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Bilanz SBB 2023

EWLV bleibt Eckpfeiler

Die SBB hat insgesamt 2023 gute Zahlen geschrieben. Zum ersten Mal seit der Corona-Krise schreibt sie einen Gewinn. 2023 hat sie täglich 1,32 Millionen Menschen transportiert und somit wieder das Niveau des Rekordjahres 2019 erreicht. 267 Mio. Franken Gewinn schreibt die SBB, sitzt aber weiterhin auf 11,26 Mia. Franken Schulden.

An ihrer Bilanzmedienkonferenz am 11. März hat sie mitgeteilt, dass sie weiterwachsen und das Bauvolumen vergrössern will. Das Angebot im Personenverkehr soll ausgebaut werden, unter anderem will sie den Takt in Richtung 15 Minuten ausbauen und spricht – etwas vage – von einer flexibleren Gestaltung des Angebots. Auch ins Personal will die SBB investieren und verspricht, eine «attraktive Arbeitgeberin» zu bleiben.

Weiterhin keine positiven Zahlen schreibt SBB Cargo, die nun wieder zur SBB gehört. Das Ergebnis verbesserte sich um 148 Mio. Franken, allerdings bleibt ein Verlust von 40 Mio. Franken. Der Ganzzugverkehr laufe gut, sagt SBB-CEO Vincent Ducrot in einem Interview mit SRF, Verluste schreibe vor allem der Einzelwagenladungsverkehr (EWLV).

Dazu sagt Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär SEV und Leiter Team Cargo: «Stimmt, das Jahresergebnis 2023 von SBB Cargo ist besser als im Vorjahr, aber mit minus 40 Mio. Franken noch nicht gerade berauschend. Dies hat klare Gründe: 1. Der Auftrag des Bundes ist, bis zur Klärung der Zukunft des Einzelwagenladungsverkehr EWLV durch das Parlament, diesen konzeptionell nicht anzutasten. 2. Die Vernehmlassung im Sinne einer Weiterentwicklung des Güterverkehrs brachte klar zum Ausdruck, dass Ausbau statt Abbau des EWLV – mit Bundesmitteln – ein mehrheitsfähiges Ziel ist. 3. Systemrelevanz und Klimaziele erfordern zwingend Mengenzunahme im EWLV, der auch Treiber für das Geschäft der Ganzzüge ist.»

Der Bundesrat will den EWLV mit rund 65 Mio. Franken jährlich unterstützen, mit dem Ziel, dass er am Schluss eigenwirtschaftlich funktionieren soll (siehe auch SEV-Zeitung 1/24). Im Interview mit SRF spricht Ducrot von einer Transformationsphase beim EWLV. Er stelle sich vor, dass neue Terminals auf dem Land gebaut würden, wo Lastwagen Waren hin transportieren und dann auf Güterzüge verladen werden. Implizit sagt er damit, dass SBB Cargo damit den EWLV mittelfristig mit Lastwagen ersetzen will.

Solche Aussagen widersprechen der Politik, für die der SEV einsteht. Philipp Hadorn stellt Ducrots Aussage deutlich entgegen: «Die SBB ist gut beraten, auch öffentlich weiterhin zur Bedeutung des EWLV zu stehen. Nur eine Finanzspritze bis zur Transformation der Warenzufuhr auf die Bahnterminals per Camions ist ein No-Go. Eine nachhaltige Entwicklung beinhaltet auch langfristige Zufuhr der Ware auf der Schiene – mit einem ausfinanzierten EWLV.»

Michael Spahr
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Für eine gemeinsame Zukunft

Kommentar zur Jahresbilanz der SBB von Patrick Kummer, Vizepräsident SEV

Sei es in der Kundenbegleitung, beim Lokpersonal, im Rangier, im Rollmaterialunterhalt, bei Fahrleitungsmonteur:innen, Fachspezialist:innen für Sicherungsanlagen, Ingenieuren oder bei Lokführenden B100 – es herrscht Personalmangel!

Bis 2030 wird zudem rund ein Fünftel der Belegschaft pensioniert, also etwa 6000 Mitarbeitende. SBB und SBB Cargo müssen sicherstellen, dass sie den Personalbestand halten und wo nötig ausbauen. Erstens braucht es dazu eine vorausschauende Personalplanung, um anstehende Abgänge frühzeitig zu ersetzen. Zweitens braucht es attraktive Anstellungs- und Arbeitsbedingungen sowie konkurrenzfähige Löhne und finanzielle Kompensationen für Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit, die so hoch sind, dass sich diese Zusatzbelastungen auch tatsächlich lohnen. Das gilt übrigens nicht nur für SBB und SBB Cargo, sondern für die gesamte ÖV-Branche. Unser hervorragendes ÖV-System funktioniert, weil das Personal täglich qualitativ hochstehende Ar-beit leistet, unter teils erschwerten Bedingungen wie dem Unfall im Gotthard-Basistunnel und den vermehrten Aggressionen auf den Zügen. Das Sicherheitsempfinden der Mitarbeitenden auf den Zügen ist zentral. Dass Kolleginnen und Kollegen im Zug oder auf dem Perron zu gewissen Uhrzeiten Angst haben müssen, ist ein komplett inakzeptabler Zustand. Dieses Sicherheitsempfinden kann mit genügend Personal wieder erhöht werden. Nette Worte und Floskeln wie «One SBB» helfen da hingegen wenig.

Den ÖV-Unternehmen in der Schweiz geht es nach schwierigen Pandemiejahren wieder gut. Die Jahresbilanzen 2023 fallen positiv aus. Anfang März hat auch die SBB ihr Resultat 2023 bekannt gegeben. Der SEV freut sich über die sehr guten Zahlen. Nun gilt es ein Zeichen zu setzen – ein Zeichen für das Personal, ein Zeichen für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz. Die Unterbestände müssen behoben werden!

Das Gleiche gilt für den Schienengüterverkehr: SBB Cargo wieder als 100-Prozent-Tochtergesellschaft in den Konzern zu integrieren, war sicher die richtige Entscheidung. Nun muss der angekündigte Transformationsplan sicherstellen, dass SBB Cargo und alle Kolleginnen und Kollegen, die den Schienengüterverkehr täglich am Laufen halten, gemeinsam eine Zukunft haben. Zu dieser Zukunft gehört auch ein Kulturwandel im Unternehmen, der nur gelingen kann, wenn er gemeinsam mit dem Personal definiert und erarbeitet wird.