniken nachweislich als praxistauglich erwiesen haben.
Projekt «G-enesis» muss sistiert werden
«Die vorgeschlagenen Abbaumassnahmen sind nicht einmal kurzfristig zielführend – geschweige denn für einen Ausbau des Bahnanteils am Gütertransport in der Schweiz. Darum braucht es eine Sistierung sämtlicher Restrukturierungsmassnahmen und der Umsetzung von ‹G-enesis›», fasst Philipp Hadorn zusammen. Und ergänzt: «Die aktuelle konjunkturelle Schwäche muss und kann mit anderen Mitteln abgefedert werden.» Die Stellungnahme der VG gipfelt in der Warnung: «Bei einer Umsetzung der vorgesehenen Transformation sind wir nicht in der Lage, die erwartbare und existenzgefährdende korrosive Energie in der Belegschaft zu reduzieren und die Umsetzungsmassnahmen zu unterstützen.»
SBB Cargo antwortete am 15. Januar, am eingeschlagenen Weg festhalten zu wollen, erklärte sich aber bereit, «insbesondere die Fläche der Produktion noch einmal näher zu betrachten» und den Zeitplan zu verlängern, um mit der VG deren Fragen zu klären. Weiter will SBB Cargo «in allen Bereichen die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung in Betracht ziehen» und «den Stellenabbau selbstverständlich sozialverträglich gestalten. Dabei suchen wir auch den Austausch innerhalb der SBB oder mit Partnerbahnen.»
Siehe auch Edito unten.
Markus Fischer
Güterverkehr: Es gibt eine Vision!
Editorial von Philipp Hadorn,
Gewerkschaftssekretär SEV, Leiter Team Cargo
Der Güterverkehr ist volatil. Gute Stimmung bei Konsumierenden und Investierenden lässt Ware rollen – auf Strasse und Schiene. Aktuell erleben wir eine kurzzeitige Flaute. Prognosen für die kommenden zwei Jahrzehnte gehen aber von rund 40 % Wachstum aus. Seit Langem fordert der SEV, den Anteil auf der Schiene zu vergrössern – mit Blick auf Klima, Verkehr und Beschäftigung.
Seit jeher schreibt SBB Cargo Defizite. Bereits früher als vollintegrierter Teil der SBB, in gut 20 Jahren zunehmender Verselbständigung und auch in der aktuellen Phase der faktischen Reintegration in den Konzern. Verschiedene Konzepte wurden erprobt, Reorganisationen reihten sich unvollendet aneinander, Experimente mit privaten Partnern in der Eignerschaft scheiterten. Drei Konstanten sind geblieben: Mengenreduktion, Personalabbau und Defizite.
Es ist kaum zu bestreiten: Güterverkehr auf der Schiene ist ein Willensakt, und die Bevölkerung der Schweiz wünscht sich im Binnenverkehr das Gleiche, was sie an der Urne mit der Alpen-Initiative deutlich zum Ausdruck brachte: eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene. Es ist auch offensichtlich: Die Unternehmen, die Transportaufträge vergeben, und ihre Kundschaft sind nicht bereit, Transportkosten vollständig zu tragen. Gütertransport wird auf der Strasse günstiger als auf der Schiene verrechnet. Die Wahl liegt auf der Hand. Darum ist der Schienengüterverkehr im Sinkflug, ausser im Transitverkehr dank staatlicher Verlagerungsmassnahmen.
SBB Cargo plant mit G-enesis den reaktiven Weg fortzuführen: Prozesse verschlanken, Angebote und Rollmaterial reduzieren und harmonisieren, Verkehr verlieren, Personal abbauen – wegen Konjunkturflaute bereits rund 80 Vollzeitstellen im laufenden Jahr, insgesamt rund ein Fünftel bis 2030 … Und immer mit der realitätsfremden Hoffnung, einmal die Eigenwirtschaftlichkeit zu erreichen.
Der SEV aber plant Teilhabe von SBB Cargo: am Wachstum, am technischen Fortschritt, am Knowhow, an Personalentwicklung und -aufbau, an der Lösung zur Erreichung der Klimaziele durch eine ultimative Verlagerung.
Nun gilt es zu entscheiden, ob auch in Zukunft Kahlschläge nach dem realitätsfremden Prinzip Hoffnung umgesetzt werden, oder ob vereint dafür gekämpft wird, dass ein gut organisierter Schienengüterverkehr als Teil des Service public in Zukunft seine unbestrittene Systemrelevanz fair finanziert unter Beweis stellen kann.
Diese plausible Vision gilt es nun sichtbar zu machen – und daran zu erinnern, dass dank unserem GAV niemand um seinen verdienten Lohn fürchten muss.
Kommentare
Müller Thomas 19/02/2025 17:51:35
Ich unterstütze den obigen Artikel zur Darlegung und Begründungen zur umgehenden Sistierung des Projektes von SBB-Cargo "G-enesis".
Das was hier erneut abgeht ist eine "Bankrot-Erklärung" zum Einzelwagenladungsverkehr und weiterer Demontage des Schienengüterverkehrs (entschuldigt bitte - ich weiss es klingt etwas hart - aber Politiker der Strassenlobby und Firmenchefs des Strassentransportgewerbes sind noch viel härter ...!).
Ich kann mir nicht erklären warum, die Leitung von SBB Cargo wiederum nicht selber aktiv wird via Konzern SBB und BAV zur Politik, Verkehrsdepartement, beim BR Herrn Rösti.
Die Kostenwahrheit beim Schienengüterverkehr ist nach wie vor nicht gegeben. Der Strassengüterverkehr deckt bei weitem nicht seine verursachten Kosten - einerseits der Infrastruktur Strasse, aber ganz wesentlich die Umweltschäden (Feinstaub, Plastik, CO2-Ausstoss, Lärm, Belastungen nun gar des Trinkwassers) und gesundheitlichen Folgekosten, die die Allgemeinheit via Krankenkassenprämien, Steuern, unnötiger, weitere Strassen-Ausbauprojekte, etc, tragen muss. Wäre die Akzeptanz der Kostenwahrheit da, bei der Politik, und müsste der Lastwagenverkehr mehr zu diesen Kosten beitragen, sähe die Rechung besser aus.
Klar den Strassengüterverkehr braucht es auch - für div. Endtransporte ab Güteranlagen (Freiverlad, Terminals, etc).
Trotzdem: Meine eindringliche Frage an den SBB-Konzern und -Cargo: Warum lobbyiert / beantragt SBB-Cargo (analog wie beim Personenverkehr/Verkehrsverbünde) nicht auch Kostenbeiträge bei Bund und Kantonen für den Schienengüterverkehr??
Welche weitere Hilfe oder welchen weiteren Beitrag kann hier der SEV als Gewerkschaft weiter bieten - ich weiss, Philipp Hadorn tut sein möglichstes! Kann der SEV selber Vorstossen beim Verkehrsdepartement oder via Parlamentarier oder gar beim zuständigen BR Hr Rösti, als politisches Lobbying?
Danke an den SEV und die Kollegen Cargo, die sich täglich für den bestmöglichen Kundenservice einsetzen!
Thomas Müller, Luzern
Thomas Müller (pens. Anforderungsmanager Betriebsführung Infrastruktur SBB)
Giselihalde 9
6006 Luzern